3 Leitsyptome eine (K)PTBS: #3 Intrusion (2) – Wiederholungszwang

Wie angekündigt, soll es heute um die Trauma-Reinszenierung gehen. Eine Form der Intrusion, die sich u.a im Handeln des Menschen ausdrückt…

Was ist der Wiederholungszwang?

Freud prägte den Begriff Wiederholungszwang anfang des 20.Jh. In seiner Arbeit dazu setzte er sich mit den Fragen auseinander, warum so viele neurotische Patienten Verhaltensweisen, die ihnen nachweislich schaden, einfach nicht ablegen können und stattdessen immer wieder erneut reinszenieren. Dieses ganze Szenario der Reinszenierung war aber natürlich schon lange vor Freud bekannt.

Alles im Leben neigt nämlich eigentlich zur Wiederholung: Einatmen – Ausatmen. Leben – Vergehen. Das Pumpen unseres Herzens … Und auch unsere Psyche wiederholt Dinge, vor allem die, die sie nicht versteht. Nicht begreift. Dinge die unbewusst in uns schlummern. Und selbstverständlich haben sich diesem Thema schon viele Menschen gewidmet.

Ich meine, kennt ihr das nicht auch? Immer wieder landen wir in den gleichen Beziehungsmustern: Wir geraten wiederholt an Männer, die Gewalt an uns ausüben oder wir sind schon wieder an eine Frau gekommen, die uns fremdgeht. An Freunde die uns ausnutzen, wir werden immer wieder Opfer von Mobbing oder erleben stets aufs Neue wie wir ausgeschlossen werden. Es gibt Dinge an uns, die wir einfach nicht schaffen abzulegen und Situationen, die sich wie ein Fluch wiederholen und wir verstehen nicht warum das passiert...

Und gerade bei diesen sich wiederholenden Beziehungsmustern und Erlebnissen denke ich mir oft, dass es doch meine Schuld sein muss. Wenn es in alledem immer nur diese eine Konstante – und zwar mich – gibt, welche andere Schlussfolgerung bleibt einen da eigentlich auch noch? Es können ja schließlich nicht immer die anderen sein.

Aber genau dieses Prinzip der Wiederholung erklärt eben, dass wir nicht selbst SCHULD sind. Stattdessen sind wir handelende und agierende Figuren in unserem eigenen Leben. Wir tragen nicht die Schuld für das Verhalten anderer uns gegenüber. NIEMALS! Nein, es zeigt uns eher auf, dass wir nicht ewig Spielball unserer Umgebung bleiben müssen. Das wir selbst auch eine Rolle in unserem Leben spielen dürfen, statt das das nur die Wünsche und Gelüste anderer tun. Um Schuld geht es dabei überhaupt nicht.

Warum kommt es dazu?

,,Was man nicht versteht, lässt einen nicht los.

Finde ich genial und total passend diesen Satz. Guckt mal, ein Trauma ist nicht immer nur eine Vergew*ltigung, ein Überfall oder eine Naturkatastrophe. So viele Dinge wirken traumatisch auf uns ein. Die frühe Trennung von unseren Eltern, Konflikte in der Familie usw. Natürlich sind die Ausmaße anders, aber d.h ja nicht, dass so etwas keine Folgen hat. Solange etwas aber noch unbewusst ist, wir also gar nicht begreifen, dass es da überhaupt etwas gibt, was in uns schlummert. Solange können wir es auch nicht in der Vergangenheit lassen, abschließen damit und nehmen es stattdessen immer wieder mit in unsere Gegenwart.

Bisher geht man davon (und da ist die Forschung noch lange nicht am Ende angelangt), dass diese ständige Reinszenierung stattfindet, weil wir dadurch versuchen können, den Ausgang der Situation, heute anders zu gestalten. Themen die uns damals ohnmächtig machten und verletzt und verständnislos zurückließen, könnten so durch erneutes Erleben umgestaltet werden. Der Kerngedanke ist also neu erleben, ein positives Ende herbeiführen, unsere Macht zurück gewinnen und das Thema so integrieren.

NOCHMAL: Das meiste passiert davon völlig unbewusst! Tipps wie: ,,Nun such die halt einfach mal einen anständigen Mann“ bringen daher nicht viel. Rational ist uns bewusst was besser laufen könnte, aber da wir die Ursache hinter all dessen nicht verstehen, können wir auch nichts verändern.

Formen der Reinszenierung

Beispiel 1: Gefahrvolle Situationen

Zum Beispiel neige ich dazu, mich in durchaus gefährliche Situationen mit fremden Männern zu begeben. Ich stoße in sehr merkwürdige Gruppen dazu und ich provoziere. Extrem. Nie böswillig, aber ich tue es. Alles andere wäre gelogen. Ich merke das, kann es aber nicht stoppen. Oder ich tue sehr unüberlegte Sachen. Meist ging das gut aus (=mehr Glück als Verstand). Allerdings gab es eben auch Fälle, wo es nicht so gut ausging. Wo es zu Übergriffen kam, verschiedenster Art. Gewollt oder bewusst provoziert habe ich davon jedoch nie etwas.

Dennoch, wenn ich das heute versuche zu reflektieren: Wenn ich mich in diese Situationen begeben habe, hoffte ich, dachte ich, dass diese Leute anders sind. Sie nichts mit mir anstellen und mich einfach nur lieb haben. So wie ich bin. Egal wie ich bin. Ich wollte das Gefühl haben okay zu sein. Natürlich war das meistens nicht der Fall, da ich mich in einem sehr toxischen Umfeld befand. Aber mein unbewusster (!) Wunsch, dass ich angenommen und nicht benutzt werde, stand im Vordergrund und der war (ist?) so stark, dass ich alles andere ignorierte.

Beispiel 2: Beziehungsstrukturen (Bindungstrauma)

Meine Mutter war ein sehr narzisstischer Typ Mensch, genau so wie er im Buche steht. Die Welt drehte sich um sie. Als ich ein Baby war, hat mir meine Oma einmal erzählt, war sie unheimlich versessen auf mich. Kaum einer durfte mich überhaupt halten oder gar sehen. Ich war ihr Püppchen. Bis zu ca. 1 Jahr, hielt sie mich quasi „unter Verschluss“. Dann verlor sie die Lust. Sowas war üblich für meine Mutter. Danach empfand sie mich zunehmends als störend. Sie fing an einen richtigen Hass und Ekel auf mich zu richten und ließ mich diesen auch deutlich spüren.

In meinem Erwachsenenleben geriet ich nun immer wieder in Beziehungsmuster zu Menschen, die mich am Anfang unheimlich toll fanden. In den Himmel lobten und, lustigerweise, nach kurzer Zeit das Interesse verloren. Aber nicht nur das, sie fingen an mich abstoßend zu finden. Sie projizierten ihren ganzen Hass auf mich und ich habe noch NIE eine Erklärung bekommen, warum das eigentlich so ist bzw. war. Ich blieb stets lediglich zurück, mit dem schlechten Gefühl das ICH schlecht bin. Unausstehlich. Jemand, der alle anderen vertreibt. Den niemand will.

Das Ding ist, wenn ich das näher und ehrlich betrachte: Ich begebe mich immer wieder in Beziehungen (partnerschaftlich, wie aber auch freundschaftlich) zu Menschen, die ähnlich narzisstisch veranlagt sind. Da mein Selbstwert eigentlich noch nie wirklich weit oben war, stellt die schnelle Belobigung von diesen Menschen, das schnelle ‚geliebt-werden‘ etwas dar, nach dem ich mich regelrecht verzerre. Eine Beziehung ist stabiler wenn sie langsam aufgebaut wird, klar, aber wenn du nie wirklich echte Liebe erfahren hast, bist du wie ein Junkie auf Entzug. Du nimmst alles was dem gleich kommt und dessen Wirkung sofort einsetzt = Schnelle „Liebe“. Auch promiskuitives Verhalten spielt(e) da mit rein (bei mir zumindest früher).

Beispiel 3: Beziehungsstrukturen (benutzt werden)

Dieses Muster durschaute ich erst vor kurzem. Meine Therapeutin riet mir vll einfach mal eine Art „Familienaufstellung“ zu machen. Dabei schrieb ich zu jedem Familienmitglied auf, was mir gerade so dazu durch den Kopf ging. Wie ich die Beziehung empfand. Ohne etwas herunterzuspielen, aus der Sicht des anderen sehen zu wollen o.ä

Meinen Vater habe ich vergöttert. Wir saßen oft lange draußen am Lagerfeuer oder drinnen am Kamin und redeten meist die halbe bis ganze Nacht lang. Wir fuhren mit den Hunden spazieren, gingen gemeinsam einkaufen oder verschworen uns gegen meine Mutter (wenn er und sie Streit hatten). Tolle Erinnerungen, die ich auch heute noch behalten werde. Egal was war (und was vll noch war). Wir sprachen, seit ich winzig klein war, über Gott, Politik und Familiengeschichten. Wir philosophierten oftmals ewig darüber. Nun stelle man sich einen Knirps von 3 Jahren vor, der über Politik mitredet. Ich fand das super toll, als Kind. Ich fühlte mich wichtig. Als wichtigen Teil seines Lebens. Jedoch kann ich mich nicht daran erinnern, dass sich die Gespräche auch einmal ernsthaft um mich drehten. Um meine Gedanken und Wünsche und wenn, dann nur mit viel Spott von seitens meiner Eltern. Es gab auch nichts was ich ihm im Vertrauen hätte erzählen können. Alles wurde meiner Mutter erzählt und ja …

Im Gespräch mit meiner Therapeutin fiel mir dann auf: Mich seinen Gesprächen anzupassen, seinen Themen folgen, war damals als Kind, besser als gar kein Reden. Ein 3-Jähriges Kind interessiert sich aber nicht wirklich für Politik o.ä. Er jedoch hat mich schlicht einfach nur benutzt. Ich war sein Freund- und Partnerersatz.

Und dieses Muster verfolgte ich vor allem in meinen freundschaftlichen Beziehungen. Menschen, bei denen es ausschließlich um sie ging. Ich hatte da zu sein. Ihrer Befriedigung zu dienen. Sicher erhob ich auch mal das Wort, über mich. Nach spätestens 10min bekam ich jedoch meist gesagt, nun sei aber auch mal gut. Die Welt drehe sich nicht nur um mich. Oder für mich wichtige Themen wurden ganz fallen gelassen. Es wird einfach darüber geschwiegen oder nicht ernst genommen.

Reinszenierung im Kinderspiel

Ganz deutlich wird die Trauma-Reinszenierung bereits im kindlichen Spiel. Das normale kindliche Spielen ist flüssig, es ist leicht und unbeschwert und ja, auch traumatisierte Kinder spielen ganz viel, ganz normale Spiele! Die Trauma-Reinszenierung findet nicht permanent statt!

Wenn sie aber einsetzt, dann wird das kindliche Spiel sehr düster. Verhaltensweisen wiederholen sich zwanghaft und lassen sich kaum unterbrechen. Gerade wenn Kinder sexuelle Handlungen immer wieder nachspielen wird das sehr deutlich oder ein anders…

Beispiel: Eine alte Schulfreundin erzählte mir von einem Spiel bei ihr, zwischen uns. Wir spielten mit Stofftieren. Als ich dran war, starb meine Figur, was sie jetzt nicht so super fand [Generell sterben IMMER die Figuren, mit denen ich spiele. Zugegeben ist das bis heute oft so. Im Spiel mit der 4-Jährigen Tochter meiner Freundin musste ich mich letztens z.B extrem zusammenreißen, ihre süßen Bauernhof-Kühe und Pferde nicht qualvoll abnippeln zu lassen 🙈]. Sie fand das damals nicht so toll und wollte das Stofftier reanimieren. Tod war halt irgendwie ein doofes Spiel für Kinder in unserem Alter. Meine Stimmung änderte sich aber abrupt ins Düstere und Kalte: ,,Was tot ist, kann man nicht wiederbeleben! Das bleibt tot!„.

Etwas anderes ist z.B das ich fast schon manisch eine Hand oder Fuß von meinen Puppen und Spielfiguren entfernt habe. Blut spielte zudem eine extrem große Rolle. Ich malte immerzu alles rot an. Bei meinen Stofftieren (die ich liebte, schließlich passten sie nachts auf mich auf) war es jedoch so, dass ich sie dadurch versuchte immer wieder zu verarzten und zu retten. Ein sehr anderes düsteres Spiel war einmal, als wir noch ein Häuschen im Wald hatten. Ich zog meinen Puppen sämtliche Kleider aus, band sie so mit dem Kopf nach unten an die Bäume, rings ums Haus, und ließ sie da „als Strafe“ hängen. Oder meine Schwester hatte z.B einen großen Teddy in ihrem Spielzeit, den sie regelmäßig vergewaltigte. Wortwörtlich. Meine Eltern tauften ihn „liebevoll“ ihren „Fic*bär“.

Nein, sowas sind keine normalen Kinderspiele. Das Trauma muss darin nicht automatisch 1:1 wiedergegeben werden, aber irgendetwas stimmt da ganz sicher nicht zuhause.

Die Übertragung

Zum Beispiel denken wir unwillkommen zu sein oder das uns jemand nicht mag. Wir machen das an allerhand Dinge aus. Der Reaktion des anderen. Seinen Blicken. Einer zu langen Pause, bis die Antwort des Gegenüber kommt, usw. Dieses eigene Gefühl übertragen wir jetzt auf den anderen. Wir halten unsere Vermutung für die Realität. Nehmen wir z.B an, wir wären unwillkommen, dann verhalten wir uns distanziert, kühl, deprimiert, vll sogar ablehnend (nach dem Motto: ,,Angriff ist die beste Verteidigung„). Unser Gegenüber sieht die Situation jedoch ganz anders: Vll war er gestresst. Oder wegen etwas genervt, das ihm vorher durch den Kopf ging oder was er eben erlebt hat (einen Streit z.B). Nichts, was mit uns zu tun hat. Durch unsere Reaktion, hervorgehend aus unsere Angst/Befürchtung, provozieren wir jedoch nun genau die Reaktion, vor der wir ja eigentlich Angst haben und die wir vermeiden wollen.

Beispiel wieder: Ich reagiere unheimlich auf die Stimmungen anderer. Wird die Luft dick, warum auch immer, ist mein erster Gedanke: ,,DU hast etwas falsch gemacht! Du musst irgendetwas tun, um das wieder gerade zu biegen!“. Dann gibt es aber in mir diesen Teil, der darauf wirklich keine Lust mehr hat, es anderen Recht machen. Der nicht kapiert, warum er länger für die Launen anderer herhalten sollte. Also reagiert dieser Teil teilweise wirklich schon sehr pissig. Bevor sich dieser Teil erniedrigt (indem er sich anpasst), geht er lieber auf Abstand oder bricht den Kontakt ganz ab. Mein Gegenüber ist dadurch natürlich vor den Kopf gestoßen und denkt sich das gleiche, was ständig in mir rum geht: ,,Warum darf ich nicht auch mal schlecht drauf sein? Was soll das jetzt?! Gut, dann lass es halt!“

Ergo = Derjenige geht selbst auch auf Abstand. Was meine innere Überzeugung nicht richtig zu sein, etwas falsch gemacht zu haben, abgelehnt zu werden, wieder bestärkt: ,,Da, schon wieder! Siehste, alle hassen dich!“.

Der Crux bei allem

Die Frage, die ich mir dabei immer wieder stelle: ,,Wie schaffe ich es nur mir, aus der Fülle der Menschen und möglichen Situationen, immer wieder toxische herauszusuchen?“ Es ist ja nicht so, als würden sie ein klar sichtbares Schild vor sich her tragen, oder? Als würde ich aus 99 super Leuten, die eine giftige Schlange heraussuchen. Absichtlich…

Gehen wir nochmal auf das mit der schnellen Liebe ein: Auch Narzissten fehlt es chronisch an erlebter, erhaltener Liebe. An innerer Fülle. Das wonach ich mich sehne, geben sie sofort, weil sie ebenfalls das gleiche wollen. Man ergänzt sich also, auch wenn letztendlich die Ausprägungen unterschiedlich sind. Was dann wieder zu einer Menge gegenseitigem Leid führt (ja auch Narzissten leiden).

Es gibt sie also, diese Anzeichen. Anzeichen, die wir bewusst ignorieren oder sogar herunterspielen. Meist weil unser unbewusster Wunsch der Traumaauflösung, der Wunsch nach einem glücklichen Ende, uns alles andere ausblenden lässt. Umso mehr wir uns danach sehnen, umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit in toxische Umstände zu geraten. Nach einer Studie von Diana Russel wurden z.B 60% der vergewaltigten Frauen, bereits im Kindesalter vom Vater oder anderen nahestehenden Personen missbraucht. Das Risiko wiederholt missbraucht zu werden, steigt bei bereits misshandelten Frauen (oder auch Männern, obwohl diese auch oft, nicht alle!, eher mit Aggression nach Außen reagieren) um mehr als das Doppelte!

Wir kennen diese (gefährlichen) Situationen ja bereits. Sie sind uns bekannt. Wir haben nie gelernt, dass wir auch Grenzen haben dürfen. Es existiert so gut wie kein Selbstschutz. Nein sagen? Du sagst nicht Nein als Kind! Das darfst du dir gar nicht erlauben. Dein physisches und psychisches Überleben hängt davon ab, zu gehorchen. Mitzuspielen.

Was können wir also heute tun? Wie das verändern?

Wir können es uns bewusst machen. Unsere Verhaltensweisen und Muster durchschauen. Sie erkenn- und erlebbar machen.

Je weniger uns etwas in uns bewusst ist, desto eher wird es auf die äußere Umgebung, auf Situationen und Personen übertragen. Wir können unsere Muster nicht verändern, wenn wir nicht wissen, warum sie so sind, wie sie sind.

,,Es ist, als würden wir versuchen uns von unserem eigenen Schatten zu lösen, indem wir immerzu nach vorn springen.“

So wahr und so treffend, dieses Zitat. Erst wenn uns unser Verhalten bewusst wird und es nicht mehr nur wie ein Automatismus im Hintergrund abläuft, können wir beginnen neue Strukturen aufzubauen.

Das Verstehen dieser Strukturen löst nicht unser Problem jetzt, sofort und auf der Stelle. Das ist, nach dem Erkennen, ein langer Weg. Aber nur wenn wir sie eben erstmal verstehen können, können wir auch sehen, welcher Schmerz, welches Thema dahinter liegt. Welcher Schmerz aufgelöst werden möchte. Dadurch erforschen wir auch unsere eigenen Grenzen näher und lernen sie so, langsam, auch für uns zu vertreten. Das Erkennen unserer eigenen Innenwelt hilft uns also, neue Muster aufzubauen und selbst-bewusster zu handeln. Nicht mehr nur Opfer zu sein.

Eine Möglichkeit SSV-Gedanken in den Griff zu bekommen

Mal was kurz zwischen der Woche…

TriggerwarnungEs geht um SSV und das Thema Blut
 
Ich wollte euch gerne mal von einer Strategie erzählen, die in letzter Zeit bei mir ganz gut klappt, wenn der Druck sich selbst zu verletzen steigt.

In meinem Kopf dreht sich dann alles darum, das Bl*t zu spüren. Es anzufassen. Zu sehen. Es geht bei mir gedanklich gar nicht vorrangig um den Schmerz oder darum Druck abzulassen (obwohl selbstverständlich das Verlangen nach SSV bei hohem, äußerlichen Druck auch steigt). Vielmehr ist in meinem Kopf wortwörtlich alles rot. Diese Gedanken werden dann fast schon zwanghaft.
 
Seit einigen Jahren habe ich es aber durchgehalten, mich nicht mehr zu verletzen (🙏). Also mich zu Ritzen (SSV kann ja vieles sein und mit den anderen Sachen schwankt das eher so 😒).
In guten Zeiten ist das natürlich sowieso kein Problem. In Zeiten wo der Funktionsmodus dann aber etwas bröckelt bzw wo die inneren Schutzbarrieren nicht mehr komplett oben gehalten werden können, kommt auch dieses Verlangen wieder stärker durch.

Ich möchte das allerdings nicht mehr. Ich will das meinem Körper nicht mehr antun. Ich will keine Narben mehr. Mich unter langer Kleidung verhüllen. Und wie sollte ich meinem Kind diese Verletzungen erklären?
 
Also hab ich angefangen zu malen. Und ehrlich, ich bin wirklich grottenschlecht im malen. Ich kann gerade so ein Strichmännchen zeichnen.
Aber dieses Strichmännchen kann ich trotzdem so malen, wie ich mich fühle. Die Arme von oben bis unten offen. Die Beine. Der Körper. Ich lasse dieses Strichmännchen im Bl*t baden. Ich setze es in eine Wanne voller Rot. All das, wie ich es im Inneren gerade empfinde. Ich packe das Strichmännchen in einen Kerker. In die Dunkelheit. Ich lasse es weinen. Etwas, zu dem ich oft gar nicht selbst fähig bin, gerade wenn ich es eigentlich unbedingt nötig hätte.

Und es beruhigt. Es nimmt mir in dem Moment das dringende, innere Verlangen. Ich kann das Strichmännchen auf ein völlig rot angemaltes Blatt Papier setzen. Das was ich mir antun oder spüren will, sehe ich so vor mir. Ich kann es diesem (zugegeben wirklich total hässlichen) Strichmännchen antun. Und dann kann ich es sehen und dadurch so etwas wie Mitgefühl für es empfinden. Es hat ja schließlich gar nichts schlimmes getan. Es sitzt dann da so verletzt und allein und wenn ich es so sehen kann, von außen, objektiv, tut es mir Leid. Das hilft dieses Mitgefühl auch für mich selbst aufzubringen. In kleinen Schritten zumindest.
 
Vll hilt dem ein oder anderen, diese Art damit umzugehen, ja auch etwas 🙂

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #3 Intrusion (1)

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. In den letzten beiden Beiträgen schauten wir uns die Hypervigilanz und die Konstriktion näher an. Heute soll es dann um die Intrusion gehen….

Aufgrund der Länge des Beitrags habe ich mich aber entschieden ihn aufzuteilen. Nächste Woche gibt es dann noch den 2.Teil, der sich mit intrusiven Handlungen bzw. der Traumareinszenierung näher befassen wird.

Was sind Intrusionen?

Intrusionen können wir als das genaue Gegenteil der Konstriktion verstehen. Während die Konstriktion versucht, die traumatische Erinnerung aus dem Bewusstsein zu verdrängen, schiebt die Intrusion sie, ohne Vorwarnung und mit Nachdruck, direkt in das aktuelle Tagesbewusstsein.

Sinn und Zweck haben aber beide. Die Eine möchte uns vor den überflutenden Gefühlen des Traumas schützen, die andere möchte es ins Bewusstsein drängen, sodass es aufgelöst werden kann.

Weiter konnte man anhand verschiedener Tierversuch nachweisen, das sich Erlebtes bei anhaltend hoher Konzentration von Adrenalin und anderen Stresshormonen im Blut, stärker einprägt. Der Psychiater Bessel van der Kolk vermutet, dass dabei die sprachliche Kodierung im Gedächtnis außer Kraft gesetzt wird und das Zentralnervensystem die Gedächtnisspuren deshalb in der visuellen oder sensorischen Form abspeichert. Was eine Erklärung dafür wäre, warum traumatische Erlebnisse eher in Form von Bildern, Gerüchen oder Gefühlen wieder auftauchen, sich aber kaum in eine flüssige sprachliche Form bringen lassen.

Diese noch lose abgespeicherten Erinnerungen in uns, sind zudem mit einem Auslösereiz (Trigger) gekoppelt. Etwas was unmittelbar mit der traumatischen Situation zusammenhing. Trifft die traumatisierte Person nun später auf einen dieser Trigger, wird die entsprechende Erinnerung hervorgeholt.

Welche Formen der Intrusion gibt es?

Intrusionen können sich auf verschiedenen Wegen bemerkbar machen. Sie tauchen in Form von Albträumen wieder auf, schieben sich gedanklich mitten am Tag in unser Bewusstsein, holen uns direkt ins Trauma in Form eines Flashbacks zurück oder wiederholen das Trauma in unseren Handlungen. Wir wollen uns diese unterschiedlichen Varianten einmal näher anschauen:

Albträume

Albträume sind ein sich wiederholendes Merkmal nach traumatischen Erlebnissen. Einen Albtraum an sich hatte natürlich jeder Mensch schon einmal. Belastende Gedankengänge und Erfahrungen tauchen nachts in Form wilder Bilder wieder auf und lassen uns oftmals ängstlich hochschrecken. Da bei einem Trauma diese Erfahrung jedoch nicht abebbt, erleben wir die nächtlichen intrusiven Bilder und Gefühle auch dauerhaft und wiederholt. Dort kann das Trauma exakt 1:1 dargestellt werden oder aber es tritt abgewandelt auf. Da ich aber bereits schon mal einen eigenen Beitrag zum Thema Albträume und (nächtliche) Flashbacks geschrieben habe, möchte ich an dieser Stelle auch auf diesen Artikel verweisen.

Flashbacks

Dann haben wir da als nächstes die Flashbacks, eine Unterkategorie der Intrusionen. Beim Flashback wirst du zeitlich und räumlich direkt zurück ins Trauma geworfen. Der Flashback kann auf emotionaler, visueller, körperlicher, gustatorischer (Geschmack) oder auf olfaktorischer (riechen) Ebene auftreten. Wie sich diese einzelnen Flashbacks bemerkbar machen und durch was sie sich unterscheiden habe ich ebenfalls in einem anderen Beitrag, und zwar in Flashbacks und Intrusionen, näher erläutert.

Gedanken

Auch hier wird, wie beim Flashback, per Trigger ein Bild oder Gefühl hervorgeholt. Beide unterscheiden sich jedoch in ihrer Intensität. Während man beim Flashback vollständig geistig, körperlich und zeitlich in das Trauma zurückgezogen wird und es erneut durchlebt, bleibt man bei der Intrusion zeitlich und räumlich noch im Hier und Jetzt.

Ich persönlich kann da übrigens fast dauerhaft keinen Trigger bei mir ausmachen. Sie kommen einfach und teilweise sogar ziemlich, ziemlich oft. Da sie (bei mir zumindest) nur einen kurzen Augenblick bleiben und dann wieder verschwinden, sind sie auch nicht übertrieben störend, finde ich. Die „normale“ Intrusion ist mir zumindest 1000x lieber als ein Flashback.

Wo ist der Unterschied zur normalen Erinnerung?

Wenn ich mich z.B an letztes Jahr grillen erinnern möchte oder ich unterhalte mich darüber und die passende Erinnerung wird dazu aktiviert, dann sehe ich diese zwar bildlich vor mir, aber sie wirkt fade, leicht ausgegraut.
Die Intrusion dagegen ist lebendig. Du siehst eine vergangene Szene nicht nur, sondern du bekommst sie mit deinen ganzen Gefühlen und Empfindungen von damals aufgedrückt. Ich fühle mich dann auch wieder genau wie zu der Zeit, als wäre ich dort zurück zu Besuch. Gleichzeitig kann ich aber normal im Außen weiteragieren. Wenn so etwas z.B draußen auf der Straße kommt, stört es also (für das Agieren in der Umgebung) eigentlich kaum. Erhalten bleiben kann jedoch das ungute Gefühl, das mit dieser Intrusion mitkam, welches einem durchaus manchmal ganz schön die Laune in der momentanen Situation vermiesen kann.

Weiter holst du die Intrusion nicht bewusst hervor, sondern sie kommt einfach. Ist auch Wurst ob du gerade Lust hast oder nicht. Wegwedeln, sowie manche „normale“ Erinnerungen, kann man sie jedenfalls nicht, zumindest nicht sonderlich gut.

Intrusionen von Nebensächlichkeiten oder auch: Intrusionen bei KPTBS?

Ich wunderte mich lange sehr, weil ich eigentlich kaum eine Intrusion hatte, welche das Trauma direkt widerspiegelt. Bei mir kommen eigentlich eher, vom Gefühl her, völlig nebensächliche Dinge. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für mich, vor meiner Therapeutin und auch vor mir selbst darauf zu beharren, dass niemals etwas schlimmes passiert sein kann. Traumatisierte Menschen sehen und erleben das Trauma schließlich in all seinen Poren immer wieder erneut. Träume lassen sich anders erklären, visuelle Flashbacks habe ich nicht und meine Intrusionen … Hey komm schon 🤷‍♀️.

Also erstmal sei gesagt ☝️: Es gibt tatsächliche auch positive Intrusionen und Flashbacks. Scheint zwar widersprüchlich, aber es können durchaus auch schöne Sachen intrusiv auftauchen. Wer so etwas erlebt, spinnt also nicht.

Ich habe bei diesen „Nebensächlichkeiten“ jedoch selten ein positives Gefühl. Höchstens neutral, würde ich behaupten. Die Situationen an sich wirken meist aber wie mitten aus dem Leben gegriffen, also hab ich versucht dem, in den letzten Monaten, mal etwas auf die Spur zu gehen…

Ein Blick in die Vergangenheit…(Triggerwarnung!)

Da ich mich eigentlich dauerhaft von einem toxischen Umfeld ins Nächste stürzte, hatte ich vor 3 Jahren tatsächlich das erste Mal in meinem Leben das Gefühl von Ruhe. Narzissten scharrte ich, genau genommen, permanent um mich. Ich hielt ich mich zudem in verschiedenen Szenen auf, die wirklich nicht gerade gesund waren: Von Kontakten mit der türkischen Mafia oder Koksern mit Knarre für ihre Raubüberfalle, zu Psychotikern die plötzlich einen Elektroschocker in ihrem Wahn zückten oder sonst was für Dramen heraufbeschworen. Großdealer im Haus, mit festen Arbeitszeiten über organisierte Vergewaltigungen, gehörte alle zu diesem Umfeld.

Es gab Situationen wo jemand eben einfach mal „verschwand“ oder wo jemand anderes mit 30 Messerstichen, unter der Folie eines Gartenteichs, gefunden wurde. Es gab Situationen wo es unter verschiedenen Dealern nicht mehr nur um harmlose Streitereien ging, weil viel zu hohe Summen im Spiel waren. In dem anderen Kreis kam es zu permanenten Diebstählen, Dramen, Intrigen, Übergriffen usw. Vieles davon, kommt heute erst wieder wirklich zurück bzw wird mir bewusst. Für mich war das alles aber immer völlig normal. Egal in welcher Szene ich mich befand und ob da Gewalt, Idiotie (nett ausgedrückt) oder eher Geld und völlige Ignoranz die Überhand hatten. Ich empfand diese Dramen nervig, aber nie als das, was sie eigentlich waren: Traumatisierend.

Auch meine Beziehungen (partnerschaftlich und freundschaftlich) hatten es in sich, was ich damals jedoch natürlich nie so gesehen habe. Erst jetzt im Rückblick muss ich mir selbst manchmal ganz schön an den Kopf greifen: Ich ging z.B mal mit jemanden eine Beziehung ein, der mir vorher erzählte, dass er seiner Ex-Freundin ein Kissen aufs Gesicht drückte und es erst weg tat, als sie sich nicht mehr bewegte. Er dachte sie sei tot. Aber damit nicht genug: Als Teenager, im Heim, hat er einen anderen Jungen umgebracht. Ein Schlag ins Gesicht, blöd getroffen, Junge tot. Keiner verrät ihn und ich so: „Ja jeder hat doch seine Macken oder? 🤷‍♀️ Komm, wir versuchen’s mal❤️“ 🤦‍♀️🤦‍♀️

Was ich damit sagen will….

Den emotionalen Missbrauch und die permanenten Ausnahmezustände habe ich geschafft, seit meiner Kindheit, dauerhaft aufrechtzuerhalten, bis ich ungefähr 27 war. Ich kann mich an kein Jahr erinnern, wo es auch nur einmal wirklich Ruhe gab. Im Bereich psychischer Missbrauch schaffte ich da ein recht konstantes Level, möchte ich meinen. Und dazu kamen noch ein paar andere Sachen, die sich aber auch oft im Kontext zu früher recht ähnlich waren.

Und alles was da nun an scheinbar nebensächlichen Intrusionen auftaucht, ob nun aus der Kindheit oder von später, hängt eigentlich immer und automatisch mit einer dieser Lebenssituationen zusammen, die eben traumatisch war.
Da das Trauma so langanhaltend war (ohne wirkliche Unterbrechung) bzw die Traumata immer wieder neu auftraten, kann es auch nicht DIE EINE Szene geben. So wie es z.B bei einem Überfall o.ä. der Fall wäre. Nicht die Einzelsituation war traumatisch, sondern die gesamte(n) Lebensepisode(n), weshalb logischerweise auch diese vielen unscheinbar wirkenden Intrusionen auftauchen. Der Moment isoliert, wirkt normal, zu betrachten gilt aber die Gesamtsituation, in der ich dauerhaft im Ausnahmezustand lief.

Bei KPTBS möchte ich daher behaupten, dass es normal ist, nicht permanent ‚die eine‚ traumatische Situation wieder zu erleben, sei es nun als Intrusion oder Flashback. Viel mehr sollte man bei den einzelnen (auftauchenden) Episoden schauen, was drum herum dazugehört.

Intrusion als Handlung

Wie man hier vll schon herausließt scheint sich auch ein vergangenes Trauma gerne, im Laufe des Lebens, zu wiederholen. Die Traumareinszenierung ist ebenfalls eine Form der Intrusion, welche ich, aufgrund der Länge des Artikels, aber gerne ausführlicher im nächsten Beitrag besprechen möchte. Mir persönlich helfen meist Beispiele anderer Betroffener sehr weiter, blinde Flecken bei mir selbst leichter zu erkennen. Darauf wollen wir dann nächstes Mal näher eingehen.

Intrusive Gedanken stoppen

Wie ich schon erwähnte, gibt es kaum ein Mittel die intrusiven Gedanken oder Gefühle vom Auftauchen abzuhalten. Um sich jedoch nicht darin zu verlieren, kann man es mit Achtsamkeitsübungen versuchen. Im Hier und Jetzt bleiben, sich ablenken…

  • Zählt laut auf, was ihr gerade macht. Jeden Schritt. Zum Beispiel: ,,Ich schalte jetzt den Computer an. Nun setze ich mich auf meinem Stuhl. Ich öffne Programm XY.“ usw. Oder: ,,Ich öffne den Kühlschrank und nehme die Gurke heraus. Jetzt lege ich sie auf das Schneidebrett. Ich nehme ein Messer in die Hand und schneide eine Scheibe ab. Nun noch eine…“ usw. usf.
  • Versucht es mal mit Imaginationsübungen, wenn euch ein Gefühl vereinahmt. Vor allem das mit der Wassersäule hilft mir da oft sehr weiter. Schaut ruhig einmal Hier vorbei, dort habe ich einige Imaginationsübungen (u.a das mit der Wassersäule) bereits beschrieben.
  • Dann das Übliche: Sport, Musik (am besten richtig laut mit Kopfhörern), Gerüche. Ihr könnt etwas malen, ein Videospiel auspacken, usw.
  • Weiter Möglichkeiten, was z.B auch bei Flashbacks helfen kann, habe ich im Artikel 1.Hilfe bei: Flashbacks schon näher erklärt

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #2 Konstriktion

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. Wir wollen uns in diesen Beiträgen einmal die Hypervigilanz, die Intrusion und Erstarrung näher anschauen…

Was ist Konstriktion?

In der Psychologie wird der Begriff Konstriktion für das geistige Erstarren, nach einer traumatischen Erfahrung, verwendet.

Ist weder Kampf noch Flucht möglich, fallen wir bei einem Angriff in eine Art Totstellreflex. Wir erstarren, körperlich, vor allem aber psychisch. Und in der Folge wird jede Erinnerung an das Trauma krampfhaft, bewusst und unbewusst, versucht zu vermeiden.

Wie äußert sie sich?

  • kaum bis kein Schmerzempfinden mehr
  • das Zeitgefühl verändert sich (z.B kann die Umgebung wie in Zeitlupe erlebt werden oder das Erlebnis kann in überhaupt keinen zeitlichen Rahmen mehr gebracht werden, etc.)
  • Sinneseindrücke werden nicht mehr registriert
  • die Wahrnehmung verzerrt oder verändert sich (z.B wird man völlig ruhig und emotional distanziert zum oder während des Ereignisses, Gleichgültigkeit, man verliert jegliche Kampfbereitschaft und Urteilsfähigkeit, man fühlt sich nicht selbst betroffen oder als wäre alles nur ein Traum, Derealisation und Depersonalisation, usw.)
  • starrer, betäubter Blick (Emotionslosigkeit)
  • körperlicher und/oder geistiger Lähmungstzustand (sich wie betäubt fühlen, kann sich aber eben auch in Form eines Stupor, der körperlichen Lähmung, darstellen)
  • Lust- und Freudlosigkeit, innere Leere
  • abgespaltene Erinnerung/Amnesie, es können auch nur die Bedeutung oder Gefühle zu einer Erinnerung fehlen

Warum und wie kommt es zu dieser Erstarrungsreaktion?

Konstriktive Symptome sind der hypnotischen Trance sehr ähnlich, welche zum ganz normalen Spektrum menschlicher Bewusstseinszustände gehört. Forscher gehen davon aus, dass sie aktiviert wird, sobald wir einem traumatischen Erlebnis ausgesetzt sind bzw. waren.

Hypnose selbst verwendet man in der Medizin teilweise z.B sehr ähnlich wie Morphium und andere Opiate, da sich durch sie unerträgliche Schmerzen mildern lassen. Es lässt sich also davon ausgehen, dass unser Körper die Konstriktion einsetzt, um uns vor schrecklichen Qualen und Schmerzen zu beschützen.

Es wird vermutet, dass ein Trauma die Regulation der körpereigenen opiatähnlichen Substanzen dauerhaft verändert, was die langanhaltenden konstriktiven Symptomen, auch nach Abklingen der akuten Gefahr, erklären würde.

Die genauen biologischen Faktoren, die zu dieser Erstarrung führen, sind dennoch noch nicht vollständig geklärt.

Wann wird Konstriktion problematisch?

In der akuten Gefahrensituation scheint die Konstriktion ein wahrer Segen zu sein. Ich glaube, ohne sie hätte man viele Traumata gar nicht lebendig überstehen können.

Da ihre Kernaufgabe aber das Vermeiden von lebensbedrohlichen (oder ähnlichen) Situationen ist, werden natürlich auch die traumatischen Erinnerungen (bildliche, emotionale, usw.) vom normalen Bewusstsein ferngehalten. Sie können so deshalb natürlich auch nicht integriert werden, was dem Genesungsprozess mächtig im Weg steht. Wir können durch die innerliche Erstarrung und das ständige Unterdrücken keinerlei neue, positive Erfahrungen und Verknüpfungen sammeln, welche für die Trauma-Verarbeitung allerdings unerlässlich sind. Stattdessen bleibt das Trauma weiter unterdrückt in uns verborgen und wird sich deshalb auch weiter durch allerhand unangenehmer Symptome bemerkbar machen. Das dauerhafte Vermeiden (ausgelöst, wie erwähnt, durch das veränderte Zentralnervensystem) hält uns letztendlich tatsächlich weiter im Trauma gefangen.

Wenn wir immer wieder bestimmte Situationen vermeiden bzw. bei Trigger in unbewusste Vermeidungsstrategien abgleiten, signalisieren wir unserem Gehirn damit , dass es mit seiner Angst recht hatte und wir uns immer noch in akuter Gefahr befinden. Statt beim nächsten Mal leichter damit umgehen zu lernen, verstärken wir unsere Angst also nur zusätzlich. Dies führt wiederum zu noch mehr und noch stärker ausgeführten Vermeidungsverhalten und dementsprechend mehr Lebenseinschnitten und Leid. Das kann dann irgendwann auch zu allerhand Sachen wie Zwängen, Phobien usw. führen.

Das dieser Teufelskreislauf dazu führt, dass wir immer weniger Hoffnung auf Besserung empfinden und demnach auch nicht mehr fähig sind, für uns eine Zukunft zu sehen, dürfte nun sicher auch kaum einen verwundern. Ich kann z.B zwar sowas einzelnes wie Weihnachten planen, aber meine echte Zukunft (wie Ziele, Wünsche, Job, soziales Umfeld, Beziehung, Kind, usw.) existiert einfach nicht. Der Gedanke daran fühlt sich schon absolut abstrakt und unrealistisch an. Als würde ich in ein schwarzes Loch greifen.

Zusätzliche Probleme

Weiter entwickeln Betroffene, durch den Wunsch irgendwie wieder Sicherheit zu gewinnen und die Angst in den Griff zu bekommen, oft zusätzliche (oft unbewusste) Trauma-Coping-Mechanismen, wie z.B:

  • Dissoziation (die sich auch in den normalen Alltag einschleicht)
  • Vermeidungsstrategien, aus Angst vor Triggern oder erneuten Traumata ➡ z.B Isolation, manche verändern auch ihr Aussehen (nach einer Vergewaltigung z.B) oder ihr Verhalten, usw.
  • das Rationalisieren der traumatischen Auswirkungen, sodass das Ausmaß der empfundenen Angst gar nicht wahrgenommen wird, eine Handlung wird bspw. völlig losgelöst vom Trauma betrachtet Bestimmte Orte werden z.B strikt gemieden, ohne zu wissen warum – Oder meine panische Angst z. B davor, mit dem Kopf unter Wasser zu kommen konnte ich jetzt erst mit einem Ereignis aus der Kindheit verknüpfen. Obwohl das Wissen bestand, dass diese Situation definitiv traumatisch war und faktisch 1:1 zu meiner heutigen Angst passen würde, konnte ich keine Verbindung ziehen. Ich zogs nicht mal in Betracht, ich handelte einfach nur. Die szenische Erinnerung war recht emotionslos und daher nicht schlimm. Die Angst, Ohnmacht, Wut, Einsamkeit und Todespanik, die ich dafür teilweise im Wasser empfand, war zwar Kacke, aber so allein für sich auch „erträglich“. Jetzt wo ichs verbinden kann, tauchen auch Gefühle von Verrat, Schmerz und Machtlosigkeit auf, also die miesen. Solange rein nur die Angst vorm Wasser bestand (die natürlich auch noch da ist), konnte ich diese unangenehmen Gefühle durch Vermeiden umgehen. Ich hatte in Wahrheit keine Angst vorm Wasser selbst (weshalb Konfrontation auch nix brachte), sondern vor dem, was damit verknüpft ist. Das Trauma fand zwar im Wasser statt, war aber erst durch das Verhalten meiner Eltern wirklich traumatisch. Ohne diesen Zusammenhang zu kennen, bleibt logischerweise auch eine reine Angsttherapie recht erfolglos.
  • ein Aberglaube wird entwickelt: PTBS-Betroffene suchen nach guten oder bösen Omen/Vorzeichen und richten ihr Leben danach aus ➡ Versuch Kontrolle zurück zu erlangen

Substanzen – künstlich herbeigeführte Konstriktion

Viele Trauma-Betroffene versuchen auch durch Alkohol oder Drogen ähnliche unterdrückende Effekte zu erzielen. Albträume, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Wut, aber auch intrusive Erinnerungsfetzen werden dadurch zu mildern versucht. Bei Kriegsveteranen mit PTBS, die sich längst nicht mehr im Kampf befanden, litten z.B 85% unter Alkohol- und Drogenproblemen. Andere Studien kommen zu einem Ergebnis von 75% bei Trauma-Patienten. (K)PTBS-Betroffene scheinen also zu einem sehr hohen Prozentsatz anfällig für Suchterkrankungen oder zumindest betäubende Verhaltensweisen zu sein. Sie versuchen dadurch intrusive Zustände zu verdrängen und unterdrücken. Das ist dann bewusste Traumavermeidung durch Hilfsmittel. Konstriktion geschieht dagegen oft unterbewusst und automatisiert. Meistens wird dann zu Substanzen gegriffen, wenn die innere Konstriktion nicht mehr greifen kann, weil sich intrusive Zustände dazwischenschieben. Leider Gottes führen beide Coping-Strategien aber eben so oder so nicht wirklich zu einer Besserung, da sie beide die Erinnerungen vom Bewusstsein fernhalten.

Und jetzt?

Ist das nicht toll, was man rational immer alles so weiß?

,,Vermeidung, Verdrängung und Unterdrückung sind also nicht gesundheitsförderlich? Super. Ich mach dann mal trotzdem weiter, ne?“ Genauso läuft das hier ab. Mir ist z.B durchaus bewusst, dass es mir durch dieses permanente ‚zuhause-verkriechen‘ schlechter statt besser geht und was tue ich? Genau, mich noch mehr zuhause verkriechen 🤦‍♀️.

Von daher: Keine Sorge wenn ihr viele schlaue Ratschläge und Informationen hört oder lest. Etwas rational wissen und es dann auch umsetzen können, sind 2 unterschiedliche Paar Stiefel. Nicht weil man nicht genug will oder zu faul oder dumm ist, sondern weil es einfach Gründe gab, warum solche Strategien überhaupt entwickelt wurden. Sowas behebt man nicht durch gut zureden oder durch das Lesen oder Hören von ein paar „Tipps“. Es braucht Zeit und viele verschiedene Stationen, sowie Versuche bis sich sowas nach und nach verbessert. Wir können es nur immer wieder in kleinen Schritten angehen und uns ausprobieren. Durch keinen Ratgeber der Welt wird sich jedoch von heute auf morgen etwas grundlegend verändern. Ihr macht also nichts falsch, wenn ihr nicht direkt freudestrahlend durch die Gegend hüpfen könnt.

Und ganz ehrlich? So richtig ‚Mach dies und jenes und dir gehts wieder prima‘-Tipps hab ich diesbezüglich auch noch nicht gefunden.

Was mache ich und wie kann man versuchen es trotzdem anzugehen?

  • Macht euch bewusst warum und was ihr gerade verdrängt oder vermeidet. Das ist schmerzvoll, das ist ekelhaft und es ist alles andere als lustig, aber notwendig. Wie gesagt bringt uns das rationale Wissen natürlich nicht die Heilung, aber es ist der 1. Schritt in diese Richtung. Wir erkennen das Problem damit an und geben ihm eine Existenzberechtigung.
  • Auch hier kann es helfen, es wieder schriftlich zu machen. Das macht das Problem greif- und sichtbarer: Was vermeide ich gerade? Was versuche ich zu unterdrücken? Warum tue ich das? Welche Emotionen oder Reaktionen würde es sonst in mir auslösen? Was war der aktuelle Auslöser (Trigger), um in mir den Drang nach Verdrängung oder Vermeidung hochzuholen? Wie versuche ich zu vermeiden? Welche (bewusste oder unbewusste) Strategie wende ich gerade an? In welchen Lebenslagen hat sie mir bisher geholfen? Warum könnte ich sie entwickelt haben? Und welche Folgen hat sie heute für mich?
  • Wenn negative Emotionen hochkommen (ich spreche jetzt vom langsamen zulassen, nicht von Flashback o.ä) könnt ihr versuchen sie nun mit etwas positiven zu koppeln. Wenn ihr z.B total gerne malt, könntet ihr eure Emotionen lieber versuchen aufzumalen, anstatt sie im Alkohol zu ertränken. Ihr lasst sie so zu, beschäftigt euch bewusst damit, aber verliert euch nicht darin.
  • Hinterfragt eure Gefühle und Emotionen: Fühle ich gerade nur Wut? Was ist da noch los? Warum will ich gerade in Arm genommen werden? Warum fühle ich mich gerade so unwohl? Was war der Auslöser? Empfinde ich gerade wirklich Hass/Ablehnung oder steckt dahinter vll Angst? Angst wovor? usw. – Der Sinn ist einfach achtsames Wahrnehmen der inneren Vorgänge.
  • Belohnt euch nach beängstigenden Situationen: Ich fing damit an, dass bei Terminen, die schon Tage vorher Panikattacken und Ängste auslösten, anzuwenden. Wichtig war: Der Termin wird nicht abgesagt. Das Problem nicht umgangen. Dann gab und gibt es nach Erledigung z.B einen Schokokuchen, wir gucken einen tollen Film oder schlafen am nächsten Tag richtig aus und kuscheln uns auf die Couch, ohne Telefon o.ä. Deshalb habe ich immer noch Panikattacken und Angst, aber durch diesen positiven Anreiz, diese innere Beruhigung im Kopf, tatsächlich nicht mehr ganz so stark.

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #1 Hypervigilanz

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. Wir wollen uns in den kommenden Beiträgen einmal die Hypervigilanz, die Intrusion und Erstarrung näher anschauen…

Hypervigilanz (Übererregung)

Kommen wir in eine gefährliche und sehr stressige Situation, reagiert unser Körper mit Alarmbereitschaft sowie erhöhter Konzentration und Wachsamkeit, was natürlich auch logisch ist, da wir sonst überhaupt nicht adäquat auf eine echte und akute Gefahrenlage reagieren könnten ➡ ,,Oh ein Tiger! … Kannst du mal bitte kurz warten? Ich muss mir erstmal meine Nägel zu Ende lackieren.“ – Kannst’e machen, geht halt nur in die Hose 🤷‍♀️ und das weiß unser toller Körper natürlich auch. Ist diese Gefahrensituation dann wieder vorbei, beruhigt sich auch unser Nervensystem wieder. Die Stresshormone werden weniger und unser Stresspegel gelangt langsam wieder zu einem normalen Grundniveau.

Nach einer traumatischen Situation, also etwas was einfach zu viel für unsere Psyche ist, verändert sich unser Nervensystem jedoch nachhaltig. Das ist vor allem der Fall, wenn es zu mehreren oder langanhaltenden Traumata kam.

Unsere psychologische Angstreaktion und unsere physiologische Alarmbereitschaft beschränkt sich von nun an nicht mehr nur auf eine Notfallsituation, sondern bleibt dauerhaft bestehen. Das normale Grundniveau besteht also gar nicht mehr bzw. ist so nicht mehr abrufbar. Im Prinzip befinden wir uns permanent im Flucht- oder Kampfmodus, was zu stark erhöhter Wachsamkeit führt (Arousal = allgemeiner Grad der Aktivierung des zentralen Nervensystems, welcher durch Wachheit, erhöhter Reaktionsbereitschaft, Wachsamkeit und verstärkter Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist).

Da der Betroffene das traumatische Ereignis nicht verarbeiten konnte (und es demnach immer noch aktuell in seinem Gehirn, Körper und Psyche besteht), existiert auch immer noch die ständige Alarmbereitschaft. Jederzeit könnte etwas passieren, etwas gefahrvolles, auf das er vorbereitet sein muss. Bewusst geschieht sowas natürlich nicht, sondern das vegetative Nervensystem speichert diese Informationen und reagiert ohne unser (bewusstes) Zutun.

Auch bestimmte Wiederholungsreize, die für Nicht-PTBS-Betroffene höchstens nervig/unschön wären, kann man nicht ausstellen. Wenn eine bestimmte Person bei mir z.B immer wieder das gleiche Verhalten zeigt, kann ich nicht anders, als mit einer Triggerreaktion/Flashback zu reagieren. Dir bleibt selbstverständlich die Wahl, so eine Person nicht länger in deine Nähe zu lassen oder der entsprechenden Situation aus den Weg zu gehen, was selbstverständlich auch das Gesündeste wäre. Dennoch gibt es aber immer wieder Personen oder Situationen, denen man eben nicht entgehen kann und auf den folgenden Triggerreiz kannst du nicht mehr bewusst reagieren/agieren. Du kannst nicht sagen: „Och, das haben wir schon so oft durch. Nö heute mal nicht“, so gerne du das auch möchtest und dir vornimmst. Dein Körper reagiert, nicht dein Kopf.

Wie sich Übererregung zeigt

  • ständige Alarmbereitschaft
  • Schlafstörungen, wie spätes Einschlafen, ständiges, nächtliches wach werden, Albträume, usw.
  • psychosomatische Beschwerden (wie z.B steifer Nacken, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Verspannungen, Bauchkrämpfe, usw)
  • leichtes und schnelles Erschrecken (auch auf die kleinsten Geräusche)
  • ständig auf alles gefasst sein „Hab-Acht-Haltung“
  • schnelles und übermäßiges reagieren auf Ärger, unverhältnismäßige Wutausbrüche
  • ständiges abscannen der Umgebung und anderer Menschen
  • erhöhtes Angstniveau, ständige Angst- und Panikattacken
  • permanentes Gefühl nicht gemocht und ausgeschlossen zu werden
  • paranoide Zustände: Eine Person , dicht hinter einem, wird schon als Gefahr angesehen (bis hin zur sozialen Phobie)
  • starkes Schwitzen, erhöhter Herzschlag oder Atemprobleme in der Nähe anderer Menschen
  • kleine Rückschläge wirken bereits lebensbedrohlich und katastrophal
  • innere Unruhe/innere, dauerhafte Anspannung

Hypervigilanz und Hochsensibilität

Beides ist sich ziemlich ähnlich, da beide extrem auf Reize bzw. Reizüberflutung reagieren. Hochsensibilität kann jedoch auch angeboren sein, ohne das ein traumatisches Ereignis vorliegt. Genauer auf das Thema möchte ich jedoch in einem eigenen Beitrag, nach den 3 Traumaleitsymbtomen, eingehen. Da werde ich dann auch nochmal auf die Unterschiede etc. näher zu sprechen kommen.

Was kann ich tun?

Also erstmal:

Es ist extrem schwierig dagegen anzugehen und Tipps „gegen sowas“ hören sich in meinen Ohren oft an an wie: ,,Tu mal das und das und wenn es nicht klappt, hast du es einfach nur nicht richtig gemacht oder es nicht genug gewollt“. Selbstverständlich ist das selten so gemeint, aber ihr wisst schon, oder? Da ist dann dieser Druck da, so als wäre mit dieser „Patentlösung“ alles vorbei und vergessen. Ich empfinde das so jedoch nicht die Spur… Ich könnte auch nen Kopfstand machen und trotzdem wäre diese permanente Alarmbereitschaft noch da und um Himmels Willen, die ist sowas von anstrengend 😩😒.

Seht solche Vorschläge auch wirklich nur als Vorschläge und zwar als solche, die vll mal zwischenzeitlich und kurz helfen KÖNNEN. Als die mir damals in der Klinik z.B mit ihren Skills kamen und nix davon half, bin ich fast verzweifelt. Ich dachte: „Alter, bei jedem hilft das, nur bei dir nicht. Was läuft nur schief mit dir? Du willst wohl gar nicht, dass es dir besser geht?!“. Ja … nein. Es hilft bei den meisten einfach nur nicht alles genauso gut und vor allem auch nicht ständig oder langanhaltend. Wer mit solchen „Tricks“ die Übererregung ganz wegbekommt, der soll sich bitte melden. Dessen Name wird dann bestimmt das neue Fachwort für Wunderheilung … 😅

Nein, die ist ein Teil von uns und sogar ein sehr wichtiger. Würde sie nicht existieren, hätten wir viele Gefahrensituationen sehr wahrscheinlich gar nicht überstanden und wären nicht mehr hier. Sie erfüllt ihren Zweck und zwar solange bis wir das Trauma verarbeitet haben. Für uns ist das selbstverständlich ziemlich doof und nervig, für unseren Körper ist sie jedoch überlebensnotwendig und erst wenn er das nicht mehr so sieht, wird sie auch nachlassen. Natürlich hat Hypervigilanz viele psychosomatische Beschwerden zur Folge, Schlafprobleme usw. und für uns erscheint sie heute, rational betrachtet, nicht mehr logisch und sinnvoll, aber solange das Trauma noch wie „gerade erst geschehen“ in uns existiert, muss (aus Sicht unseres Körpers) auch diese ständige Alarmbereitschaft bestehen bleiben.

Nun zu den „Tipps“

  • Kommen wir in eine traumanahe Situation bzw erleben etwas ähnliches, wird ganz viel Energie in uns freigesetzt. Diese Reaktion soll der Flucht oder dem Kampf dienen und bleibt auch weiterhin in uns bestehen. Eine Möglichkeit wäre jetzt z.b diese angestaute Energie in Sport umzuwandeln. Umso angespannter du innerlich wirst, umso mehr kannst du versuchen diese Energie „abzubauen“ indem du laufen gehst (joggen, wandern, schnelles laufen zum Bäcker z.B, usw.), gegen einen Boxsack oder ein Kissen boxt, gegen einen Ball trittst, etc.
  • Wenn du nachts total schreckhaft aufwachst, wäre es eine Möglichkeit ein Nachtlicht anzumachen. Das ist übrigens der perfekte Zeitpunkt euch mal Baby-Joda vorzustellen 😁.

Ja man, ich liebe Star Wars 😁 und Baby-Joda kommt in „The Mandalorian“ vor. Direkt musste erstmal das Stofftier und das Nachtlicht her und seit er da ist, schläft es sich nachts viel besser ein. Bevor er kam und ich nachts aus einem Albtraum aufwachte, machte ich meinen LED-Schlauch, der sich am Bett befindet (und dezentes Licht bietet), an. Ihr seid damit nicht schwach oder „kindisch“. Jemand in euch hat Angst und dieserjenige darf, muss sogar, beruhigt werden. Auch wenn keine dissoziativen Anteile bestehen, existiert ein inneres Kind in euch, das vor etwas Angst hat und total angespannt ist. Seid lieb zu ihm, gebt ihm das Gefühl von Sicherheit.

  • Achtet auf eure Sicherheit! Ihr dürft ansprechen, wenn euch jemand zu schnell fährt, wenn euch jemand zu Nahe kommt und ihr das nicht wollt oder wenn ihr eine Reaktion nicht einschätzen könnt. Wenn ich z.B mit einer Freundin schreibe und lange keine Reaktion mehr kommt, dann beziehe ich das sofort auf mich (und ja, es ist mir peinlich das gerade zuzugeben, hat schon wieder was von Schwäche in meinen Augen). Mittlerweile kann ich das einschätzen, dass irgendwann etwas zurückkommt (man vergisst eine Nachricht halt mal oder hat gerade keine Zeit, als wäre ich da anders – Ohne scheiß, ich kann manchmal richtig lange nicht reagieren, ohne böswillige Absicht) und versuche mich dadurch zu beruhigen, was auch hilft. Mit der Zeit lerne ich, dass nicht direkt etwas schlimmes folgen wird, wenn man mal nicht sofort reagiert (nicht reagieren hatte manchmal gleich schlimme Folgen im Nachhinein, wie direkt in die Luft gehen) oder wenn jemand auch mal blöd/genervt guckt. Langsam, aber ich lerne. Meine Therapeutin meinte aber mal, dass ich durchaus einfordern darf (mit vorheriger Erklärung warum, versteht sich von meiner Seite aus), dass man mal schnell schreibt: „Hey, gerade keine Zeit. Ich meld mich morgen“, einfach damit ich dann nicht 24h in Alarmbereitschaft aus Angst vor dem nächsten Drama sitze, sondern die Situation einschätzen kann.
  • Manchmal hilft mir auch einfach nur Ablenkung. Nö, das ist sicher nicht die beste Methode, wegen ignorieren, verdrängen usw. Aber du hast auch nicht permanent Kapazität, dich um all deinen Mist zu kümmern. Wenn die Anspannung überhand nimmt, hilft mir manchmal auch ein spannender Film, eine interessantes Videospiel oder gute Musik, die mich ablenkt.
  • Mir ist z.B auch sehr wichtig, dass ich eine Situation vorher zumindest grob einschätzen kann. Ich HASSE Überraschungen, vor allem wenn man mir vorher was von einer Überraschung erzählt. Ich widere darin sofort Gefahr. Auch bei einem nahestehenden Menschen. Sowas dürft ihr sagen. Ihr dürft vorher fragen was in dem Meeting stattfinden wird oder wo ein Ausflug hingeht oder das ihr euch erstmal nur mit der einen Person (statt mit den weiteren 5 fremden Freunden) treffen wollt. Oder alles andere, was euch das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Nein, das kommt nicht immer gut an. Aber jeder der das nicht versteht, dem fehlt auch die Empathie zu verstehen was mit euch los ist. Deswegen ist dieser Mensch nicht böse oder schlecht, nur ganz ehrlich? Habt ihr dafür wirklich Energie? Energie es dieser Person recht zu machen, euch zu verstellen?
  • Hört sich vll blöd an, aber: Umarmt euch einfach mal selbst. Wenn ich das Gefühl habe, innerlich zu platzen, nehme ich mich manchmal selbst in den Arm. Oder: Manchmal imaginiere ich mir auch eine Person, die mich in den Arm nimmt. Habe ich schon in frühster Kindheit gemacht und klar ist niemand real vorhanden, aber nur das Gefühl, gerade nicht allein zu sein, hilft extrem etwas der Anspannung zu mindern.