Gastbeitrag (Mosaikstern): Seltsame Entdeckungen

Wie habe ich meinen Skiurlaub genossen! Bester Pulverschnee und strahlender Sonnenschein. Nach einer Woche im Pitztal komme ich mit vielen Eindrücken nach Hause und freue mich auf einen gemütlichen Abend in meinem vertrauten Heim.

Nachdem ich mein Auto vor der Garage geparkt habe, erblicke ich Fußspuren im Schnee, die zu meiner Wohnung führen. Ich wundere mich, dass ein Fenster zerbrochen ist, durch das der kalte Wind pfeift. Ängstlich sperre ich die Haustüre auf und bemerke in der Diele feuchte Abdrücke auf den Fliesen. Ich erinnere mich, dass ich vor dem Urlaub noch aufgeräumt habe, doch in meiner Wohnung herrscht ein einziges Chaos. Eilig stürme ich ins Schlafzimmer und sehe, dass der Schrank offensteht und meine Klamotten durcheinander auf dem Boden liegen. Sogleich sehe ich in meinem Schmuckkästchen nach meiner Perlenkette, doch mein geliebtes Erbstück, das ich von meiner Oma zur Hochzeit bekommen habe, liegt nicht an seinem gewohnten Platz. Ein Duft steigt in meine Nase, der mir bekannt vorkommt. Riecht es nicht nach dem Aftershave, das mein Vater immer verwendet?

Meine Gedanken springen wild durcheinander, als meine jüngere Schwester, die im ersten Stock wohnt, an meine Tür klopft. Sie erzählt mir, dass ihr Türschloss beschädigt sei und in ihrer Wohnung alles durcheinander liege. Ihr Laptop sei verschwunden und sie habe einen Hut gefunden, der aussieht wie der Hut, den sie unserem Vater kürzlich zu Weihnachten geschenkt habe.

Wieder klopft es an meine Tür. Es ist meine mittlere Schwester, die ganz oben im Dachgeschoss unseres Hauses wohnt. Ganz aufgeregt erzählt sie uns, dass ihre Eingangstür offenstand, als sie vom Einkaufen nach Hause kam. Auch sie berichtet von nassen Flecken im Flur und von einer großen Unordnung in ihrer Wohnung. Das Bargeld, das sie normalerweise in der Küchenschublade für Notfälle aufbewahrt, war nirgends zu finden. Stattdessen habe sie eine Zigarettenkippe entdeckt, von der gleichen Marke, die unser Vater gerne nach Feierabend raucht.

Das alles kommt uns sehr komisch vor. Da läutet das Telefon. Es ist unsere Mutter, die im Haus nebenan wohnt. Wir erzählen ihr, dass wir den Verdacht haben, dass jemand bei uns dreien eingebrochen haben könnte. Ob wir Beweise haben? Wir erzählen ihr von dem Chaos in unseren Wohnungen, von den fehlenden Wertgegenständen, dem seltsamen Geruch und den sonderbaren Fundgegenständen. Ob wir Aufzeichnungen von einer Überwachungskamera haben? Nein, wir haben keine Überwachungssysteme installiert. Sie fragt, ob es Zeugenaussagen von den Nachbarn gebe, die uns Verdächtiges mitgeteilt haben. Nein, wir haben auch keine Augenzeugenberichte.

Wir fragen unsere Mutter, ob sie selbst möglicherweise etwas Verdächtiges bemerkt hat. Nein, sie habe nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Sie war ja die ganze Woche über zu Hause, gleich im Haus nebenan. Wenn jemand eingebrochen wäre, hätte sie es gewiss mitbekommen. Zur Sicherheit fragt sie ihren Mann, ob er in unserem Haus war. „Natürlich nicht!“, bekräftigt er erbost. Er war doch den ganzen Tag über beim Arbeiten und danach haben sie stets zusammen Abend gegessen. Das Haus habe er immer nur kurz verlassen, während meine Mutter das Geschirr abspülte. In dieser Zeit habe er den Abfall in die Müllcontainer gebracht und diese Aufgabe zuverlässig und mit Freude erledigt. Was habe sie doch für einen tollen Mann!

Als mein Bruder, der im ersten Stock des Hauses unserer Eltern wohnt, diese besucht, ist er total verwundert über die bizarren Aussagen seiner drei Schwestern. Er wisse genau, dass kein Dieb im Haus war, da er fast die ganze Zeit über auf seinem Balkon gesessen und die Sonne genossen habe. Er habe zwar gesehen, wie unseren Vater einmal zu unserem Haus gegangen ist und einen Draht in das Türschloss gesteckt habe, doch dies sei völlig belanglos und nicht von Bedeutung. Diese Aussage bekräftigt unsere Mutter nochmals in ihrer Überzeugung. Überhaupt sei es eine Ungeheuerlichkeit, solche gemeinen unhaltbaren Vorwürfe in den Raum zu stellen. Es war definitiv niemand in unserem Haus! Wir sollen uns was schämen!

Wir drei Schwestern beraten uns lange. Könnten das zerbrochene Fensterglas und die beschädigte Tür Hinweise darauf sein, dass jemand gewaltsam versucht hat, einzudringen? Ist das Chaos möglicherweise ein Anzeichen dafür, dass jemand unsere Sachen durchsucht hat? Deuten der Aftershave-Geruch, der Zigarettenstummel und der Hut darauf hin, dass unser Vater in unserer Wohnung war? Nein, das kann nicht sein. Unser geliebter Vater würde so etwas niemals tun. Wir überlegen hin und her.

Schließlich kommen wir nach reiflichen Überlegungen zu der Erkenntnis, dass unsere Mutter recht hat. Wenn jemand eingebrochen wäre, so hätten es unsere Mutter im Haus nebenan und auch unser Bruder auf seinem Balkon bemerkt. Eine Videoaufnahme und Zeugenaussagen haben wir auch keine. Und unser Vater hätte es ja sofort zugegeben, wenn er uns bestohlen hätte. Puh! Sind wir froh! Gott sei Dank hat unsere Mutter uns die Augen geöffnet. Wir wissen nun hundertprozentig, dass niemand in unserem Haus war, weder unser Vater noch eine andere Person. Ja, wir wissen nun sogar, woher das große Durcheinander kommt. Wir drei Schwestern haben eine genetisch bedingte Krankheit, welche dazu führt, dass wir selbst ein Chaos in unseren Wohnungen verursachen und uns nicht daran erinnern können. Ja, so etwas gibt es! Nur wussten wir es bisher nicht. Was hatten wir nur für einen Tunnelblick!

Verfasst von: Mosaikstern

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