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Abwehrmechanismen der Psyche (Teil 2)

Schaut gerne im 1. Teil vorbei ➡ Abwehrmechanismen der Psyche (Teil 1)

(Alle Namen und Beispiele sind ausgedacht)

Identifikation

Bei der Identifikation nehmen wir beängstigende Einflüsse in uns auf und machen sie zu einem Teil unseres Selbst, um sie besser ertragen zu können.

Bsp.: Johanna hat eine sehr dominante Mutter, die stark ausländerfeindlich und homophob ist. In ihrem Verhalten ist sie eher sehr aggressiv und brüllt alles nieder, was nicht ihrer Meinung und Vorstellung entspricht. Ein Verhalten, welches für Johanna zutiefst beängstigend ist. Unbewusst übernimmt sie nun also die Einstellung der Mutter und identifiziert sie später als ihre eigene. Denn würde sie offen mit einer anderen Einstellung ihrer Mutter gegenübertreten, böte sie dieser damit eine enorm große Angriffsfläche.

Ein anderes Bsp. der Identifikation wäre Marianne, die früh Missbr*uch erlebte. Um damit umgehen zu können, nahm ihre Psyche die Lust, das Verhalten und das Denken des Täters in sich auf. In der Folge sah Marianne den Missbr*uch und auch später folgende, gegen sie gerichtete Gewalt, nicht als schlimm an, da sie glaubt diese Gewalt verdient zu haben. Das sie so richtig sei. Im Gegenteil kann sie sogar Lust an z.B gewaltvoller Porn*grafie oder Praktiken finden. Hier gehen wir dann in den Bereich der Täterintrojekte. Statt etwas zu projizieren, also das Innerste auf eine gegenüberliegende Leinwand zu werfen, nimmt unsere Psyche etwas vom Gegenüber und integriert es in die eigene Ich-Struktur.

Abwertung

Vor allem wenn wir uns kleiner fühlen, als der Gegenüber, greift die Psyche zu dieser Taktik. Wir nehmen unbewusst ein Ungleichgewicht wahr und versuchen dieses durch die Abwertung wieder auszugleichen.

Als Bsp.: Klaus wurde in seiner Kindheit immer wieder gesagt er sei ein sehr dummer Mensch, der es kaum zu etwas bringen wird. Infolgedessen verfestigte sich in ihm ein schlechtes und verändertes Selbstbild. Im späteren Leben kommt es nun dazu, dass er Situationen wahrnimmt wo er sich z.B belehrt fühlt. Das alte Gefühl wird angetriggert und es entsteht für ihn ein Ungleichgewicht. Der andere scheint sich in seinem Wissen, Können und Wesen über ihn zu erheben. Dabei ist es tatsächlich völlig unerheblich ob dieserjenige das wirklich (und absichtlich) macht oder ob dieses Gefühl nur in Klaus‘ Kopf stattfindet.

Er selbst empfindet sich (wieder) ganz unten und den Gegenüber ganz weit oben. Die logische Schlussfolgerung der Psyche ist hier also, den Gegenüber durch abwertende Worte (und Taten) von diesem Podest wieder herunterzuholen und mindestens auf die gleiche Stufe zu stellen. Am besten aber eine Stufe unter Klaus. Das spannende ist hierbei, dass Klaus bzw. sein Unterbewusstsein den Gegenüber selbst auf dieses Podest erhoben hat.

Wer abwertet fühlt sich eigentlich also, in den meisten Fällen, unterlegen.

Reaktionsbildung

Wenn wir eigene Wünsche, Verhalten oder Bedürfnisse als unpassend empfinden, z.B weil wir bei dessen Auslebung Angst haben verlassen oder bestraft zu werden, entwickeln wir ein genau entgegengesetztes Verhalten. Kennzeichnend ist dabei die Starrheit in der (neu angenommenen) Denkweise. Jede Flexibilität würde einen ja schließlich auch direkt wieder zurück an die tiefsitzenden Ängste, die überhaupt erst dazu führten, bringen.

Das Bsp., welches vielen bekannt sein dürfte, ist homophobes Verhalten, obwohl in Wirklichkeit selbst homosexuelles Interesse besteht. Es ist noch gar nicht so lange her, und in vielen Ländern ist es leider noch heute der Fall, da wurde Homosexualität teils sogar mit dem Tod bestraft. Und auch in vielen streng gläubigen Familien ist es noch heute kaum denkbar Homosexualität offen zuzugeben. Gefühle wie Scham, Schuld und Angst entstehen im Inneren und führen dazu, eine diametrale Denkweise anzunehmen. Wenn meine Umgebung Homosexualität schlecht findet und mich aufgrund dessen bestrafen würde, erscheint es logisch Homosexualität ebenfalls abzulehnen, um die Konsequenzen zu vermeiden.

Ein anderes Bsp. wäre hyperempathisches Verhalten gegenüber Menschen, obwohl eigentlich ein tiefsitzender Groll und Hass existiert. Groll, Wut und Hass ist jedoch nicht gerne gesehen und könnte wieder Ablehnung (die vllt erst zu diesem Hass führte) zur Folge haben. Also springt das Verhalten zum anderen Extrem = Diametral sind sich zwei gegenüberliegende Punkte im Kreis. Statt zu hassen, verhalte ich mich extrem fürsorglich, bis hin zur Selbstaufgabe.

Verleugnung

Bei der Verleugnung weigern wir uns die Realität anzuerkennen, die schmerzhafte Gefühle auslöst.

Bsp.: Siegbert hat eine Katze, die er über alles liebt. Wenn niemand sonst auf ihn zuhause wartete, war sie für ihn da. Wenn er einsam war, schmiegte sie sich an ihn und schnurrte beruhigend. Eines Tages klingelt sein Nachbar an der Tür und überbringt ihm die schreckliche Nachricht, dass die Katze überfahren wurde. Für Siegbert bricht eine Welt zusammen. Das einzige Wesen, dass ihm Liebe schenkte, ist nun fort. Er kann das nicht akzeptieren, weil die Konfrontation mit seinen Gefühlen unaushaltbar wäre. Seine Psyche lehnt die Realität, wo seine Katze nicht mehr da ist, ab und hält weiter an der alten fest. Dort wo die Katze noch am Leben und alles gut ist. Er stellt ihr jeden Tag Futter hin und macht regelmäßig ihr Katzenklo sauber, als wäre sie noch da. Auf Fragen seiner Umgebung sagt er, dass die Katze gerade draußen sei oder gerade nur nicht so gut isst.

Auch die Weigerung eine traumatische Vergangenheit und daraus entstandene (nachweisbare) Symptome anzuerkennen, ist ein Fall von Verleugnung. Der Schmerz der dahinter steht ist so groß, dass er lieber nicht gesehen werden will.

Fixierung

Diese Form des psychischen Schutzes geht sehr eng mit der Regression (dem Zurückfallen auf einen frühkindlichen Entwicklungsstaus) einher.

Unter der Fixierung versteht man das Festhalten an bestimmten Denk- oder Verhaltensmustern. Aber auch auf der Beziehungsebene findet sowas oft statt. Eine Fixierung auf den Partner oder dem Therapeuten, welcher hier die Mutter oder Vater-Rolle einnimmt. Gerade im Bereich der Traumatherapie kommt sowas oft vor, weil innere, kleinere, verletzte Anteile eine Sehnsucht zum Therapeuten (oder Partner) suchen (und finden), die sie in früher Kindheit vermisst haben. Die Rolle, die z.B die Mutter übernehmen sollte, Nähe, Liebe, Verbindung aufzubauen (und das versaut hat -auf gut deutsch), „soll“ (das passiert nicht absichtlich!) hier der entsprechend nähste Part übernehmen.

Wie geht man mit Abwehrmechanismen um?

Selbstreflexion.

Das nimmt dich nicht davon aus, selbst eine dieser Strategien (meist wirklich unbewusst!) anzuwenden. Und wir dürfen unsere Psyche dafür auch nicht verurteilen. Sie agiert, wie es in dem Moment am sinnvollsten für uns ist. Sie reagiert einfach nur. Erst da kommen wir ins Spiel, denn wir sind ja weder Opfer unserer Psyche, noch unserer Umstände. Bzw., das ist mir an dieser Stelle wichtig zu sagen: Wir sind Opfer, ganz oft, der Taten anderer. Dagegen können wir nichts tun. Aber diese Leute oder Umstände haben nur Macht über uns in der jeweiligen Situation. Danach nicht mehr.

Unsere Erfahrungen prägen uns und sie prägen unser Handeln. Aber unsere Handlungen, ob wir ein Arschloch uns oder anderen gegenüber sind, das ENTSCHEIDEN WIR selbst. Demnach können wir also auch, durch Selbstreflexion, über unsere psychischen Abwehrmechanismen entscheiden. Ja manchmal geht etwas in die Hose. Manchmal verletzten wir Menschen und oft sind es die, die es gar nicht verdient haben. Und dafür gibt es keine Rechtfertigung. Egal wie viel Trauma wir erlebt haben. ABER wir können unsere Handlungen reflektieren, optimieren und damit verbessern. Wir können es besser machen und damit nicht genauso handeln, wie die Menschen, die uns verletzt haben.

Auf der Seite des Angehörigen

Musst du nichts entschuldigen! Ich persönlich finde es unglaublich wichtig zu wissen, welche Hintergrundgeschichte hinter jedem einzelnem steckt. Damit kann ich denjenigen verstehen, auf ihn eingehen. Aber sind wir mal ehrlich, nur weil ich vieles verstehe, muss ich nicht alles entschuldigen. Ich habe ja auch meine Gefühle und Bedürfnisse und es ist vollkommen okay, wenn jemand anderes, andere Bedürfnisse hat oder Dinge anders sieht. Dann connecten wir eben einfach nicht. Ich glaube, dass ist mehr als okay. Das muss auch nicht mit jedem klappen. OHNE das der andere deswegen schlecht ist.

Und ich kann noch so viel Abwehrmechanismen des anderen verstehen, aber jeder hat seinen Punkt, wo er sagt: „Schön und gut, aber bis hier hin und nicht weiter“ . Und es gibt da auch einen Unterschied von: „Boar du äußerst gerade ein Gefühl, deshalb wirst du mir zu viel und ich will nix mehr mit dir zu tun haben.“ – und – „Ich verstehe dich, aber so wie du dich mir gegenüber verhältst, empfinde ich es wirklich als verletzend und das möchte ich nicht (mehr).“

Glaubenssätze auflösen

Ich habe euch doch letztens von den Hintergründen meines schlechten Körpergefühls erzählt.
Gestern gingen wir in der Kunsttherapie dann einen anderen Glaubenssatz an bzw. haben ihn aufgedeckt.
Ich finde das total cool.

Also ich versuche mal von vorn anzufangen:

Ich habe aktuell das Gefühl, dass hier das Thema (bzgl Heilung) dran ist, sich von anderen Menschen bzw. deren Erwartungen und Meinungen zu lösen. Letztendlich hängt all das ja bei mir mit Dingen wie der Sozialphobie, der verdrehten Körperwahrnehmung und dem Perfektionismus generell zusammen. Auch das Gefühl einfach nirgends dazu zu gehören oder warum mich solche Dinge so verletzen, wie z.B als meine beste Freundin meine Beiträge mal als zu lang und nervig betitelt hat. Etwas das ja mein Innerstes widerspiegelt (also der Blog).

Es ist aktuell ein großes Thema für mich, anderen nicht mehr die Macht über meine Gefühle zu geben. Ich möchte nicht mehr aus Angst etwas falsch zu machen, mich zuhause einschließen oder mir den Tag oder Tage ruinieren lassen, weil irgendjemand an mir auslässt, wie unzufrieden dieserjenige letztendlich nur mit sich selbst ist. Ich möchte und versuche aktuell aktiv daraufhin zu arbeiten, dass das nicht mehr so stark meine Gefühlswelt bestimmt. Das ich das dort lassen kann, wo es hingehört. Beim anderen.
Dieses Thema steht also gerade an. Allerdings gar nicht so aktiv bewusst. Es taucht einfach diesbzgl. ein Thema nach dem anderen auf.

Und gestern wollten wir dann in der Therapie mit einem Glaubenssatz ins EMDR.
Wir haben also versucht zu schauen, welche Situation zu diesem Thema passt (und welche mich getriggert hat) und noch nicht so lange her ist. Welche Gefühle diese Situation ausgelöst hat.
Wir nahmen dann eine, wo ich mich direkt in meiner Kompetenz angegriffen/verletzt gefühlt habe. Mittlerweile weiß ich was ich kann, triggern tut mich dieses Thema trotzdem so stark, weil es die Dauerbotschaft meiner Mutter in der Kindheit war: „Du bist zu dumm für die Welt“ gepaart damit ausgelacht und verspottet zu werden. Viel Zeit meines Lebens verbrachte ich daher damit, mich mit allen möglichen Themen zu beschäftigen, sodass ich ja überall Bescheid weiß und man mir nicht mehr vorwerfen kann, ich wäre dumm.
Das ist natürlich nicht möglich. Es ist unmöglich in allen Bereichen des Lebens 100% alles zu wissen.

Mit dieser Situation gingen wir dann ran und schauten welche Gefühle dahinter stehen. Und dann weiter, was z.B hinter dem „Ich fühle mich dann total klein und dumm“ steckt.
Es kamen dann Sachen auf wie: „Ich bin wertlos“ – „Ich bin falsch und schlecht“ , aber irgendwie fühlte sich das noch nicht passend an. Also noch nicht so, als wäre das schon der Glaubenssatz. Sondern mehr so, als wären das nur Teile davon.
Da stand also noch etwas dahinter.
Dann hatten wir das Gefühl: „Ich werde nicht gesehen. Ich bin unbedeutend. Kein Individuum. Nichts besonderes. Ich kann jederzeit ausgetauscht werden.“ , aber es hat sich immer noch nicht so angefühlt, als wäre das allein schon der Glaubenssatz. So richtig ‚Klick‘ macht es noch nicht, meinte ich zu ihr.
Das die Gefühle wertlos und falsch zu sein, aber aus dem Gefühl des nicht gesehen zu werdens resultieren, konnte ich ausmachen. Wie eine Kette. Das Eine löst das Andere aus. Und alles hängt zusammen.

Und dann kam mir in den Kopf, was ich in dieser Situation, welche ich so triggernd fand und welche wir mit in die Therapie nahmen, fühlte: „Ich will doch einfach nur lieb gehabt werden“ – Es geht bei solchen Situationen (oder wenn ich Angst vor dem bewertet werden habe, etc.) also nicht darum, dass ich mich in meiner Kompetenz angegriffen fühle o.a, sondern eigentlich um das Gefühl abgelehnt zu werden. Keine Liebe zu bekommen.

Das Gefühl nicht geliebt zu werden. Das ich für mein Sein gar keine Liebe verdient habe, ist der Glaubenssatz hinter diesen Themen. Und dieses Gefühl löst wie in einer Kette erst das Gefühl unsichtbar und unwichtig zu sein aus. Austauschbar zu sein. Und dann falsch und wertlos. Klein und dumm. Nicht dazugehörig. Und um das zu vermeiden entwickelte ich meinen Perfektionismus. Nichts falsch machen, in der Hoffnung dann Liebe zu bekommen.

Und dann kam noch was anderes lustiges.
Irgendwas sagte die Therapeutin zur letzten Stunde, wo ich ihr ja davon berichtet habe, was ich bzgl des Körpergefühls herausgefunden habe. Und da hat es richtig ‚Klick‘ gemacht. Dieses berühmte Aha-Erlebnis:
Das hängt alles zusammen. Wie 2 Seiten einer Medaille.
Bei der Körperwahrnehmung war es der Glaubenssatz, das Gefühl, dass nur mein Körper an mir wichtig ist. Das er zum benutzen da ist und ich nur über meinen Körper sowas wie „Liebe“ erhalten kann. Und sobald etwas daran kaputt oder nicht mehr schön ist, werde ich aussortiert und bekomme überhaupt keine Liebe mehr (ich mein, ich weiß, dass das sowieso keine Liebe ist/war, aber es war halt das, was dem am nächsten kam). Dieses Gefühl: „Du bist nur zum benutzt werden da. Das ist deine ganze Existenzberechtigung“ .
Und diese sozialen Triggerthemen (wie oben angesprochen), da ist es das Gefühl keine Liebe verdient zu haben, weil das ja auch immer exakt diese Botschaft war. Nicht einfach so. Nicht ohne Gegenleistung. Das ich keine Liebe bekomme, einfach nur weil ich ich hin. Im Gegenteil, ich sein war immer mit Liebesentzug verbunden. Bedeutete immer eine Bestrafung.

Und beide Glaubenssätze hängen zusammen.
Das was hinter dem verdrehten Körpergefühl steckt und dem schnell verletzen Selbstwert. Das ich eigentlich ständig nur für andere lebe. Dauernd im Außen bin. Beides basiert auf den Glaubenssatz, dass ich selbst als Mensch nicht existiere, nur das was man an mir benutzen kann. Also bloß nichts falsch machen, immer sehen den anderen zu Diensten zu sein. Alles andere oder wenn ich das falsch mache (bzw. die Gefahr droht) ist das mit extrem viel Stress im Nervensystem verbunden. Unbewusst. Und das löst wiederum diese Kette von Gedanken und Emotionen aus. Angst, Einsamkeit, das Gefühl falsch und wertlos zu sein, usw.
Ich sage ja, wie 2 Seiten einer Medallie.
Und ich dachte erst es wären unterschiedliche Themen.
Total lustig.

Übrigens auch mal ein kurzes Update zu dem Thema mit dem Körpergefühl:
Seitdem mir die Ursache klar wurde, hat es sich stark verbessert. Ich würde immer noch gerne abnehmen wollen, also so komplett weg ist es nicht. Aber ich esse wieder relativ normal. Irgendwann hat sich ja mein ganzer Tag nur noch darum gedreht, was ich essen kann und wie viel davon und zu welcher Uhrzeit usw. Und dann hatte ich ein mega schlechtes Gewissen, wenn ich mich nicht daran gehalten habe (weil ich aus Einsamkeit oder Stress gegessen habe), was auch wieder extrem viel Stress im Nervensystem ausgelöst hat.
Und das ist so nicht mehr der Fall. Wie gesagt, es ist nicht komplett weg. Das würde ja aber auch fast an Hexerei grenzen, wenn. Aber es hat sich normalisiert. Der Weg in die Akzeptanz zum eigenen Körper zu gehen, statt dagegen anzukämpfen hat sich als umsetzbar und effektiv erwiesen 👍. Also für mich, hier und jetzt.

Ich für mich merke, dass ich sehr gut damit arbeiten kann, an die Ursache der Gefühle etc. zu kommen. Dem Gefühl und der Glaubenssatz was hinter dem Trauma liegt. Das erweist sich (aktuell) für mich als besser und produktiver, als detailliert immer wieder in die Traumata einzutauchen. Damit will ich nicht die Sinnhaftigkeit dieser Therapiemethode kritisieren und wer weiß, ob das in ein paar Jahren vllt für mich effektiv ist. Nur aktuell merke ich größere Fortschritte mit der Methode, wie wir in der Kunsttherapie arbeiten (wo wir uns teilweise ja sogar nur 1x pro Monat sehen), als in den 2 Jahren wöchentliche Gesprächs-/Traumatherapie.

Abwehrmechanismen der Psyche (Teil1)

Genauso wie unser Immunsystem erfüllt auch unsere Psyche einen wichtigen Zweck. Während unser Immunsystem für den Körper schädliche Bakterien und Viren abwehrt, wehrt unsere Psyche Gefühle und Impulse ab, die zu inneren Konflikten und Spannungen führen und uns damit schaden könnten.

Wie wir es bereits letztens durchgegangen sind, sind Gefühle überhaupt nichts schlimmes. Sie erfüllen eine wichtige Funktion, allerdings können sie oft im Zwiespalt zur äußeren Welt stehen, zu unseren Glaubenssätzen oder auch Wertevorstellungen. Und genau dann greifen bestimmte Abwehrmechanismen, wie sie jeder Mensch mindestens schon einmal erlebt hat. Und jeder wird es hin und wieder einmal tun. Das ist völlig normal und schützt unser System vor Überlastung. Schädlich werden sie erst dann, für uns selbst und für unsere Umgebung, wenn wir darin verharren bleiben.

Reflexion unserer Gedanken- und Handlungsmuster kann uns dabei helfen, mehr mit uns in Kontakt zu kommen. So können wir verstehen lernen, wovor und auch warum unsere Psyche uns gerade zu schützen versucht. Das Verstehen dessen kann uns aber auch dabei helfen, viele Reaktionen anderer Menschen (auch uns gegenüber) besser nachvollziehen zu können. Denn das meiste hat tatsächlich weniger mit uns selbst zu tun, als viel mehr mit ihnen. Genauso wie unsere Handlungsweisen gegenüber anderen sehr viel mehr mit uns gemein haben, als mit den anderen.

Wichtig ist hier noch zu sagen, dass es bei vielen Menschen Abwehrmechanismen gibt, die ihre Psyche „bevorzugt“, da sie sich als effektiv erwiesen haben. Aber meistens ist es so, dass jede Psyche trotzdem viele verschiedene Abwehrmechanismen einsetzt. Je nachdem was gerade sinnvoll erscheint. Und ☝, dass sie selten bewusst eingesetzt werden.

(alle Namen inkl. Beispiele sind erfunden und zudem in keine Richtung wertend gemeint)

Projektion

Jeder von uns hat Persönlichkeitsanteile (nicht im Rahmen der Dis) die er nicht annimmt und daher verdrängt. Ganz viel spielt dabei eine Rolle, wie wir aufgewachsen sind und geprägt wurden. Was wir richtig und falsch finden und mit unseren Wertvorstellungen überein passt. Nehmen wir das Bsp. eines Mannes, der in seiner Kindheit immer wieder vermittelt bekam, dass ein Mann stark zu sein hat und nicht weinen darf. Gefühle zu zeigen würde Schwäche bedeuten. Emotionen, vor allem solche wie Traurigkeit und Verletzbarkeit lässt er nun, wo er erwachsen ist, nicht mehr durch. Er lehnt sie an sich selbst ab, da sie ja Schwäche bedeuten. Ein Mann hat schließlich stark zu sein.

Nun begegnet er anderen Menschen, die sehr emotional sind. Ihre Tränen offen zeigen und über ihre Gefühle sprechen (wollen). Gegenüber diesen Menschen wird er nun vllt. eine Abneigung verspüren. Er wird sie für schwach halten und vllt. kommt sogar Ekel in ihm auf, weil diese Menschen genau den Teil in ihm ansprechen, offenbaren, den er verdrängt hat. Also geht er in die Abwehrhaltung. Um nicht mit seinem verdrängten Teil in ihm, seinen Gefühlen, in Kontakt zu kommen, versucht er etwas im Außen zu verändern. Der andere soll sich ändern, nicht so „weinerlich“ sein. Sich etwas „mehr zusammenreißen“ , sich „nicht so anstellen“ , usw.

Er projiziert sein innerstes nach Außen und versucht es dort zu ändern. Die Umgebung an seine (innere) Realität anzupassen.

Wendung gegen sich Selbst

Innere Emotionen, wie z.B Wut o.a., werden hier gegen sich Selbst gerichtet, anstatt gegen das Außen.

Als Bsp. wieder: Johannes wächst in einer Umgebung auf, wo z.B sehr viel Projektion stattfindet. Ständig bekommt er gesagt, dass er einfach zu unfähig und zu dumm ist, um irgendetwas hinzubekommen. Er verinnerlichte dies so sehr, dass er nun, wo etwas nicht klappt, den Grund in seiner Fehlerhaftigkeit bei sich sieht. Wäre er weniger dumm und unfähig, dann wäre seine Freundin nicht mit dem Nachbarn durchgebrannt. Das Projekt auf Arbeit wäre angenommen worden oder sein Auto nicht kaputt gegangen. In ihm steigt eine unglaubliche Wut gegen den Verursacher seines Scheiterns auf: Ihn Selbst. Nun sitzt er zuhause und macht sich endlose Vorwürfe: „Wenn ich nicht so dumm wäre, dann wäre das gar nicht passiert. Warum kann ich nicht anders sein? Warum bin ich so ein unfähiger Mensch?! Alles mache ich kaputt!“ .Vllt verletzt er nun deshalb nicht nur seine Psyche (durch innere Vorwürfe) , sondern sogar seinen Körper.

In Wahrheit ist es aber so, dass Dinge manchmal scheitern. Egal wie sehr wir uns anstrengen und uns Mühe geben. Nicht alles was passiert liegt in unserer Macht. Es gibt unglaublich viele Komponenten, wie etwas zu etwas führen kann. Ein Scheitern hat nicht automatisch etwas mit uns zu tun.

Als Johannes früher immer wieder diese verletzenden Worte hörte, entstand eine tiefe innere Verletzung. Sein tiefstes Inneres spürte nicht nur die Ungerechtigkeit, sondern er wurde auch nie so angenommen und geliebt wie er war. Die Wut die daraus entstand, schlummert noch immer in seinem Inneren. Und wenn jetzt etwas scheitert (was hier als Trigger fungiert), richtet er diese Wut gegen sich Selbst. Es wurde nie verbalisiert, dass er nicht der Grund ist. Der Grund für seine Wut liegt eine Schicht dahinter und die Auseinandersetzung mit dieser früheren Verletzung wäre sehr schmerzhaft.

Rationalisierung

Geschehnisse und Handlungen werden rationalisiert, statt den dahinterliegenden, wahren Grund zu betrachten. Nehmen wir das ganz aktuelle Bsp. mit dem Tragen eines Mund- und Nasenstutzes. Da ich aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen kann, habe ich sehr viele Anfeindungen erfahren. Immer wieder fielen Argumente wie: „Wir haben eine Maskenpflicht, deshalb müssen Sie die tragen“ oder „Aus Solidarität zu anderen muss man eine tragen, sonst ist das egoistisch“ . Spannend fand ich dabei, dass kaum einer sagte was tatsächlich hinter ihrer Aggression mir gegenüber, einem ja völlig fremden Menschen, lag: Angst. Die Angst um das eigene Leben oder das derer, die sie lieben.

Und als dann die Impfungen aufkamen, wurde es sogar noch extremer. Menschen gingen soweit, andere deshalb sogar wegsperren zu wollen, wenn sie eine Impfung ablehnten. Auch das wurde rational begründet. Sie wären gefährlich für andere und das noch aus völlig egoistischen Gründen. In Wahrheit ging aber eine furchtbare Angst durch das Land, der aber nur wenige ins Auge schauen wollten (und hier setzt bzgl. dem „Egoismus-Vorwurf“ auch wieder die Projektion ein = aus meiner inneren Angst versuche ich den anderen zu etwas zu zwingen, damit meine Angst stiller wird).

Ein anderes Bsp.: Sandra hat furchtbare Angst vor dem Zahnarzt. Dort steigt in ihr ein Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefert sein auf, was aus einem früheren (vllt. noch verdrängten) Trauma resultiert. Nun findet sie immer wieder Gründe nicht hin zu gehen, z.B weil die Zähne ja gar nicht weh tun. Oder der Zahnarzt sowieso nicht so kompetent wirkt. Und eigentlich hat sie gerade eh viel zu viel um die Ohren. Es werden also rationale Gründe gesucht, um das dahinterliegende Gefühl nicht spüren zu müssen.

Verschiebung

Hier verschieben wir Gefühle und Vorstellungen von einer Person auf eine andere, weil wir sie an der Ursprungsperson nicht ausagieren können.

Bspw. hat Fritz auf Arbeit sehr viel Ärger mit seinem Chef. Er wird immer wieder niedergemacht, seine Arbeit nicht gewürdigt und er entwickelt daraufhin sehr viel Wut dem Chef gegenüber. Er fühlt sich nicht ernst genommen, nicht gerecht behandelt und spürt den mangelnden Respekt seines Chefs ihm gegenüber. Gegen diesen kann er seine Gefühle aber nicht richten, da er sonst Gefahr läuft noch schlechter behandelt zu werden oder gar seinen Job zu verlieren. Er kommt nun nach Hause und seine Frau fragt ihn ob er daran gedacht hat, die Briefe die sie ihm mitgab, abzugeben. Eine vollkommen neutrale Frage. Aber in ihm kommen gerade all die unterdrückten Gefühle von der Arbeit hoch. Er beschimpft seine Frau sie würde ihn nur drangsalieren, ihn nicht ernst nehmen, nicht respektieren. Er beleidigt sie … und schlägt zu. Schuld ist dann natürlich sie (in seinen Augen), da sie ihn ja so lange gereizt hat.

In Wahrheit war diese Situation aber nur ein Trigger für seine ungelösten (inneren) Konflikte. Seine Frau hatte damit überhaupt nichts zu tun. Bei der Verschiebung nehmen wir also all unsere Gefühle, die wir an der eigentlichen Person, gegen die sie gerichtet sind, nicht auslassen können und richten sie gegen eine nähere und verfügbarere Person, die wir in diesem Moment uns gegenüber in einer unterlegeneren Position erachten. Das können auch die Geschwister, das Haustier, Gegenstände, o.ä sein. Und in diesem Zusammenhang können auch Phobien entstehen. Z.B kann sich eine Klaustrophobie entwickeln, wenn wir uns von Menschen beengt fühlen (z.B durch Missbrauch), auf deren Schutz wir angewiesen sind.

Sublimierung

Sublimierung kommt vom lateinischen sublimare und bedeutet soviel wie „erhöhen“ oder „emporheben“ . Nicht gern gesehene innere Triebe und Wünsche werden hier in sozial und kulturell angesehene, akzeptierte Handlungen umgewandelt, wie „veredelt“ . Und das ist etwas, was wir z.B so gut wie alle, ständig tun.

Als Bsp. wieder die Situation mit dem Stress auf der Arbeit. Statt nach Hause zu gehen und die inneren Konflikte und Spannungen an der Umgebung auszulassen, nutzt man hier eine andere Möglichkeit. Sport ist z.B so ein Medium. Viele Aggressionen lassen sich sehr gut über sportliche Betätigung abbauen. Oder mein Schreiben, der Blog hier, ist der künstlerische Ausdruck innerer Ohnmacht. Hier kann ich aus dem passiven Zustand, der ich einst als Opfer war, in den aktiven übertreten. Viele Kunstwerke und lyrische Schriften entstanden aus inneren Konflikten, die in künstlerischer Form auf ein Medium übertragen wurden.

Ein Bsp. wäre hier auch die Autorin eines Liebesromans (das gilt nicht allgemein, sondern soll nur als Beispiel dienen!). Sie sehnt sich nach sexueller Spannung, Leidenschaft und Liebe. Ihr Mann leidet vllt an einer Krankheit, beide lebten sich auseinander oder vllt hat sie auch sexuelle Wünsche, die sie in ihrer Beziehung nicht ausleben kann. All diese Wünsche, Triebe und Bedürfnisse kann sie nun in ihren Roman legen und auf diese Art ausleben.

Regression

Bei der Regression treten wir in einen früheren Entwicklungsstand zurück, um erwachsene Entscheidungen zu umgehen. Das hört sich erst einmal wertender und negativer an, als es eigentlich ist. Wir alle tun das in regelmäßigen Abständen, mal mehr und mal weniger.

Psychosomatische Beschwerden können da so ein Beispiel sein. Wir rutschen in einen Zustand zurück, als wir unsere Gefühle noch nicht verbalisieren konnten, weil wir noch gar keine Sprache erlernt haben und nur unser Körper reagieren konnte. In den Zustand des Babys oder Kleinkindes, wo wir auf ungestillte Bedürfnisse mit Bauchschmerzen reagiert haben. Oder mit Herzrasen, weil wir Angst bekamen. Die Gefühle, die nie eine Bezeichnung erhielten, können sich dann heute über den Körper äußern. Bauchschmerzen, wenn wir uns nicht gesehen und gehört fühlen oder Bluthochdruck, weil die Angst vor dem Verlassenwerden so stark in unserem Inneren präsent ist und uns ständig in Anspannung versetzt.

Aber auch trotziges und bockiges Verhalten kann sowas sein: „Nein, jetzt will ich das auch nicht mehr!“ oder „Du hast mich nicht richtig verstanden, deshalb rede ich jetzt nicht mehr mit dir“ . Oder was man oft auch in vielen Diskussionen auf SocialMedia oder auch privat erleben kann, wenn unterschiedliche Meinungen aufeinander treffen: ,,Das finde ich blöd und du bist es auch“ – „Du bist aber noch viel blöder“ – Das sind oft Verhaltensweisen, wie wir sie bei kleineren Kindern beobachten können, die ihre aufkommenden Gefühle (z.B nicht gesehen oder ernst genommen werden) noch nicht wirklich betiteln können. Und wenn wir als Erwachsene da hinein rutschen, kommen eben solche Gefühle auf, für die wir noch immer keine Worte (bei uns selbst) kennen und die wir auch nicht sehen und fühlen möchten.

Kompensation

Wenn wir Kompensieren, versuchen wir ein inneres Ungleichgewicht auszugleichen. Als Bsp. nehmen wir Friedolin, der mit seinem Körper nicht wirklich im Reinen ist. Er fühlt sich schwach, unattraktiv und kann nicht wirklich mit seinem Körper in Kontakt kommen und ihn als Teil seines Selbst anerkennen. Er lernt einige Bodybuilder kennen, die genau das zu verkörpern scheinen, was er sich wünscht. Stärke, Macht und eine sehr attraktive Freundin. Er beginnt daraufhin ebenfalls mit dem Bodybuilding (auch das dient nur als Bsp. und gilt nicht allgemein!) und spürt Anfangs auch immer mal wieder ein kurzes Gefühl der Befriedigung.

Nur bleibt es nicht. Da dieses Gefühl der Unzufriedenheit mit sich Selbst aus seinem tiefen Inneren kommt und in erster Linie gar nicht wirklich etwas mit seinem Körper zu tun hat, erreicht er nie wirklich das Gefühl der Zufriedenheit, welches er sich so wünscht, mit seinem Bodybuilding. Es ist nicht genug. Er wird diese innere Unzufriedenheit einfach nicht los. Vllt müssen es mehr Muskeln sein, er muss sich noch mehr anstrengen, denkt er. Also trainiert er weiter. Spritzt sich Anabolika, nimmt Unmengen an Proteinen zu sich … Aber nichts. Die Zufriedenheit bleibt einfach nicht. Also macht er weiter und befindet sich schon längst in einer Sucht, ohne es zu merken. Er kompensiert sein inneres, schmerzhaftes Gefühl, eine alte Verletzung, mit etwas äußerem.

Ein anderes Bsp. wäre da das Essen. Viele von uns kennen das: Man ist traurig und greift zur Schokolade. Es gibt uns ein kurzes, gutes Gefühl, womit wir das negative auszugleichen versuchen.

In Teil 2 gehts weiter …

Gefühle und Emotionen (und was sie uns mitteilen)

Gefühle beeinflussen uns regelmäßig, eigentlich den ganzen Tag über, maßgeblich. Auch jene, welche behaupten sie würden auf Gefühle nichts geben.

Und solange wir Gefühle wie Glück oder Liebe empfinden, freuen wir uns auch und machen uns wenig Gedanken darüber. Erst wenn die Gefühle in die „negative“, „destruktive“ Richtung abgleiten, nehmen wir sie bewusst wahr und ärgern uns über sie.

Da es aber, genau genommen, nichts zu ärgern gibt, möchte ich heute einmal über die Hintergründe verschiedener Gefühle sprechen und was wir vllt auch produktives aus ihnen ziehen können. Deswegen fühlen sie sich nicht weniger schlimm an, aber vllt können wir einen liebevolleren Umgang mit ihnen lernen.

Bewusst habe ich heute übrigens die Trauer ausgelassen. Für diese wird es einen extra Beitrag geben.

Unterschied zwischen Gefühl und Emotion

Sehr oft werden diese beiden Begriffe synonym verwendet. Dennoch gibt es einen kleinen Unterschied.

Emotionen sind eine Mischung aus einem innerem Empfinden und unserer Reaktion darauf. Steigt in uns z.B Angst auf, setzt unser Körper Stresshormone frei, welche verschiedene Reaktionen wie schwitzen, Herzrasen etc. auslösen. Die Hormone wiederum haben Einfluss auf unsere Gedanken und Entscheidungen. Hinter einer Emotion steckt also eine Kombination aus Gefühlen (z.B Freude, Trauer), Körperreaktion (Bluthochdruck, Schwindel,… ) und Denkprozessen (entscheiden, vergleichen, etc.).

Gefühle sind demnach nur ein Teil einer Emotion. Sie beschreiben ausschließlich unsere Empfindung im Jetzt.

Angst

Angst warnt uns vor einer drohenden Gefahr und ist daher ein zutiefst normales und vor allem wichtiges Gefühl.

Gerät sie jedoch aus dem Gleichgewicht, was oft zu einer Angsterkrankung führt, macht sie uns das Leben meist mehr als schwer. Wir reagieren dann mit Panik, schwitzen, Schwindel, Wortfindungsstörungen, Depersonalisation, Herzrasen und Isolation. Bei einer Angsterkrankung haben Ängste bereits ein Eigenleben angenommen. Sie sind so übersteigert, dass sie mit der JETZIGEN Realität nicht mehr viel gemein haben. Hinter jeder „übersteigerten“ Angst steht aber immer eine frühere Realität, die nur durch etwas aktuelles getriggert wurde. Wir erinnern uns: Angst schützt vor einer drohenden Gefahr und die frühere Realität, die angetriggert wurde, bedeutete Gefahr. Unser Gehirn kann diese äußere und innere (zeitlich vergangene) Realität nicht auseinander halten und kann diese Ängste daher auch nur durch neue Lernerfahrungen abbauen. Nicht durch Rationalität.

Wenn wir z.B Angst vor Menschen oder deren Bewertung empfinden, haben wir früher oft die Erfahrung gemacht, dass wir nicht so gut waren, wie wir sind. Vllt wurde uns vermittelt, dass wir besser sein müssten. Etwas leisten sollen, was wir nicht konnten. Das wir nicht geliebt wurden, für das was und wer wir sind. Hinter der Angst vor menschlicher Nähe oder zu engen Räumen, steckt oftmals die frühere Erfahrung, dass ein zu enger (menschlicher) Kontakt oder eine (räumliche) Umgebung, aus welcher wir nicht fliehen konnten, uns ohnmächtig fühlen lassen hat. Wir wurden wortwörtlich eingeengt.

Eins möchte ich persönlich noch hinzufügen und zwar das ich glaube, dass hinter vielen andere Emotionen wie Wut, Neid, Eifersucht, etc oft eigentlich nur Angst steht.

Ekel

Ekel soll vor Schaden durch potenziell gefährliche Inhalte bewahren, wie z.B Infektionen, Ur*n oder Erbr*chenen. Er entwickelt sich meist lernbedingt. Zum Beispiel durch das was die Eltern vorleben (oder generell die Kultur/vorhergehenden Generationen) oder durch persönliche, negative Erfahrungen.

Der Ekel vor verschimmelten Lebensmitteln hat so gesehen also einen wertvollen Zweck und zwar den, unseren Körper vor einer möglichen Erkrankung zu schützen.

Und auch im Traumakontext entwickelte Phobien wie z.B vor Körperfl*ssigkeiten, stellen eine wichtige Funktion dar. Früher bedeuteten eben diese Schaden am Körper, infolgedessen hat sich ein chronischer Ekel davor entwickelt. Werden Körperfl*ssigkeiten gemieden, kann auch kein solcher Schaden wie früher mehr geschehen (in der Logik des Körpers). Auch hier geschieht die Bewältigung der Phobie meist nur über positive, neue Erfahrungen.

Wut

Wut ist ein Gefühl, welches uns signalisiert: „Hallo! Hier wird grad ein für dich ganz wichtiges Bedürfnis nicht gestillt oder/und eine Grenze übertreten!“ .

Sei es Respekt, Anerkennung, Liebe, Aufmerksamkeit (man kennt es von Kindern z.B, die vieles anstellen, um Aufmerksamkeit zu erhalten – Ein überlebenswichtiges Bedürfnis) o.ä was wir benötigen, aber nicht erhalten. Wut ist furchtbar schädlich, wenn sie unreflektiert auf uns oder unsere Umgebung trifft. Ohne Diskussion. Dennoch entsteht erst dann, wenn ein inneres Bedürfnis nicht gestillt wird. Und nein, das hat nicht immer etwas mit der Außenwelt zu tun. Oft tritt Wut auch dann auf (auf uns oder andere), wenn wir selbst unsere Grenzen nicht kennen. Wenn wir sie übertreten lassen, ohne klar eine Linie zu ziehen oder wenn wir sie selbst übertreten.

Ein Bsp. wäre da der Chef, der immer wieder zu Überstunden auffordert und der Angestellte einfach nicht „Nein“ sagen kann. Immer mehr Wut keimt in dem Angestellten auf. Gegenüber seinem Chef (im besten Falle), oder gegenüber ihm Selbst oder seinem/r Partner/in (durch Übertragung), etc.

Wenn du ein wütender Mensch bist, schau wo deine Bedürfnisse nicht erfüllt werden/wurden. Teile das deiner Außenwelt (bzw. den Betroffenen/Nahestehenden) mit, vllt lässt sich etwas ändern. Und wenn nicht, schaue wo du deine eigenen Grenzen besser vertreten kannst.

Im nächsten Beitrag werde ich noch etwas näher auf die Wut eingehen.

Langeweile

Langeweile hat man nur, wenn man nichts tut“ höre ich oft. An sich ist daran nicht prinzipiell etwas falsch. Bezogen ist dies aber oft auf Faulheit, Luxus und Wohlstand. Auch hier möchte ich nicht generell widersprechen. Allerdings fällt dieser Satz meist verknüpft mit dem zutiefst preußisch geprägten Denken: „Nur wer etwas leistet, ist etwas wert“ .

Dennoch gibt es auch Menschen die einen für die nächsten 365 Tage ausgefüllten Terminkalender haben. Kein Mensch würde behaupten diese wären untätig. Und trotzdem empfinden viele oft Langeweile und Leere. Langeweile bei jedem 2. Meeting. Langeweile bei jedem Buisness-Essen und Langeweile bei den zwischenmenschlichen Gesprächen. Liegt es nun am „zu wenig tun“ ? Wahrscheinlich nicht. Der Glaubenssatz man würde einfach nicht genug tun (oder wäre zu faul etwas zu tun), hinkt also.

Es liegt eher daran, dass du unterfordert bist. Natürlich sind wir Wesen, welche produktiv sein wollen. Aber produktiv und ständig beschäftigt sein, sind 2 verschiedene Dinge.

Wenn du Langeweile (und Leere) empfindet, frage dich bzw. sehe es als Hinweis, dass die aktuelle Situation dich nicht ausfüllt. Langeweile kann uns inspirieren kreativ zu werden, mehr auf uns zu schauen und auf das, was wir wirklich möchten.

Neid

Neid empfinden wir, wenn wir etwas bei jemand anderes sehen, was wir selbst gerne hätten. Ganz oft wird Neid als das ultimativ böse angesehen, aber er signalisiert uns auch, was uns in unserem Leben fehlt. Wichtig ist zu verstehen, dass es nicht darum geht, dass der andere das Problem ist (der hat, was wir uns wünschen) oder das wir selbst zu schlecht oder unwürdig dafür wären, dies ebenfalls zu bekommen oder zu erreichen. Neid kann uns Missstände in unserem Leben aufzeigen. Wenn wir unseren Blick nicht nach Außen richten, sondern in uns, kann er unglaublich wertvoll sein.

Im Falle der Kollegin z.B, die „den perfekten Partner“ hat, kann Neid uns zeigen, wo da unser unerfülltes Bedürfnis steckt.

Bsp.: „Was sehe ich in der Partnerschaft der beiden, was ich mir auch wünsche? Fühle ich mich einsam, weil meine Gefühle in meiner Partnerschaft nicht gesehen werden oder weil ich Single bin und mir auch jemand an meiner Seite wünsche? Oder hat dieser Partner einen guten Job? Ist es Sicherheit, welche ich mir also eigentlich (symbolisiert durch das finanzielle) wünsche?“ Ein anderes Bsp. wäre der Neid auf die Karriere eines anderen: „Was macht mich daran neidisch? Vllt die Anerkennung und das Ansehen welches diesem entgegengebracht wird, weil ich früher immer kritisiert wurde und mir eben diese Anerkennung daher heute auch wünschen würde?

Neid kann uns also bei der Frage helfen: „Was will ich selbst in meinem Leben und wie kann ich es erreichen?

Eifersucht

Neid ist das, wo wir etwas begehren, was wir nicht haben. Eifersucht dagegen ist ein Gefühl, das hoch kommt, wo wir etwas verlieren könnten, das wir bereits „haben“ und was uns wichtig ist (aus Liebe oder weil es ein Befurfnis von uns stillt).

Bei der Eifersucht gehen wir also in die Verlustangst. Starke Verlustangst speißt sich meist aus der Erfahrung früher nicht gut genug gewesen zu sein (z.B durch emotional unerreichbare Eltern, Missbr*uch, etc.). „Wenn ich nicht ausreiche, dann wird man mich auch (für etwas besseres) verlassen“ . Oftmals haben wir in der Vergangenheit auch die Erfahrung machen müssen, dass wir Wesen, welche wir liebten, verloren haben. Vllt durch die Trennung der Eltern, durch den T*d eines geliebten Wesens oder weil uns ein Partner betrogen hat. Was man liebte, war also irgendwann weg. All das (und mehr) KANN oftmals später chronische Eifersucht verursachen.

Das Gefühl der (normalen) Eifersucht kann uns aufzeigen, was uns in unserem Leben wichtig ist und was wir nicht verlieren möchten. Um was sich ein Kampf lohnt. Übersteigerte Eifersucht dagegen hängt meist mit dem eigenen Selbstwertgefühl zusammen und dem Bruch im (Ur-)Vertrauen zu seiner Umwelt.

Scham (und Schuld)

Scham dient besonders als Warnsignal vor sozialer Ausgrenzung. Wenn wir das Gefühl haben etwas falsches getan zu haben, etwas das nicht richtig war und gesellschaftliche Ächtung mit sich bringen könnte (oder schon mal brachte), empfinden wir Scham. Und infolgedessen auch oft Schuldgefühle, welche sehr eng mit der Scham korrelieren. Sie können uns daher als Selbstschutz dienen. Den Schutz sich in der Öffentlichkeit nicht zu „blamieren“ und sozialer Ausgrenzung und Verachtung zum Opfer zu fallen. Was das sein kann, änderte sich im Laufe der Geschichte immer wieder und ist auch kulturell völlig unterschiedlich.

Aber Scham (und Schuld) kann uns, wenn sie überwunden wird, auch bei der Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. Sie kann uns helfen, eigene (oder fremde, wie bei der Fremdscham) Handlungsmuster zu hinterfragen und uns dadurch beim reflektieren helfen.

Zu krankhafter Scham kommt es wiederum oft durch Gewalt und stark destruktives Verhalten. Kinder bzw. Menschen die z.B immer wieder gesagt oder vermittelt bekamen, sie wären nichts wert, schämen sich oft ein Leben lang für sich selbst. Ebenso kann sich krankhafte Scham durch andere traumatische Erlebnisse, wie z.B se*uelle Gewalt oder Mobbing (etc.), entwickeln. Das Gefühl ausgeliefert zu sein und sich nicht wehren zu können, kann tiefe Scham hervorrufen. Diese kann aber auch entstehen, weil Täter (oder andere Menschen) das Opfer abwerten und selbst zum Täter machen („Du wolltest es doch. – Kein Wunder, wenn du so herumläufst. – „Du hättest dich ja wehren können. – usw.“ ) .

Hintergründe meines schlechten Körpergefühls

Gestern hat sich was aufgetan, das muss ich heute mal berichten:

In der Jahresrückschau erzählte ich doch davon, dass ich aktuell eine ganz schlechte Körperwahrnehmung habe und mich viel dicker und unförmiger fühle, als ich eigentlich bin und mich das sehr belastet.
Und dann sprach ich in dem Beitrag auch an, dass es da einen dahinterliegenden Gedanken gibt, der der Meinung ist, ohne tollen Körper kann man auch keinen tollen Partner finden, der einen lieb hat.

So und das Ganze hab ich die letzten Tage mal noch weiter hinterfragt und kam zu einer wirklich spannenden, aber auch krassen Erkenntnis.

Also die (bisher nicht bewusste) Gedankenkette ist die:
„Wenn ich zunehme oder etwas anderes mit meinem Körper passiert, ist er nicht mehr perfekt. Wenn mein Körper nicht mehr perfekt ist, will mich keiner mehr. Und wenn mich keiner mehr will, dann bleibe ich ganz allein.“

Übersetzt heißen diese Gedanken ➡️: „Mein Körper ist das Einzige, wofür man mich will. Wenn mein Körper nichts mehr taugt, dann gibt es keinen Grund mehr, dass jemand etwas mit mir zu tun haben möchte.“

Ist das nicht krass?!
Was da hinter diesem Symptom mit der verdrehten Körperwahrnehmung für ein Glaubensmuster steckt? (bei mir, dass muss so nicht für andere gelten!)

Vor allem da ich ja das Gegenteil möchte. Ich möchte keine Oberflächlichkeit und ich möchte nicht von meinen Mitmenschen für das gewollt oder „geliebt“ werden, wie ich aussehe oder was ich leisten kann. Nicht für gutes zuhören oder nen netten Hintern oder sonst was. Meinetwegen möchte ich wertgeschätzt werden. Weil ich so bin wie ich bin. So handhabe ich das ja auch bei anderen.
Und vor allem im letzten Jahr kam ja auch dieses Gefühl des ‚benutzt werdens‘ extrem stark durch. Sobald ich Manipulation oder Ausgenutzt, warm gehalten werden oder ähnliches gerochen habe, habe ich einen cut gesetzt.
Ich will also das genaue Gegenteil, während der Körper aber noch in diesem alten Glaubenssatz feststeckt.

Und das das noch da ist, ist aber irgendwo auch logisch. Darauf basieren ja, mehr oder weniger, die allermeisten (unverarbeiteten) Traumata hier. Benutzt werden.
Und vor allem lernst du ja auch früh schon, dass du nicht deinetwillen geliebt wirst, sondern nur dann „Liebe“ und Nähe bekommst, wenn dein Körper gebraucht wird.
Also kein Wunder das hier diese innere Panik aufkommt, wenn daran irgendwas nicht mehr „perfekt“ ist (obwohl das ja auch eine subjektive Sache ist, ich glaube hier gibt es wahrscheinlich davon einen individuellen, inneren Maßstab), dass es dann nie wieder jemand geben wird, der etwas mit einem zu tun haben möchte.

Der Gedanke eines äußerlich intakten Körpers, ist mit dem Bedürfnis von Nähe und Zuneigung (weil es die nur so gab), immer noch verknüpft. Kein perfekter Körper bedeutet (im kindlichen bzw. traumatisierten Kopf) dann auch keine Zuneigung. Deshalb auch diese Panik. Und auch diese innere Einsamkeit wahrscheinlich, die wieder oft hoch kommt, weil die Angst da ist, niemand könnte einen mehr wollen. Was ich nur so spannend finde ist, dass das jetzt so durch kommt. Ich habe ja kein Gewicht, was ich noch niemals zuvor hatte und passe auch weiterhin in meine ganze alte Kleidung hinein.

Ich hab das zwar schon vor ein paar Tagen in Worte fassen können, aber gestern hat es erst richtig Klick gemacht, was für ein krasser Glaubenssatz das ist. Das ich mich unbewusst selbst so abwerte bzw. auf das reduziere, was man von mir benutzen könnte. Und das es nichts sonst an mir gibt, was man gut finden würde. Nichts außer den Körper. Fand ich irgendwie total erschreckend, aber auch cool, dass sich das jetzt so klar herauskristallisiert hat.

Die Symptomatik passt auch zu den aktuellen Themen und zu dem, dass ich scheinbar mehr ins generelle fühlen komme.
Ich sehe das daher gerade als positives… oder naja, eher produktives Zeichen. Zeigt mir nämlich, dass scheinbar einiges im Gange ist und einiges an Trauma sich gerade in der Verarbeitungsphase befindet bzw. dahin eingetreten ist 👍

Wie setze ich Grenzen?

Ich möchte heute darüber sprechen, was Grenzen sind und wie wir lernen können sie zu spüren und umzusetzen.

Wichtig: Es soll heute darum gehen, was wir tun können wenn wir erwachsen sind und uns nicht mehr im akuten Täterumfeld befinden. Das wir in hochtoxischen Verhältnissen, wo Täter aktiven Missbrauch betreiben, nicht „einfach“ Grenzen setzen können, ist nämlich etwas ganz anderes. Nicht das nach dem Artikel wieder einer um die Ecke kommt und zu jemand raushaut: „Na da hättest ja einfach Nein sagen können“ 🤦‍♀️.

Was sind persönliche Grenzen?

Erst einmal müssen wir klären worum es hier überhaupt geht:

Unsere persönlichen Grenzen definieren uns als Individuum und eigenständige Persönlichkeit. Sie schaffen uns einen eigenen Raum in dem wir existieren können und respektieren unsere Bedürfnisse.

Wenn wir keine Grenzen setzen, sind wir der Außenwelt ausgeliefert, welche dann so wiederum an unserer eigenen Lebensenergie saugt.

  • Gesunde Grenzen setzten wir dann, wenn wir das tun und selbst entscheiden, mit dem wir uns wohl fühlen. Wenn wir an den richtigen Stellen und zur richtigen Zeit „Ja“ und „Nein“ sagen und dadurch Kraft tanken können. Wir respektieren unsere Bedürfnisse, Wünsche und Werte und handeln dementsprechend.
  • Ungesunde Grenzen setzten wir, wenn wir sie durch andere bestimmen lassen. Wenn wir Dinge tun, die wir nicht möchten, mit denen wir uns nicht wohlfühlen oder mit denen wir an Kraft verlieren. Aber auch wenn wir alles und jeden von vornherein von uns wegstoßen und ablehnen, setzen wir ungesunde Grenzen. Letztendlich sind beides Selbstschutzmaßnahmen. Entweder setzen wir keine Grenzen aus Angst davor abgelehnt (und damit keine Liebe zu erhalten) oder aus Angst verletzt zu werden. Bei beiden Varianten missachten wir allerdings das, was wir wirklich brauchen und möchten.

Warum ist es so wichtig Grenzen zu setzen?

Weil euch sonst jeder benutzt wie seinen persönlichen Besitz 🤷‍♀️. Ich würde es gerne netter ausdrücken, aber genauso fühlte es sich für mich immer an. Und das Schlimme ist, umso öfter man seine Grenzen vor anderen Personen selbst übertritt und übertreten lässt, umso mehr vermittelt man unbewusst den Eindruck, dass dies okay wäre. Menschen verlieren den Respekt und sehen einen letztendlich nicht mehr als eigenständiges Individuum an.

Die Folgen gehen aber noch viel weiter. Wenn wir ständig entgegen unserer Bedürfnisse handeln, verlieren auch wir den Respekt vor uns selbst und beginnen uns zu verachten.

Gerade im Traumakontext, wo wir über Jahre und Jahrzehnte gezwungen wurden keine Grenzen zu haben, hat sich diese Sichtweise und dieses Handeln so internalisiert, dass Grenzen zu setzen heute dem Kennenlernen einer völligen neuen Welt gleicht. Um Selbstliebe aufzubauen, uns ernst zu nehmen, selbst zu respektieren und wieder als eigenständiges Individuum ansehen zu lernen und nicht nur als Spielball oder Befriedigungsobjekt der anderen, sind Grenzen setzen lernen allerdings, finde ich, unerlässlich. Ohne kommen wir nicht auf den Weg zur Heilung. Nur durch das Kennenlernen unserer eigenen Grenzen lernen wir, dass wir eine eigenständige und wertvolle Persönlichkeit sind.

Warum übertreten andere überhaupt meine Grenzen?

Wir können von anderen nicht erwarten, dass sie unsere Grenzen kennen und achten, wenn wir sie selbst nicht wissen (und dadurch kommunizieren können). Grenzen werden nicht immer absichtlich übertreten, sondern oft passiert das, wenn der andere ein Bedürfnis hat, welches er erfüllt haben möchte/braucht. Grenzübertretungen entstehen meist durch einen Mangel. Ein Mangel den der andere hat und dadurch auf uns projiziert oder umgedreht. Und soweit ist das auch erstmal absolut okay. Man kann so ein Gefühl nicht ausschalten. Hier kommen aber wir selbst ins Spiel. Hier zeigt man selbst wie weit es okay ist und ab wann die persönliche Grenze erreicht ist. Im Idealfall führt das dazu, dass wir gegenseitig lernen Respekt voreinander zu haben und auch wieder mehr auf uns zu schauen. Das z.B nicht der andere dafür da oder zuständig ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, sondern nur man selbst. Und auch das führt wieder zu mehr Selbstliebe.

Im weniger idealen Fall, und das erlebe ich in letzter Zeit immer häufiger (aber auch nur, weil ich sie immer öfter setze), werden Grenzen allerdings nicht einfach respektiert. Es ist wichtig, dass wenn wir Grenzen setzen, diese auch bereit sind durchzuziehen. Auch dann, wenn uns Wind entgegenschlägt und wir angefeindet werden (und eben wieder keine Liebe bekommen). Ich hatte erst vor wenigen Wochen einen Freund, zu dem ich deswegen den Kontakt abbrach. Er wollte nicht respektieren, dass ich jetzt einmal Ruhe brauchte (und mir nicht zum Xten Mal, seit 5 Monaten, exakt die gleiche Story über seinen Ex-Lover anhören konnte).

Ich sagte das ich aktuell keine Kapazität dafür frei habe, da es mir nicht gut geht und ich Ruhe benötige. Wir aber sehr gerne in ein paar Tagen telefonieren und darüber sprechen könnten. Das ignorierte er und redete stumpf weiter. Als hätte ich mit einer Wand gesprochen, weshalb ich nochmal betonte, dass ich jetzt nicht könne. Es kam keine Frage danach wie es mir geht oder was los ist. Nur (wieder mal) der Vorwurf wie egoistisch ich sei. Während es ihm schlecht ginge, würde ich mich nur für mich interessieren. ➡ Sowas entsteht oft aus Abhängigkeit, die der andere zu dir aufbaut und/oder mangelnder Selbstverantwortung (z.B bei Vorwürfen). Für sowas ist aber derjenige selbst verantwortlich, nicht du!

Arten von Grenzen

Emotionale Grenzen

Bei den emotionalen Grenzen geht es darum, dass deine Gefühle und Emotionen ernst genommen werden. „Stell dich nicht so an!“ oder „Du übertreibst total!“ sind z.B typische Sätze für emotionale Grenzüberschreitungen. Eure Gefühle sind wichtig, egal wie lächerlich sie gerade auf den anderen wirken mögen. Und so dürft ihr das auch um- und durchsetzen! Jeder verdient es ernstgenommen, respektiert und wertgeschätzt zu werden. Auch ihr! Wenn jemand eure Grenzen nicht ernst nimmt, liegt das daran, dass er sie nicht schätzt und respektiert.

Das Gleiche betrifft das Thema Trigger. Werden wir von jemand anderes getriggert, passiert das oft ganz unabsichtlich. Dafür kann derjenige erstmal nichts. Er kann das ja nicht riechen. Sobald wir aber sagen das uns dies und jenes triggert, hat der andere das zu achten. Punkt. Ich erlebe leider Gottes immer wieder, dass dann darüber diskutiert werden will. Von meiner besten Freundin bekam ich auf meine Frage, warum sie etwas bestimmtes immer wieder zu mir sagen muss und auf meine Aussage wie ich mich damit fühle, letztens erst mitgeteilt: „Ich kann nichts dafür, wie du darauf reagierst (…)“ .Was soviel heißt wie: „Geht mich nichts an, ob dich das, was ich sagte, triggert. Ich hör damit nicht auf. Musst du sehen, wie du damit klarkommst.“ . Sowas nennt man Verantwortungsverlagerung.

Oder ich sage jemand anderes, dass uns ein bestimmtes Wort schnell triggern kann (ein Name von uns) und bitte darum, dass die Alternative dazu verwendet wird. Darauf bekomme ich gesagt: „Könnte schwer werden das konstant zu lassen. Aber du kannst mich ja einfach korrigieren.“ . Was soll es nützen dann immer wieder zu korrigieren, wenn das Wort bereits ausgesprochen und der Trigger damit schon längst gesetzt ist? Auch hier findet wieder eine Verantwortungsverlagerung statt. So etwas sind emotionale Grenzübertretungen! Vor allem wenn man sie vorher deutlich geäußert hat. Auch ein schlechtes Gewissen machen oder emotionale Erpressung fällt darunter. Erpressung impliziert immer das man unter Androhung einer Strafe gezwungen wird etwas zu tun, was man nicht möchte oder leisten kann.

Physische Grenzen

Bei den physischen Grenzen schützen wir unseren physischen Körper und Raum. Wenn Kinder z.B ständig dazu genötigt werden, sich von der Tante ein Bussi aufzwängen zu lassen, überschreitet man damit ihre Grenzen. Ebenso wenn ich sage, dass ich gerade keine körperliche Nähe möchte und man mir trotzdem auf die Pelle rückt. Nach dem Motto: „Wenn ich oft genug Frage oder es einfach mache, wird sie schon nachgeben„. Sorry, aber „einfach machen bis sie sich nicht mehr wehrt“ nennt man umgangssprachlich auch Vergewaltigung 🤷‍♀️. Nein heißt Nein, egal ob es eine Umarmung betrifft. Kuscheln, Sex oder auch „nur“, ob ich jemanden mit mir gemeinsam auf dem Sofa sitzen oder ihn in meiner Wohnung haben möchte oder nicht.

Intellektuelle und ethische Grenzen

Hier sprechen wir von unseren Meinungen, Gedanken und Werten. Wir schauen was uns wichtig ist. Was wir für richtig und falsch erachten. Wo unsere moralische Grenze liegt und welche Meinung wir gebildet haben, aufgrund unseres aktuellen Wissensstandes. Für seine Meinung und Werte einzutreten, ist also ebenfalls eine Form seine Grenzen abzustecken.

Gerade in Dt. sehe ich in den letzten Jahren aber eine enorme und zunehmende Grenzüberschreitung der Gesellschaft (teilweise von der Politik unterstützt). Ich hasse Kampfbegriffe wie Verschwörungstheoretiker, Schwurbler, usw. Nicht weil ich nicht finde (Betonung liegt auf „Ich finde“ !) das einiges nicht doch etwas abgedreht ist, sondern weil man Menschen mit diesen Begriffen von vornherein herabwürdigt und als unglaubwürdig darstellt. Wir nehmen uns gegenseitig überhaupt nicht mehr ernst. Jeder will es nur noch besser wissen, obwohl keiner von uns die 100%ige Wahrheit über irgendetwas kennt. Meinungen, Gefühle, Ängste und auch Erlebnisse werden so direkt abgewürgt und diskreditiert. Das sind Grenzübertretungen par excellence.

Zeitliche Grenzen

Unsere Zeit ist das wichtigste Gut im Leben unseres materiellen Körpers. Wir müssen selbst entscheiden lernen wo wir unsere Prioritäten setzen. Was uns wichtig ist und was nicht. Will ich die Überstunden wirklich machen oder nicht? Möchte ich mich wirklich zu einer Party überreden lassen, auf die ich gar keine Lust und sicher auch keinen Spaß daran habe? Oder muss ich Besuch 3 Stunden länger da sitzen lassen, weil er das will, obwohl ich müde bin? Gestern meldete sich z.B eine Freundin spontan zum Besuch an. Allerdings hatte ich den Tag schon anders verplant und zwar ganz relaxt mit auf dem Sofa hängen und zocken.

Und so sagte ich ihr das auch, dass ich mich aber mega über ihren Besuch freuen würde. Nur eben nicht an diesem Tag. Gerne halte ich mir einen anderen Tag frei, an dem auch sie Zeit hat und wir kamen dann auf heute. Sie hat es ohne Diskussion oder mir ein schlechtes Gewissen zu machen akzeptiert. Früher hätte ich eine Ausrede erfunden, dass ich irgendwo wichtiges hin muss o.ä. Aber es ist meine Grenze und mein Bedürfnis und es ist wunderschön, wenn so etwas geachtet wird. – „Willst mich wohl nicht sehen. Schon gut.“ wäre z.B emotionale Erpressung und eine Grenzüberschreitung in solch einem Moment.

Soziale Grenzen

Wir entscheiden mit wem wir wann wie Kontakt haben möchten und mit wem nicht. Auf Arbeit oder in der Gruppe muss man irgendwie miteinander auskommen. Allerdings kann man das auch auf einer rein fachlichen Ebene. Wenn ich jemanden nicht mag oder er mir nicht gut tut, muss ich nicht bestFriend mit ihm spielen. Egal ob Familie oder außenstehende Menschen. Sich aufdrängen oder den anderen nötigen (egal in welcher Form) sind eine absolute Missachtung von persönlichen Grenzen!

Wie nehme ich meine Grenzen wahr?

  • Macht euch erst einmal bewusst das ihr überhaupt ein Recht habt Nein zu sagen. Ja habt ihr! Egal welche kleine (oder große) Stimme im Inneren jetzt gerade etwas anders behauptet.
  • Auch könnt ihr anderen Menschen erst dann richtig helfen, wenn es euch selbst gut geht. Eure Grenzen sind wichtig und ihr dürft diese äußern!
  • Geht dann einmal gedanklich in Situationen zurück, in denen ihr euch unwohl gefühlt habt: Welches Gefühl war das? Wart ihr verletzt? Wütend? Oder traurig? Durch was wurde dieses Gefühl ausgelöst? Bewertet dieses Gefühl gerade gar nicht, sondern nehmt es einfach nur kurz wahr.
  • Wo habt ihr Ja gesagt, obwohl ihr eigentlich Nein gemeint habt? Oder auch umgedreht: Wo habt ihr Nein gesagt (z.B jemand weggestoßen) obwohl ihr Ja meintet (z.B eine Aussprache oder eine Umarmung gebraucht/gewollt hättet)?

Wichtig!: Es geht gerade erst einmal nur darum die eigenen Grenzen überhaupt wahrnehmen zu lernen. Solange man seine Grenzen nicht kannte, konnte man sie auch nicht einhalten. Es gibt also keinen Grund sich zu verurteilen💚. Außerdem ist es ein unglaublich langer (aber teilweise auch sehr schöner) Weg die eigenen Grenzen kennenzulernen und dann auch durchzusetzen. Das wird nicht von heute auf morgen klappen. Wir machen das mittlerweile sehr gut und konsequent und trotzdem liegt noch ein langer Weg vor uns. Ihr macht also nichts falsch! Der Weg ist lang und es wird immer wieder Rückschläge geben, aber irgendwann kommen Momente, wo man den eigenen Fortschritt spürt und diese sind unbezahlbar 😊.

Wie setze ich meine Grenzen um?

  • Fangt klein an! Das kann z.B so aussehen das ihr darauf besteht, dass ihr heute einmal den Film aussucht, wenn das z.B sonst nicht der Fall ist. Oder das ihr heute das Restaurant auswählt. Und steigert euch dann Schrittweise. So tastet ihr euch auch selbst langsam an eure Grenzen heran und überfordert euch nicht.
  • Kommuniziert sie klar und deutlich.
  • Versucht auch mal auf eure Sprache zu achten: Ich stelle z.B in letzter Zeit immer häufiger fest, das wir gerne eine sehr wage Sprache benutzen. „Oder so; vielleicht; evtl; ich würde gern (besser wäre: ich möchte das) ; …“ . Das signalisiert dem Gegenüber, dass man sich nicht sicher ist. Man begibt sich also unbewusst in eine devote Haltung, was beim Gegenüber (übrigens auch meist ganz unbewusst) den Drang auslöst, sich dominant zu verhalten (und damit die Entscheidung zu übernehmen).
  • Droht nicht nur, sondern handelt! Ich habe jahrelang den Fehler gemacht, dass ich zwar deutlich gesagt habe das ich (z.B in der Beziehung) so nicht mehr weitermachen kann, aber dabei ist es geblieben. Es kommen ja dann Versprechungen vom anderen („Ab jetzt wird alles anders!“ ) und ich wollte dem glauben und habe deshalb weiter meine Grenzen übertreten lassen (denn natürlich ändert sich nichts, wäre der echte Wille da, wäre es bereits passiert). Und indem ich immer nur gedroht habe, mich dann aber wieder aufweichen ließ, machte ich meine Drohungen nicht nur unglaubwürdig (womit der Gegenüber sie ja getrost überhören konnte und nicht ernst zu nehmen brauchte), sondern auch mir selbst signalisierte ich immer wieder, dass ich mich nicht wehren kann. Steckt euch also realistische Ziele und kündigt nur an, was ihr auch wirklich durchziehen könnt!

Tipp: Eine 2.Chance gebe ich gerne, passiert Gleiches aber wieder, wird es erfahrungsgemäß (zumindest in naher Zukunft) nicht mehr besser.

  • Seid demnach bereit für Konsequenzen! Grenzen nur zu äußern bringt nicht viel, wenn ihr keine Konsequenz bei einer Überschreitung zieht. Auch hier wieder: Am Anfang wird euch kaum einer ernst nehmen. Rechnet damit. Wozu auch? Bisher ging es für die anderen schließlich auch ohne. Und auch ihr selbst werdet euch erst beginnen ernst zu nehmen, wenn ihr die Erfahrung gemacht habt, das ihr eure Grenze erfolgreich durchsetzen konntet. Wir diskutieren mittlerweile nicht mehr lange. Wir nennen unsere Grenze, weißen bei Übertretung 1-2x daraufhin, dass das gerade zu weit geht und wenn es dann immer noch nicht aufhört, beenden wir den Kontakt. Weh tut es immer noch unglaublich, aber dafür sind wir uns zu schade geworden. Und wenn man dann erstmal merkt, dass man das kann, man auch alleine zurechtkommt und sich sehr wohl wehren kann, fängt man an seine eigene Stärke zu spüren. Ab da wird es immer leichter.
  • Rechnet mit Gegenwind! Nicht jedem schmeckt es, wenn ihr auf einmal beginnt selbstständiger zu werden. Egoismus wurde mir z.B nicht nur einmal vorgeworfen. Und ihr werdet auch viele Menschen deshalb verlieren. Aber das ist okay. Ihr wollt ja raus aus der toxischen Spirale und das heißt auch, raus aus der gegenseitigen Abhängigkeit zu kommen. Ihr seid selbst für eure Bedürfnisse zuständig, ebenso wie alle anderen Menschen für die ihren selbst zuständig sind. Es ist ihre Aufgabe sich selbst darum zu kümmern. Nicht eure! Bleibt standhaft und lasst euch nicht verunsichern! Erstmal wird es womöglich eine schwierige und einsame Zeit, aber dann ist auch endlich Platz für Menschen die euch und eure Grenzen wahrhaftig schätzen und respektieren.
  • Setzt eure Grenzen aber bitte nicht als Bestrafung ein! Bei persönlichen Grenzen geht es darum eine Grenze zwischen euch und dem Außen und umgedreht aufzuzeigen. Ihr seid ein einzelnes Individuum, genauso wie der andere. Wenn eure Grenzen nicht respektiert werden, müsst ihr für euch eine Konsequenz ziehen. Wenn ihr das wieder auf den anderen verlagert (z.B mit anschweigen, ihm etwas wegnehmen, ihm wehtun, Vorwürfe machen, sich rächen, usw.) dann verschwimmt ja wieder alles zwischen euch und dem anderen. Für eure Bedürfnisse ist niemand außer ihr selbst verantwortlich!

Übrigens: Wer die Grenzen anderer nicht respektiert, respektiert auch oft seine eigenen nicht.

Innere Landkarte erstellen

Als meine Therapeutin damit ankam hat mich das, ehrlich gesagt, total überfordert. Sie zeigte mir Bilder aus einem Buch, wie andere sowas gestalteten und wie man das machen kann und da waren so geile Dinge dabei, dass ich fast verzweifelt bin. Denn: Ich kann wirklich nicht malen! Ich hab oft so tolle Bilder in meinem Kopf, aber wenn ich dann versuche jene zu Papier zu bringen, könnte ich beim Ergebnis oft weinen.

Heute möchte ich also einmal vorstellen, was das natürlich erst einmal überhaupt ist und zum anderen eine Möglichkeit, wie man sowas auch als zeichnerisch absolut untalentierter Mensch zu Papier bringen kann…

Was ist eine innere Landkarte?

Es geht darum, die inneren Zustände zu verbildlichen. Bei „normal“ strukturierten Menschen (was für ein dämlicher Begriff 🤔, kennt jemand einen besseren?) geht es darum Gefühle, Gedanken und innere Muster aufzuzeichnen. Wenn wir so etwas bildlich vor uns sehen, können wir viel besser damit arbeiten. Da ich leider keine „innere Landkarte“ bei Pixabay o.ä gefunden habe und nur ungern einfach welche aus Google kopieren möchte, rate ich euch dazu, einfach einmal selbst die Worte „Innere Landkarte“ bei Google einzugeben. Dort findet ihr jede Menge toller Beispiele.

Eine ähnliche Art des Ausdrucks wäre da aber z.B diese Zeichnung von uns:

Dabei können einzelne Gefühle oder Gedankengänge ein ganz eigenes Bild bekommen. Angst kann z.B als großer Drache dargestellt werden, der Hintergrund bei bestimmten Themen ganz dunkel usw. Dabei ist alles erlaubt.

Eine innere Landkarte für (p)Dis-Systeme

Hier schaut das Ganze ein bisschen anders aus. Im Prinzip geht es aber um ähnliches: Die inneren Zustände greifbar auf ein Blatt Papier bringen.

Innere Anteile sollen hier wiedergegeben werden, sodass man einen groben Überblick bekommen kann. Das heißt sie sollen mit Aussehen, Charakter und Aufgabe zu Bild (oder Schrift) gebracht werden. Zum Thema Aufgabe muss ich allerdings sagen, dass ich damit nicht sehr gut arbeiten kann. Sicherlich lässt sich teilweise relativ leicht an einigen erkennen, wer eine eher deutlich schützende Aufgabe hat (gerade die sozialen Charaktere). Aber ganz ehrlich? Haben sie die nicht irgendwo alle?

Also wenn ich mir jetzt auch so die eher als Täterintrojekt erkennbaren Anteile anschaue, dann erkenne ich dahinter auch nur eine schützende Aufgabe 🤷‍♀️. Dieses unendliche ’schlecht-reden‘, dieses ,,Halt deinen Mund, sonst passiert was!“ oder auch das sexuelle, eher sehr destruktive: [Ich] finde dieses Verhalten zwar scheiße und absolut kontraproduktiv, letztendlich machen die das ja aber nicht aus Jux und Tollerei. Und auch die verletzten Anteile, die „Flucht-Anteile“ (die sich in SSV oder Selbstm*rd retten wollen) haben diese Schutzfunktion auf irgendeine Art und Weise. Ich persönlich kann daher mit diesem ganzen Aufgaben-Ding wenig anfangen. Derzeit zumindest noch. Vll ändert sich das noch…

Wie fängt man das Ganze an?

Ich persönlich fand das ein Mammut-Projekt. Kaum setze ich mich mit der Intention vor ein Stück Papier, ist GAR NICHTS mehr da. Nichts. Nada. Wenn man mit sowas beginnt, finde ich, sollte man also auch in der entsprechenden „Stimmung“ sein. Es nützt nicht viel, bei mir zumindest nicht, wenn man sich versucht unter Druck zu setzen. Irgendwann ist der Zugang nach Innen etwas gelockert und man merkt, dass es jetzt auch geht. Dann und wahrscheinlich nur dann, sollte man sich auch dran setzen.

Die erste innere Landkarte erstellte ich letztes Jahr, ohne eigentlich genau zu wissen, dass es überhaupt eine ist. Ich schrieb einfach nur meine inneren, unterschiedlichen Gedankengänge nieder. Die verschiedenen Parteien, so wie ich sie im Kopf wahrnehme. Dabei ging es absolut nicht um ‚handfeste‘ Anteile o.ä., sondern nur um das was einfach im Kopf so los ist. Da ich sowieso unglaublich im Leugnen gefangen bin und meist sofort dicht mache, sofern es um dieses Thema geht, half mir das auch sehr.

Keine Ahnung ob man meine furchtbare Schrift überhaupt lesen kann 🙈, aber so in etwa sah das dann aus. Mich in der Mitte, so wie ich mich wahrnehme und alles was drum herum an Einflüssen innerlich kommt. Dabei habe ich versucht, farblich zu kennzeichnen, was ich (welche Gedanken und Impulse) als zu mir gehörig empfinde und welche ich eher als intrusiv und „fremd“ empfinde. Welche also Ich, ein eigenständiger Anteil und welche „nur“ ein Zustand/Ego-State sein könnten.

Mein Problem

Der 2. Versuch sollte dann, nach Aufgabe meiner Therapeutin, die inneren Anteile eeeetwas konkreter darstellen😅 . Ich persönlich empfinde das in mir teilweise aber meist mehr als riesengroßen, zusammengeklebten Klumpen, weshalb ich diese Aufgabe wohl so schwierig fand/finde.

Manchmal bin ich fast etwas neidisch auf andere, wenn ich das anschaue, wie sie „so schnell“ (man beachte aber, dass das auch nur das Bild ist, was wir nach Außen hin zu sehen bekommen), so viele in sich deutlicher ausmachen können/konnten. Ich merke zwar, wenn jemand anderes das Steuer über mein Verhalten, Handlungen oder Aussagen übernimmt (manchmal zumindest) aber ich kann dabei selten ausmachen, wer (und wie viele) das nun ist. Stimmen in mir nehme ich zudem nicht akustisch wahr oder zumindest nur extrem selten, sodass ich auch niemand anhand der Stimme auseinanderhalten kann. Das geht eigentlich nur am Gefühl, aber wenn ich denjenigen noch nicht kenne (was auf die meisten zutrifft) klappt das logischerweise auch nicht wirklich.

Wie bin ich es trotzdem angegangen?

Mein größtes Problem: Nichts falsch machen! Nachher wird vll noch jemand mit falschen Namen dargestellt, falschen Aussehen usw. – KATASTROPHE! … Ja, für mich jedenfalls. Alles was falsch dargestellt wird, wird von mir (?) sofort als: ,,Siehste, also lügst du doch!“ abgestempelt. Meine Thera. meinte, dass sich die entsprechende Person schon zu Wort melden wird, wenn ich da was falsch in der Beschreibung mache. Und so habe ich das dann auch versucht anzugehen.

Beim erstellen dieser Landkarte sagte ich mir immer wieder auf: ,,Du machst das jetzt einfach, wie du es wahrnimmst. Wenn du jemand falsch darstellst, hat derjenige die Möglichkeit sich zu melden. Und wenn er das nicht tut: Sein Pech. Und wenn in Wirklichkeit niemand von allen existiert, weil du dir das alles einbildest, dann sind das eben deine imaginären Freunde. Diese Sachen existieren ja trotzdem in deinem Kopf. Bescheuert bist du so oder so. Entweder eben also auf die eine oder halt auf die andere Art.“ – Der innere Drang nach Perfektion, die Angst zu lügen und die Angst sich alles einzubilden bleibt natürlich trotzdem bestehen. Aber so ein Mantra ist ja immerhin besser als nichts, oder?

So sah es dann aus

Ich kann nicht alles zeigen, sorry 🙈.

Ich nahm ein A4 Blatt (obwohl das echt eng wurde, nächstes mal probiere ich es mit A3 😅) und packte wieder „mich“ in die Mitte. Mein „Ich“ gibt es nicht nur einmal. Was ich deutlich wahrnehme, ist das „Ich“ von vor ein paar Jahren (das noch existiert) und mich heute, auch mit Alter und Aussehen. Zumindest grob in der Gesichtsform u.ä.

Von da ab positionierte ich die einzelnen Anteile. Einzelne nehme ich deutlich wahr, auch wo sie sitzen. Ich „höre“ ihre Stimmen auch aus dieser Richtung (im Kopf) kommend und empfinde sie, mehr oder weniger, auch als dort zugehörig (kennt dieses Phänomen eigentlich irgendjemand sonst noch?) . Aber wie gesagt, dass ist nur mein erster Eindruck. Ändern kann sich da noch viel.

Ich habe dann entweder Bilder selbst erstellt oder per Google ausgedruckt, ausgeschnitten und wieder Kreisförmig um die Mitte herum geklebt. In der Mitte befinden sich auch 2 leere Stühle, die eigentlich darstellen sollen, dass meistens mehrere gleichzeitig da sind.

Anteile beschreiben: Bei klarer Wahrnehmung

Anteile, die ich relativ klar „vor Augen“ habe, habe ich über „Sims 3“ erstellt (es gibt aber auch andere Avatar-Erstellungsprogramme, auch kostenlose). Das ist eine super Sache, da man dort Persönchen erstellen und ihnen eine spezielle Kleidung, Gesichtsformen oder auch Haare verpassen kann. Einige hatten z.B auch bestimmte Wünsche, wie die Kleidung auszusehen hatte (gibt mal „B.“ nicht ihre Lederjacke, MIT Nieten 🤦‍♀️) und was sonst wichtig war.

2 darf ich da vorstellen:

  • Die junge brünette Dame da, ist etwas älter als ich und nur sehr wenig älter als der Körper (derzeit). Sie spielt im sozialen eine große Rolle. Ist viel entspannter, redseliger. Sie kann sich viel leichter um nervige Angelegenheiten oder Termine kümmern, ist aber auch die, die manchmal echt bekloppte Ideen hat. Ich würde sie also leider nicht in allen Dingen unbedingt als extrem verantwortungsbewusst einstufen, auch wenn sie sich Mühe gibt (🙈) und sonst echt eine wahre Bereicherung ist.
  • Die andere ist die ältere Dame. Für sie habe ich keinen Namen und nenne sie daher momentan einfach nur „Mutti“, da sie das verkörpert, wie man sich eine Mutter eigentlich vorstellt. Sie ist es, die mich (innerlich) in den Arm nahm (lange bevor ich wusste, dass da mehr sind), wenn es mir sehr schlecht ging. Für mich war das immer eine Art imaginative Freundin, die halt nur auch dann handelte, wenn ich es eben, naja, nicht bewusst imaginierte. Ob sie nach Außen hin auch handelt, weiß ich nicht. Ich spüre sie bisher nur im Inneren stark. Sie achtet auf vieles und lässt nicht alles, von anderen (das innerlich so kommt) durchgehen. Hat also auch einen sehr überwachenden Charakter und kann durchaus auch einmal streng durchgreifen.

Mit Namen habe ich übrigens keine angegeben, da es das letzte mal (als ich meiner Thera. einen Namen sagte) von Innen ziemlich stunk gab. Wo ich es wusste (oder denke zu wissen) habe ich teils nur den Anfangsbuchstaben hingeschrieben. Auch Alter ließ ich weg, da ich mir beim Erstellen (was ja nun auch wieder ein bisschen her ist) noch nicht wirklich sicher war. Zu jedem gab’s eigentlich nur eine ganz kurze Charakter Beschreibung.

Anteile beschreiben: Bei unklarer Wahrnehmung

Andere, die ich lediglich als Gefühl und/oder Stimmen wahrnehme (also wo Aussehen, Namen, etc. fehlt), habe ich anders dargestellt. Z.B gibt es die SSV-Anteile (wichtig finde ich dabei aber noch zu sagen, dass nicht alles von denen kommt – ich bin zu solchen Gedanken und Handlungen durchaus auch selbst fähig), die ich in eine Ecke gepackt und mit der gleichen Farbe markiert habe. Das Gleiche machte ich dann mit den kindlichen (wo völlig unklar ist wie viele und wer wer ist) usw.

Da ich also keine Ahnung habe/hatte, wie viele (oder wenige) wirklich hinter solch einem Gefühl, einer Handlung oder einer „Stimme“ stecken, gab es deshalb jeweils nur ein Symbolbild, das deren „Thema“ widerspiegelt.

Dafür suchte ich bei Google nach geeigneten Fotos, Skizzen, etc. Für SSV z.B ein Bild einer Person die sich ritzt und einen Koffer (=Flucht-Gedanke). Bei einem eher se*uell gewaltvollen Anteil suchte ich ein Bild raus, wo eine Frau verprügelt wird. Die „Null-Bock“ Abteilung wiederum bekam ein Bild eines genervten Teenagers. Also alles was sie im Sinnbild passend darstellt.

Und was ich demnach ähnlich zusammengehörig empfand, bekam auch eine Farbe. Die kindlichen z.B gelb, usw. Sodass einfach eine grobe Übersicht entsteht. Und wie viele dann wirklich jeweils hinter diesen Symbolbildern stecken, wird sich (hoffentlich) irgendwann mit der Zeit zeigen.

Letztendlich…

Reicht sowas! Ihr müsst nicht sofort alles detailliert beschreiben können oder auch erzählen, selbst wenn ihr es dann wisst! Das war dann zumindest irgendwann meine Erkenntnis und die war mega beruhigend.

Außerdem sind das auf der letzten Landkarte übrigens auch nicht alle gewesen. Die, die ich überhaupt nicht zuordnen konnte (wozu z.B nur ein inneres Bild aber sonst nichts existiert) oder wozu ich zu wenig Informationen/Zugang hatte, habe ich weggelassen. Ich wollte kein wildes Kunstwerk erstellen, wo letztendlich womöglich die Hälfte falsch ist (irgendwas falsches triggert nur die Zweifel wieder extrem an). Mir wars lieber später besser einige nachzutragen, als am Ende 10 wieder streichen zu müssen oder so.

Mittlerweile könnten wir übrigens die Landkarte auch wieder etwas erweitern. Allerdings schlauchte das bisher ganz schön und war immer wieder mit erneuten, automatischen (und echt anstrengenden) Verleugnen danach verbunden, weshalb wir uns jetzt erstmal versuchen mehr auf die Kommunikation zu konzentrieren, als darauf alle konkret wahrnehmen/darstellen zu wollen (also mehr auf das zu reagieren was gerade kommt, statt von wem genau). Das ständige was ist was und wer ist wer bringt hier ziemlich viel Unruhe rein und seit ich es momentan etwas ruhiger angehen lasse, klappt es zumindest in kleinen Teilen mit der Kommunikation und der Akzeptanz besser. (Vorerst zumindest – Wie war das, wenn man sowas sagt? 3x auf Holz klopfen oder so?😅)