Unterschied: Schuld und Verantwortung

(In den nächsten Wochen mache ich ein Update zum Sommer, derzeit mache ich hier aber mit den Beiträgen erstmal ganz normal weiter)

Heute möchte ich den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung näher beleuchten …

Dabei versuche ich zwar auf allgemeine Definitionen einzugehen, letztendlich wird dies aber ein Beitrag über meine eigene Definition dieses Themas. Ich glaube, so unterschiedlich wie die Menschen und ihre Wahrnehmung (geprägt durch eigene Erlebnisse, Denkmuster und Kulturverstrickungen) sind, so unterschiedlich dürfte also auch die jeweilige Definition dessen ausfallen. Ihr seid daher herzlich eingeladen eure eigene Form der Wahrnehmung dessen mitzuteilen. Ich persönlich glaube, ein richtig oder falsch gibt es dahingehend nicht wirklich.

Was ist Schuld?

,,Heute herrschend ist der von Reinhard Frank begründete normative Schuldbegriff, wonach Schuld die persönliche Vorwerfbarkeit vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens bedeutet. Der Verhaltensvorwurf beruht auf dem Gedanken der Willensfreiheit. Vorwerfbarkeit des Verhaltens setzt voraus, dass der Täter sich anders hätte entscheiden können. Nach der Theorie des Determinismus, welche bei rückschauender Betrachtung das Handeln des Menschen in anlage- und umweltbedingten Bestimmungskräften begründet sieht, ist in Ermangelung der Fähigkeit des Menschen, sich frei zwischen Recht und Unrecht zu entscheiden, dem Schuldprinzip der Boden entzogen. Die Verantwortlichkeit des einsichtsfähigen und gesunden Menschen wird dadurch aber nicht berührt. (…) Der psychologische Schuldbegriff betrachtet Schuld als die Beziehung des Täters zu seiner Handlung anhand der Gesichtspunkte Kenntnis/Unkenntnis (kognitive Elemente) und Wollen/Nichtwollen (voluntative Elemente).“

Wikipedia – Schuld (Strafrecht)

Handelt ein Mensch also bewusst oder unbewusst (bzw. vorsätzlich oder nicht) destruktiv gegen seine Umwelt, ist ihm eine bestimmte Schuld zulasten zu legen. Im Strafrecht ist es oft so, lässt sich z.B eine Geisteskrankheit beim Täter feststellen, wird dieser (je nach Umstand) für Schuldunfähig erklärt. Ihm konnte (aufgrund der Krankheit) sein Handeln und mögliche Konsequenzen nicht bewusst sein. Heißt umgekehrt, dass jeder der in Vollbesitz seines Verstandes ist, für schuldfähig erklärt wird, auch wenn ihm die Folgen bei Handlungsausführung nicht vollkommen bewusst bzw. beabsichtigt waren (z.B ein Autorennen in der Innenstadt fahren).

Schuld(gefühle) im allgemein sozialen Leben

Im sozialen Gefüge (abseits des Strafrechts) hat Schuld einen ganz ähnlichen Charakter. Geschieht etwas, mit dem mindestens eine beteiligte Partei unzufrieden ist (/in irgendeiner Form geschädigt wurde) wird versucht zu schauen, wer oder was diese Situation verursacht hat.

In einem gut funktionierenden Rechtssystem gibt es einen Missstand. Ein Vorwurf entsteht, der mittels Beweisen zu bekräftigen versucht wird. Sprechen die Beweise für oder gegen den Angeklagten, entsteht daraus ein Schuld- oder Freispruch. Im sozialen Gefüge gestaltet sich das etwas anders. Zwar wird ebenfalls ein Grund gefunden, woraus sich ein Vorwurf gestaltet. Die Beweislegung erfolgt allerdings meist sehr subjektiv.

Ich möchte hier das Bsp. nehmen, welches viele Opfer se*ualisierter o.Ä. Gewalt kennen: Der Täter entschuldigt seine destruktiven Taten oftmals damit, das er „nicht anders konnte“ . Das Opfer trug zu knappe Kleidung und reizte ihn (den Täter) damit. Oder der Täter schlug nur zu, weil das Opfer der Gewalttat ihn verbal zu sehr provozierte, usw. Völlig egal wie sich das Opfer verhielt, die Handlung hat jedoch der Täter begangen. Die Schuld wird aber dem Opfer zugeschoben. Täter-Opfer-Umkehr = Der Täter ist quasi nur das Opfer des eigentlichen Opfers, welches hier als Täter dargestellt wird. Dem Opfer werden so Schuldgefühle gemacht bzw. entwickeln sich bei diesem.

Meine persönliche Definition von Schuld

Wie im oberen Beispiel nimmt sich der Täter aus der Verantwortung und macht sich selbst zum Opfer (egal ob er selbst daran glaubt oder es nur für andere so darstellt).

Ein weniger dramatisches Beispiel ist ein Streit mit z.B dem Partner. Wenn 2 Menschen aneinander geraten, sind auch immer 2 Menschen involviert. Wenn Person A sagt: „Ich habe dich nur beleidigt, weil du mich hintergangen hast“ und Person B sagt: „Ich habe dich nur hintergangen, weil du mir keine Beachtung mehr schenkst“ haben zwar beide aus ihrer Perspektive recht, nehmen sich aber trotzdem beide aus der Verantwortung: „Ich habe nur gemacht was ich gemacht habe, weil DU…

Für das eigene Handeln, Denken, etc. wird also der andere verantwortlich gemacht. Ich nehme meinen Teil (die Handlung, also das was im Außen ankommt) und schiebe ihn von mir. Entweder entlade ich alles auf die gesamte Umwelt oder nur den anderen bzw. ein Individuum. Wenn ich aber den Teil der Verantwortung des Anderen zugeschoben bekomme, kann ich daran nichts verändern. Ich kann mir meiner eigenen Verantwortung bewusst werden und daran etwas verändern. Nicht jedoch an dem, was jemand anderen betrifft.

Die Schuldfrage bzw. -zuschiebung ist also etwas, was in die Handlungsunfähigkeit und damit Stagnation führt. Auf beiden Seiten. Sie kann etwas sehr erdrückendes, ohnmächtiges mit sich bringen.

Praktisches Bsp.

Um zu verdeutlichen was ich meine, nehme ich mal ein aktuelles Beispiel:

Die Missstände auf der Welt sind mittlerweile ja kaum noch zu übersehen. Es ist egal ob wir von Kriegen sprechen, Kapitalismus, Umweltzerstörung, Hungersnöten, usw. Bleiben wir einmal bei Deutschland, dann spüren wir, wie die Bevölkerung in immer kleinere Teile gespalten wird. Und jede Partei hat sich einen anderen Schuldigen auserkoren: Allen voran der Staat. Oder eine Elite, Konzerne, etc. Nicht das das grundlegend falsch wäre. Es gibt unheimlich viel Korruption, Propaganda und Lügen. Egoismus sorgt für die Zunahme von Rohstoffen, und demnach Machtmitteln, in der Hand weniger (Großkonzerne, etc.). Der springende Punkt dabei ist aber, dass all das nicht aus dem Nichts entstand. Wir selbst, jeder Einzelne von uns, trägt das System und den Zustand der heutigen Welt.

Der Gedanke, der Staat (bzw. Staaten) sei Schuld. Oder eine weltumspannende Elite, etc. und wenn die endlich etwas ändern oder gestürzt werden, können wir alle wieder glücklich sein, ist zwar naheliegend, würde in der Praxis aber nicht funktionieren. Wir sind keine handlungsunfähigen Kinder mehr, daher hat auch kein Staat o.Ä. die alleinige Verantwortung für das Heute, in dem wir leben. All das was wir verantwortlich machen, ist nur ein Symptom. Erst wenn wir unseren eigenen Anteil erkennen, das was wir im einzelnen tun und verändern können, wird sich langfristig kollektiv etwas ändern.

Was ist Verantwortung?

,,Verantwortung ist vorrangig die Fähigkeit, das eigene Können und die möglichen Folgen von Entscheidungen einzuschätzen und so zu handeln, dass die erwarteten Ziele mit größter Wahrscheinlichkeit erreicht werden.

Häufig ist damit das Bewusstsein verbunden, im Falle des Scheiterns Schuld und Scham zu tragen.

In diesem Zusammenhang kann aus der Verantwortung die freiwillige (verantwortungsbewusste) oder (bei Unwissenheit oder Fremdbestimmung) unfreiwillige Übernahme einer Verpflichtung hervorgehen, für die möglichen Folgen einer Handlung oder einer getroffenen Entscheidung einzustehen und gegebenenfalls dafür Rechenschaft abzulegen oder Strafen zu akzeptieren. Verantwortungsgefühl setzt ein Gewissen, die Kenntnis der Wertvorstellungen sowie der rechtlichen Vorschriften und sozialen Normen voraus.“

Wikipedia – Verantwortung

Persönliche Definition von Verantwortung

Wenn wir in die Verantwortung gehen, kommen wir aus der Schuldfrage heraus. Wenn wir, wie in der Schuldfrage, jemand oder etwas anderes für unser Denken, Handeln und Fühlen verantwortlich machen (oder gegenteilig, selbst alle Schuld übernehmen und den Gegenüber damit aus seiner Verantwortung nehmen), begeben wir uns selbst in die Rolle des handlungsunfähigen Statisten. Ich versuche das anhand dieses Beispiels zu erklären:

Bsp.: Wie im oberen Beispiel eines Streits mit bspw. dem Partner, ist und bleibt jeder für seine eigenen Handlungen verantwortlich. Eins bedingt nicht selten das andere, aber was ich tue, ist und bleibt in meiner Verantwortung. Nehmen wir eine Streitsituation wie sie oftmals in missbrauchenden Beziehungskonstellationen anzutreffen ist. Durch Gaslighting, Schuldumkehr und weitere emotionale Gewalt kommt es nicht selten vor, dass der missbrauchte Partner emotionaler (gar „hysterisch“) reagiert, als er es jemals sonst getan hätte oder tun würde (außerhalb dieser Situation). Der missbrauchende Part treibt den Partner soweit, sich wie ein in die Ecke gedrängtes Tier zu verhalten. Weil er wortwörtlich auch dahin gedrängt wird.

Die Verantwortung für das missbrauchende Verhalten liegt hier zu 100% beim Ausübenden. Und wenn wir uns so unreflektiert destruktiv verhalten, liegt zudem durchaus auch eine Verantwortung für das bei uns, wie sich uns gegenüber verhalten wird. Das lässt sich also nicht ganz so schwarz-weiß sehen, als jeder ist nur für sich selbst verantwortlich.

Im Falle des (in diesem Fall) missbrauchten Partners, liegt seine Verantwortung darin, die Situation und sich selbst bewusst wahrzunehmen. Rechtfertige ich die Situation („sich schön reden“)? Lege ich die Veränderung in die Hände des Partners oder in meine eigenen? Wie gehe ich in Zukunft mit den Verletzungen um? Gebe ich dem Täter die Kontrolle über meine Heilung oder übernehme ich hierfür selbst die Verantwortung?

Unterschied Schuld – Verantwortung

In der Definition ist es manchmal ein schmaler Grad. Wenn es z.B heißt, Opfer missbräuchlicher Beziehungsmuster haben ihren Anteil daran, geht das oftmals schnell in die Richtung: ,,Na du hättest ja einfach gehen können“ – ,,Ich hätte das nicht solange mitgemacht“ , usw. Außeracht werden dabei aber völlig verschiedene psychologische Vorgänge gelassen. Eins davon ist z.B das Traumabonding, welches zum Täter aufgebaut wird. Das „Zuckerbrot und Peitsche“ (Zuneigung und Ablehnung/Strafe) Spiel löst z.B nachweislich im Gehirn ähnlich suchterzeugende Vorgänge wie Drogenkonsum aus. Hier geht es also nicht um eine bewusste Freiwilligkeit. Mit oben genannten Sätzen wird diese aber suggeriert, was wiederum Schuldgefühle auslöst.

Wenn wir in die Selbstverantwortung gehen, ist daher viel mehr gemeint zu verstehen, warum man selbst überhaupt erst (anhand dieses Beispiels) in so eine Beziehungskonstellation geraten ist. Was einen darin verharren lässt (ohne Wertung). Was man selbst will, was nicht und wie man dies erreichen kann.

Wir sind soziale Wesen und werden ständig von unserer Umwelt beeinflusst. Das ist höchstwahrscheinlich unumgänglich. Die Frage ist aber, wo bin ich in alle dem? Was macht mich aus? Was fühle ich und was möchte ich? Wo sind meine Grenzen? Und was kann ICH verändern? Was liegt in meiner Macht?

Ein sehr gutes Beispiel ist das sexuell, emotional oder körperlich tätliche Verhalten von Selbsttraumatisierten. Opfer, welche selbst Traumatisierungen erlitten und im späteren Leben zu Tätern werden, kommen durchaus nicht selten vor. Auch Formen der Antisozialen-Persönlichkeitsstörung (und in ihrer ausgeprägtesten Form die „Psychopathie“) lassen sich oftmals (aber nicht immer!) auf frühe, schwere Traumatisierungen zurückführen. Ebenso sieht man auch die narzisstische Persönlichkeitsstörung in nicht wenigen Fällen als Folge eines Schock- oder komplex Traumas an.

Für die Traumata und demnach die Ursache der Erkrankung ist der Betroffene nicht verantwortlich. Jedoch dafür, wie er damit umgeht. Wenn ich mich (aktiv) dazu entscheide, jemand äußerlich oder emotional zu verletzen, dann tue ich das aus meiner Entscheidung heraus. Die Traumatisierung mag mein Denken dahingehend beeinflusst haben, aber welche Handlung ich letztendlich ausführe, liegt in MEINER Macht.

Verantwortlich handeln heißt entweder vorausschauend (und andere Komponenten mit einbeziehend) zu denken und/oder zu handeln, dann aber mit den Konsequenzen meines Handelns zurechtzukommen. Im Falle der Straftat wäre das die entsprechende Strafe und auch die Konsequenzen meines eigenen Gewissens (dessen man sich nicht durch Verleugnung oder Schuldumkehr versucht zu erleichtern). Im weniger extremen Fall bedeutet das z.B mit einem Kontaktabbruch, einer Kündigung oder ähnlichen zurecht zu kommen. Aber auch dazu zu stehen, wenn wir jemand verletzt haben. Nicht die Verantwortung abzugeben, sie auf den anderen oder einen anderen Umstand abzuwälzen. Zu dem zu stehen, was den anderen verletzt hat. Und dann kann man auch seine Sichtweise mit einbringen, solange sie nicht als Rechtfertigung genutzt wird.

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