Vor kurzem schaute ich ein paar Kurzreportagen über das ,,Frankfurter Bahnhofviertel“. Dort wurden Interviews mit verschiedenen Drogenabhängigen, die dort auf der Straße leben, geführt und auch einige Streetworker kamen zu Wort.
Boar und da sind krasse Geschichten dabei, aber auch Geschichten von Menschen, die die Drogen einfach nur mal ausprobieren wollten und dann quasi, mehr oder weniger, einfach dort hängen blieben.
Dabei musste ich an meine Erfahrungen denken und an die Menschen denen ich so begegnet bin, wie das alles anfängt und wo der Strudel einen hineinzieht. Natürlich lebte ich nicht auf der Straße und auch sonst war die Szene, in der ich mich befand, noch ein ganzes Stück von den Geschichten um das ,,Frankfurter Bahnhofsviertel“ entfernt. Trotzdem glaube ich, fange ich jetzt erst an zu realisieren WO ich mich da damals wirklich befand.
Die ersten Versuche
Ähm, also meine ersten Erfahrungen machte ich mit dem Kiffen … boar🤔…da war ich glaube 18, oder so. Meine damalige beste Freundin rauchte seeehr viel davon und irgendwann hab ich´s auch mal probiert. Generell muss ich sagen war Cannabis aber nie meine Droge. Es gab schon mal witzige Momente, wenn man dann einen Lachflash bekommt und Unmengen von Schokolade in sich hineinstopfen will 😅. Dennoch kann ich mir an diesem beduselten, zugedröhnten Gefühl bis heute nicht viel abgewinnen.
Sie nahm auch chemische Drogen, was ich damals jedoch ganz schrecklich fand und davon auch stark Abstand nahm. Erst Jahre später, als ich mit meinem Ex-Freund zusammenkam, änderte sich das. Er konsumierte hin und wieder mal etwas, worauf ich irgendwie schwer klar kam.
Irgendwann, als er nicht da war, suchte ich aber und fand etwas von seinem Speed. Ich zog eine Nase davon und fand das Gefühl super. Wach, konzentriert, ich bekam einen totalen Laberflash. Kurz: Ich mochte das Gefühl einfach.
Warum tat ich das, obwohl ich doch eigentlich so dagegen war?
Hmm, ich glaube die Neugierde trieb mich doch irgendwann um und letztendlich habe ich es gemacht, weil ich mich ausgeschlossen fühlte. Nichts was man sich gerne eingesteht.
Allerdings blieb es erst einmal nur beim ,,probieren“.
Wie fing das Alles richtig an?
Erst später, nach der Trennung und nachdem mein Kind nicht mehr bei mir war, fing ich an mich mit diesem Thema richtig auseinander zu setzen.
…Das hört sich so süß an, sich ,,damit auseinandersetzen“…
Soll ich´s ehrlich sagen?
Ich war psychisch ein absolutes Wrack und stopfte so gut wie alles in mich rein. Hauptsache ich musste nichts mehr fühlen.
Über meinen Ex kannte ich damals natürlich auch ein paar Leute, die damit etwas am Hut hatten. Erst zog ich aus dieser Stadt weg, landete aber nach wenigen Monaten dann doch wieder dort, nachdem ich nach der Trennung erst in die alte Heimat zurückzog und dann von dort wieder verschwand.
Naja, jedenfalls würde ich den Großteil der Freunde meines Ex als noch relativ ,,normale“ Leute beschreiben. Die gingen arbeiten und konsumierten hin und wieder auf einer Party mal etwas. Die sogenannten Partydrogen: Ecstasy, Speed, Cannabis und manche auch mal Sachen wie LSD.
Über einen, mit dem ich damals noch Kontakt hatte und der schon eher in die Kategorie: ,,Ich hab ein Problem, aber ich wills mir nicht eingestehen“ fällt, habe ich dann andere Leute kennengelernt.
Und wie das dann so ist….
Man bewegt sich ja nicht immer in den gleichen Kreisen, sondern der Eine bringt den Anderen zu Besuch mit. Und der Andere ist von seinem Abgefucktlevel vll schon 2 Stufen ,,weiter unten“ als du. Dadurch lernst du wieder neue Leute kennen und schon hast du innerhalb weniger Monate einen Bekanntenkreis der nicht hin und wieder nur mal kifft, sondern der sich Ketamin reinpfeift.
Kennt ihr Ketamin*? Das ist ein Pferdebetäubungsmittel, Alter😂.
,,Die Scheiße ist noch nicht genug am dampfen? Komm ballern wir uns einfach ein Pferdebetäubungsmittel rein!“
Hab ich auch mal probiert. Probiert hab ich ganz viel. Nur solche Sachen wie Crack und Heroin waren noch außerhalb meines Dunstkreises.
*Ketamin wird übrigens auch sehr gerne als Vergewaltigungsdroge benutzt – Das „tolle“ dabei ist, dass Opfer bekommt einen Teil noch sehr verschwommen mit, kann aber aufgrund seiner unscharfen Wahrnehmung nicht genau zuordnen, was da gerade passiert. Zudem ist die Suggestibilität erhöht. Manche dieser Freaks lieben es die Mädls (oder Jungs) nicht nur zu missbrauchen, sondern ihnen auch noch „Filme“ einzubauen
Meine ,,Hauptdroge“ blieb jedoch Speed. Du musst einfach nicht schlafen – Ahh nicht schlafen müssen, ist manchmal wirklich sooo schön. Außerdem mag ich die Nacht. Die Dunkelheit. Da bin ich für mich, ich hab meine Ruhe vor der Welt und alle Probleme stehen erstmal still.
Zum Aufstehen und funktionieren habe ich es trotzdem nie gebraucht. Wenn ich was genommen habe, wollte ich tagelang wach sein und nicht ,,funktionieren“. Mir ist das sowieso ein Rätsel wie man so eine Droge zum funktionieren brauchen kann 😅. Ich glaube auf mich wirkt sowas aber auch anders, als bei anderen scheinbar.
Ich war geistig aktiv, aber körperlich konnte ich mich selten einen Schritt bewegen. Aber ich fand es Klasse, dass ich so konzentriert war. Das ich meine Gefühle mit einem gewissen Abstand betrachten konnte (die waren einfach neutral) und vor allem machte sich in dieser Zeit mein mieser Selbstwert mal nicht bemerkbar.
Ich denke, das ist die eine Seite, die mir in der Drogenaufklärung oft fehlt. Es wird immer viel Angst gemacht, aber es hat ja einen Grund warum Menschen mit sowas anfangen.
Klar haben wir da das Ding mit dem ,Problemen unterdrücken‘ usw., aber mal ganz ehrlich würde sich keiner (oder die wenigsten) solches Zeug reinpfeifen, wenn es nicht irgendwo auch noch andere positive Komponenten geben würde. Natürlich machen Drogen Spaß. Keiner nimmt diese Sachen, weil sie so besonders gut schmecken…
Aber was ist die Kehrseite?
Drogen sind das, wie man den Teufel beschreibt: Der Verführer, der dir die schönsten Dinge verspricht, aber dich am Ende in der Hölle schmoren lässt.
Sorry an jeden der sich jetzt denkt: ,,Wie kann sie sowas spießiges nur behaupten?!“ und ich verteufle Drogen ja auch gar nicht per se. Ich halte niemand der 1x in der Woche kifft oder 3x im Jahr etwas zieht für einen Süchtigen, der sein Leben in den Sand gesetzt hat. Das ist Käse.
Ich denke aber, dass man selbst kaum merkt wie es immer tiefer geht. Du fängst selten direkt mit der Heroinspritze im Bahnhofsklo an. Gibt es auch. Natürlich. Aber die meisten starten auf der Party oder bei Freunden, nur hin und wieder mal und irgendwo siehst du diesen Strudel gar nicht.
Und so aktiv oder glücklich du vll auf der Droge auch bist: Die Droge zaubert diese Gefühle ja nicht aus dem Nichts herbei, sondern nimmt sie aus deinem körpereigenen Speicher. Sobald die Wirkung nachlässt, ist nichts mehr mit aktiv oder glücklich sein. 3 Tage wach und dann schläfst du auch erstmal 24h, aber danach bist du auch nicht fit und ausgeruht. Die Erschöpfung bleibt.
Als ich damals dann von da weg bin und nichts mehr nahm, dauerte das bestimmt mindestens ein halbes Jahr bis diese Dauererschöpfung nachließ und das obwohl ich nicht mal dauerhaft konsumierte. Soviel dann auch zu dem Thema, warum manche die Nase zum ,,funktionieren“ brauchen, denn schon brauchst du durch diese Erschöpfung mehr und mehr und mehr.
Und ich hatte damals in meinem Bekanntenkreis auch Mädchen, die sich für die Drogen prostituiert haben. Nicht am Straßenstrich, wie beim ,,Frankfurter Bahnhofviertel“, aber privat. Ich fand das damalas zwar schräg, aber so richtig realisiert habe ich das nicht. P-r-o-s-t-i-t-u-i-e-r-t für D-r-o-g-e-n. Alter, das kommt jetzt erst in meinem Kopf an!
Da war ich. Unter diesen Leuten. Ja ehrlich, ich schnalls jetzt erst. 4 Jahre später.
Und ich glaube, nein ich bin sogar ziemlich fest davon überzeugt, dass denen der ernst der Lage damals auch nicht wirklich bewusst war.
Falsche Freunde…
Die Menschen dort verlieren ihre Seele nach und nach. Ich kanns einfach nicht schön reden oder anders beschreiben. Ich meine, überleg mal was man sich da reinpfeift. Was in den Drogen alles drin ist. Kokain mit Rattengift und dann wundert man sich, warum die alle so aussehen und nicht mehr klar kommen…
Wenn ich überlege wie wir damals beklaut wurden. WELCHE Szenen sich da abspielten (vll erzähle ich das irgendwann mal separat, ich sagte damals aber immer wir sollten eine Kamera aufhängen und das mal filmen – sowas glaubt dir kein normaler Mensch).
Vergewaltigungen, Raub, Einbruch…Da war ich, Mann. Mittendrin. Und wie immer hab ich es geschafft, da zu stehen und meine momentane Umgebung für völlig normal zu halten 🤦♀️.
Viele Leute waren dort auch schon Obdachlos. Keiner schlief wirklich auf der Straße, aber viele wanderten von Sofa zu Sofa. Man nennt diese Leute auch ,,Sofahopper“, wer schon mal davon gehört hat. Und im Endeffekt hätten dort die meisten ihre Mutter wohl für 5g Gras verkauft, aber alle waren natürlich immer deine besten Freunde, wenn du sie gefragt hast 😂
Wie kam ich raus?
Keinen Plan, wie immer 😂
Ich zog weg und irgendwo wollte ich auch nicht mehr. Ich hielt diese Menschen und diesen Lebensabschnitt nicht mehr aus. Ob ich das bewusst wahrnahm damals, weiß ich aber wirklich nicht.
Mir war aber schon klar, dass ja nichts besser wurde, sondern nur schlimmer als zuvor. Also bevor ich mit meiner Vedrängunsodyssee anfing. Aber warum ich mir letztendlich nicht hier das gleiche Klientel gesucht habe (wie es ja meist so ist), weiß ich nicht.
Mittlerweile bekomme ich aber Panikzustände wenn ich mich an diese Zeit zurück erinnere, vll ist es das was mich so stark davon abhält. Dieses dahinvegetieren habe ich nicht mehr ausgehalten. Diese Falschheit und vor allem diese permanente Unsicherheit. Im Endeffekt lauerte da ja wieder überall und hinter jeder Ecke nur Gefahr. Die Menschen und ihre Reaktionen waren ja nie einzuschätzen.
Witzig irgendwie, wenn ich das so schreibe fällt mir was auf 🤔: Eigentlich war das genau die Situation, die ich vorher immer hatte. Ich hatte das erste Mal in meinem Leben, nach der Trennung und dem Umzug, eigentlich keinen Narzissten, Psycho o.ä mehr in meinem Leben und hab mir trotzdem direkt erstmal wieder eine Umgebung gesucht, wo ich weiter all diese Unsicherheit geboten bekam🤦♀️.
Aber was genau passiert ist weiß ich nicht. Ab und zu gibt es in meinem Hirn eine Art Kurzschluss und dann muss was anders gemacht werden. Mit dem Alkohol ging es mir kurze Zeit darauf ähnlich. Damit war von heute auf morgen Schluss, aber auch da: Keine Ahnung warum genau. Ich würde so gerne Tipps geben wollen, wie ich das geschafft habe, aber diesbezüglich ist da einfach nur gähnende Leere 😒.
Einen Entzug musste ich jedoch nie machen. Gott sei Dank hatte ich mit Entzugssymptomen weder beim Alkohol, noch bei den anderen Sachen Probleme. Ich denke diesbezüglich hatte ich wohl so einige Schutzengel…