Thema: Selbstdiagnose

Ein heikles Thema, welchem ich mich heute trotzdem einmal annehmen möchte.

Klären wir erstmal:

Was ist eine Diagnose?

Wikipedia sagt dazu:

,,Eine Diagnose entsteht durch die zusammenfassende Gesamtschau und Beurteilung der erhobenen Befunde.“

Heißt schlicht, dass eine Diagnose gestellt wird, aus den vorliegenden Symptomen und Beschwerden. Im Normalfall wird dazu auch die Vorgeschichte mit einbezogen. Welche (medizinische) Diagnose dann z.B gestellt wird, richtet sich nach den einzelnen Gruppen/Kategorien, welche in den offiziellen Diagnosehandbüchern bisher verzeichnet sind.

Eine klare, umfassende und sichere Diagnose kann demnach auch nur geschultes Personal durchführen.

Stellt euch vor, ihr seid in einem Gebäude Hausmeister und sollt nun plötzlich eine Diagnose über die Statik des Hauses anstellen. Sehr sicher und zuverlässig klingt das dann nicht, oder?

Im Endeffekt, behaltet das im Hinterkopf, geht es aber bei der Diagnosestellung nur darum, dem Kind einen Namen zu geben. Ihr habt Symptome und um diese auf etwas Greifbares einzugrenzen, sodass man euch danach richtig behandeln kann, wurden die gängigen Diagnosebilder entwickelt. Eine Diagnose ist aber immer nur der VERSUCH eure Symptome einzugrenzen, sie sagt niemals etwas darüber aus wer oder was ihr seid!

Fehldiagnosen

Wie ihr wisst, sind Ärzte aber auch nur Menschen und Menschen machen nun mal Fehler. Das kann leider passieren.

Diesbezüglich kann es verschiedene Faktoren geben:

  • Bei Diagnosestellung waren nicht alle Symptome bekannt (sowohl dem Arzt, wie aber auch dem Patienten)
  • Die Vorgeschichte des Patienten wurde nicht gründlich mit einbezogen
  • Aus Zeitmangel wurde der Patient nur oberflächlich begutachtet
  • Das medizinische Personal ist in einem bestimmten Bereich nicht geschult und kann die Symptome daher nicht richtig zuordnen
  • Der behandelte Arzt ist von seiner Grandiosität überzeugt und lässt keine andere Meinung zu, sondern handelt rein nach seinem Ermessen
  • usw.

Zu einer Fehldiagnose kann es also durchaus schnell einmal kommen. Genau deswegen wird ja auch immer wieder angeraten, sich eine 2. und 3. Meinung einzuholen.

So und das ist der Punkt, den ich so schade finde. Denn gerade im Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie habe ich es z.B immer wieder erlebt, dass vorher gestellte Diagnosen einfach übernommen wurden. Ohne dies selbst noch einmal zu überprüfen.

Bei mir hat das dazu geführt, dass ich jahrelang mit einer Borderline-Diagnose herumgelaufen bin und auch dementsprechend behandelt wurde. Für mich führte das zu viel Negativen.

Andere wiederum, z.B gerade im Bereich der dissoziativen Störungen, laufen jahrelang mit einer Schizophrenie-Diagnose durch die Gegend. Das die falsche Behandlung dieser 2 unterschiedlichen Diagnosefelder weitreichende Folgen haben kann, erklärt sich von selbst.

Auch wenn man immer wieder über falsche Krebs-Diagnosen ließt, macht einen das hellhörig. Hier habe ich euch einen Artikel verlinkt, wo es darum geht, dass 10 von 11 Brustkrebs-Diagnosen schlicht weg einfach falsch sind und Frauen unnötigerweise die Brust amputiert wurde.

Selbsteinschätzung

In den Trauma“selbsthilfe“gruppen, in welchen ich angemeldet war, kam es immer wieder zu diesen Momenten: Neue Mitglieder stießen dazu, schilderten ihre Symptome, gaben ihre Selbsteinschätzung ab und fragten nach der Meinung der anderen (für mich logisch, dass sie Leute fragen, die selbst betroffen sind – Wer sollte es sonst besser wissen?).

Mein erster Gedanke war dabei aber immer: ,,Na, wollen wir wetten, wie lange es dauert, bis der Rest der Gruppe seine Mistgabeln und Fackeln rausholt?“

Sich selbst einzuschätzen, ist ja da dermaßen verpönt.

Warum?

Ich finde es ungemein wichtig, sich selbst ein Bild über sich zu machen. Das ist meiner Meinung nach eine Voraussetzung dafür, dass man wieder den Weg zu sich selbst findet. Ich kann mich doch nicht nur darauf verlassen, was andere sagen. Wie wir eben besprochen haben, kann das nämlich auch schnell mal in die Hose gehen.

Wie nehme ich mich wahr? Was erlebe ich? Was fühle ich?

Und mit dieser Selbsteinschätzung kannst du dann auch beim Arzt abklären, was wirklich Sache ist. Der Arzt kann dir erst so erklären, wo vll der Unterschied zwischen deiner Selbstwahrnehmung und dem liegt, was pathologisch nachweisbar ist. Ihr könnt darüber reden, was er wahrnimmt und wo die Punkte sind, wo sich eure Wahrnehmung unterscheidet. Und genau diese Punkte könnt ihr dann näher erörtern.

So lernst du doch auch viel besser mit dir und deiner Selbstwahrnehmung umzugehen, als wenn du ausschließlich darauf wartest, dass dir ein anderer sagt, was mit dir los ist.

Vorsicht ist trotzdem geboten

Schnell kann das Symptome googlen aber dazu führen, dass man sich in etwas hineinsteigert.

Die meisten dürften sowas hier nämlich kennen: Du gibst bei Google Husten und Kopfschmerzen ein und schwupp hast du das Ergebnis Krebs. Faszinierenderweise spuckt ja so gut wie jedes Symptom Krebs aus 😅. Wer dann jetzt vll noch ganz leicht dazu veranlagt ist, hypochondrisch zu reagieren, naja … Der macht sich auf jeden Fall nicht gerade gesünder, durch seine Suche.

Des weiteren sollte niemals eine Selbstmedikation, aufgrund selbst gestellter Diagnosen, erfolgen. Mal abgesehen davon, dass das generell nie zu empfehlen ist, kann sowas eben kann schön kräftig nach hinten los gehen. Wenn du eine ganz andere Krankheit hast, als du glaubst zu haben, kannst du dir mit solchen Selbstbehandlungsversuchen, am Ende nur richtig schaden.

Appell an die Eigenverantwortung

Ihr dürft euch aber trotzdem selbst einschätzen. Punkt.

Ihr selbst tragt die Verantwortung für eure Heilung. Nicht der Täter. Nicht der Arzt und nicht der Psychotherapeut.

Voraussetzung dafür ist, dass ihr wieder in Kontakt mit euch kommt.

Ihr dürft also sehr wohl eine Meinung über euch haben und diese Meinung dürft ihr auch vertreten. Ärzte sind nicht allwissend. Sie sind keine Götter und vor allem wissen sie nicht, was in euch vorgeht (im Bereich der Psychiatrie/Psychotherapie z.B).

Dennoch hört euch auch an was sie zu sagen haben und winkt das nicht gleich ab. Bis man wirklich weiß was mit einem los ist, dauert das manchmal lange Zeit und es bedarf vieler Meinungen und Einschätzungen.

Was ich wichtig finde

Für mich ist es unheimlich wichtig alle möglichen Eventualitäten mit einzubeziehen. Nur wenn ich z.B weiß wie der Eine das und das erlebt, kann ich sagen: ,,Aha das erlebe ich auch so“ oder ,,Ne, das hab ich überhaupt nicht“.

Und nur wenn ich meiner Therapeutin sage: ,,Hören Sie mal, ich erlebe das und das und das und habe dieses Gefühl dazu. Wie beurteilen Sie das?“ und ich dann ihre Meinung dazu bekomme, kann ich für mich etwas schlüssiges daraus ziehen.

Viele Dinge erlebe ich, seit ich mich erinnern kann. Ich kenne sie nicht anders. Oder andere Sachen haben sich so in den normalen Alltag eingeschlichen, dass ich sie gar nicht für ungewöhnlich erachte. Woher soll ich also wissen ob das normal oder pathologisch ist, wenn ich nicht nachfrage und das abgleiche?

Ich finde es auch ein bisschen frech und beleidigend, wenn direkt davon ausgegangen wird, dass man sich deshalb gleich in eine Diagnose hineinsteigert oder sie sogar ausschmückt/Symptome dazu erfindet usw.

Mir gibt dies das Gefühl, als würde man mir nicht zutrauen selbst beurteilen zu können, ob ich etwas erlebe oder nicht. Als würde ich dann auf alles, auch wenn es mich gar nicht betrifft, mit ,,JaJaJa!!“ antworten.

Ich bin ein erwachsener Mensch und erachte mich als so eigenverantwortlich, dass ich beurteilen kann, ob ich etwas erlebe oder nicht. Wenn ich z.B noch nie einen dissoziativen Krampfanfall hatte, hatte ich eben noch keinen. Um zu wissen was das aber ist, muss ich ja erstmal nachschauen/nachfragen. Und es gibt Menschen, die bzgl. dieses Differenzierens Probleme haben. Das ist vollkommen okay. Dennoch sollten jene dies aber nicht auf andere projizieren und diese dafür angreifen, weil sie wissen wollen, wo sie selbst stehen.

Ein persönliches Beispiel

Ich bin durch ein Buch, einer Betroffenen, auf die dissoziativen Symptome gekommen. Das Buch bekam ich geliehen und hatte dazu überhaupt keinen persönlichen Bezug. Also ich las das nicht, um etwas über mich zu erfahren o.ä

Diese Geschichte war so abgedreht, dass es eigentlich fast unmöglich war, das mir davon irgendwas bekannt vorkam. Tat es aber.

Also suchte ich im Internet weiter und stieß auch auf einen YouTube-Kanal einer Betroffenen. Mir kamen immer mehr Sachen bekannt vor, aber ich dachte: ,,Naja, das ist trotzdem echt schräg. da ist schon nix.“. Irgendwann dachte ich: ,,Naja vll KÖNNTE es doch in den Bereich ….. gehen“ (eine klare Diagnose nenne ich hier nicht). Einige Tage später holte ich meine Unterlagen, von meiner Anwältin ab (was wirklich ein dummer, zeitlicher Zufall war). Dabei befand sich ein Klinikbericht von mir aus dem Jahre 2015. Eine meine Oma´s kopierte diesen damals und reichte ihn vor Gericht ein (der Sinn dahinter war, dem Gericht zu zeigen wie durchgeknallt ich doch sei, sodass mein Kind bloß nicht zu mir zurückkommt und beim Vater bleiben soll), weshalb er letztendlich auch bei meiner Anwältin landete.

Das was ich vermutete, stand da schon längst als Diagnose drauf. Schon vor Jahren. Nur soviel zu dem Thema wie richtig oder falsch so eine Selbsteinschätzung sein kann. Auch die Borderline-Diagnose habe ich mittlerweile nicht mehr. Ich sagte damals immer wieder, dass ich mich in einigen Punkten wiederfinde, aber eben nicht in allen. Und genau das sind die Punkte, die den Unterschied zur kPtbs machen (ich verlinke euch die Tabelle mal Hier).

Ich selbst wusste von den Diagnosen des Arztes übrigens nichts. Dieser Klinikbericht ist bis heute auf mysteriöse Weise verschwunden (meine Oma hat ihn aber nicht, die kopiert sich solche Sachen nur, das wäre sonst zu auffällig) und es existiert (für mich auffindbar zumindest) nur die Kopie, die beim Gericht vorgelegt wurde. Auch mit dem Arzt konnte ich damals nicht mehr darüber sprechen, da ,ich‘ mich vorher selbst aus der Klinik entließ.

Mein Schlusswort

Ich persönlich werde mich trotzdem davor hüten zu sagen: ,,Also das und das habe ich definitiv!“. Dazu warte ich einen weiteren (oder weitere) Klinikaufenthalt(e) ab (da man dort ganz anders diagnostizieren kann) und auch was sich in meinem Erleben weiterhin noch tun wird. Ein wildes switchen, wo jede Woche jemand anderes meiner Therapeutin was erzählt, gibt es z.B nämlich nicht.

Ich habe meine Selbsteinschätzung, die Einschätzung der früheren Ärzte und die meiner Therapeutin. Und was sich weiterhin zeigt und was nicht, wird die Zeit bringen, Manches ist so wie man denkt und manches ist am Ende ganz anders.

Lasst euch bitte von niemand einreden, ihr könntet nicht wissen was mit euch los ist. Steigert euch nicht rein, bleibt ehrlich zu euch selbst, klärt aber trotzdem ruhig alles mögliche einmal ab. Und hört auf euer Gefühl.

Ihr dürft das tun 😊.

© 2024

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