Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste vllt nur lauter schreien, flehen, betteln, Jammern, irgend etwas um ernst genommen zu werden.
„Tust du doch schon. Was denkst du, was du hier machst?! Hör auf dich so erbärmlich schwach zu benehmen!“
Ich kann es nicht mehr hören – Schwach. Ständig ist alles immerzu schwach. Immer muss die Fassung gewahrt werden. Jedes noch so kleine Detail persönlicher Gefühlsäußerungen so verpackt werden, dass man es als“ Nutzen für andere“ verkaufen kann. Super reflektiert. So als läge all das schon hinter einem. Oder ist zumindest nicht weiter schlimm. Erträglich. Gar kein wirkliches Problem.
Depressionen? Ja, die sind da. Aber nicht so wild. Anderen geht’s auf jeden Fall schlimmer. Und wenn sie doch richtig schlimm werden, dann redet man einfach mit keinem.
Als ich Ende Januar bei der Therapeutin saß und ihr von den Depressionen erzählte und das es mir aktuell nicht gut geht meinte sie, dass sie mir das schon ansähe. Aber ich wisse ja, dass es bald auch wieder besser werden wird.
Ernst genommen habe ich mich nicht gefühlt. Wie eigentlich meistens. Also generell, nicht auf sie bezogen.
Allerdings erzählte ich ihr auch nichts davon, dass SM-Pläne sehr konkret wurden. Weit abseits der üblichen Gedanken, wo man es vllt mal machen könnte. Es vllt einfach die bessere Alternative zu all dem hier wäre, die ja dann aber doch nur Gedanken bleiben.
Diesmal waren es seit langer Zeit weitaus konkretere Pläne. Wie. Wann. Mit was. Was vorher erledigt werden muss.
Erzählt habe ich nichts davon.
Und wie soll mich nun jemand ernst nehmen, wenn ich immer nur die Hälfte erzähle? Wenn mich jedes noch so kleine Zeigen nach Außen, dass es mir eben nicht gut geht, eine riesen Überwindung kostet? Wenn ich alles relevante irgendwo zwischen die Zeilen packe? Wie soll das gehen? Erwarte ich Gedankenlesen?
Anderes Beispiel:
Die letzten Wochen hatte ich wieder stark mit Alpträumen zu kämpfen. Die was mich am meisten belastet haben, waren die die sich permanent um abgetrennte Körperteile und Kannibalismus drehten. Ich schaute keine Filme oder beschäftigte mich mit irgendwas in dieser Richtung. Umso überraschender haben sie also eingeschlagen.
Erzählt habe ich davon einen Teil.
Triggerwarnung (Blut – abgetrennte Körperteile) !
In einem Traum stand ich an einem Pool und der Blick auf das Wasser löste im Traum eine andere Sequenz, in die ich mit Gewalt hineingezogen wurde, aus. Plötzlich befand ich mich in einem See, der sich später in einen Fluss wandelte. Das Wasser bestand aus Blut und um mir im Wasser waren überall Körperteile. Abgetrennte Beine, Füße, Hände, Arme, Köpfe. Es war alles voll davon. Sie widerten mich an und ich hatte panische Angst. Ich hatte Angst das sie mich unter Wasser drücken. Das ich in dem Blut ertrinke. Das ich nie wieder heraus komme. Der Himmel war schwarz und als der See sich in einen Fluß wandelte, bekam ich es zusätzlich noch mit der Strömung zu tun. Über mir waren nun ab und an Brücken, die ich versuchte zu greifen, sie jedoch nicht erreichte. Ich suchte nach einem Weg herauszukommen, aber ich fand keinen. Dann endete der Traum.
Sie fragte, ob ich eine Ahnung hätte was der Traum bedeuten könnte. Klar haben wir uns darüber Gedanken gemacht.
Aber ich verriet es nicht. Der Mund war wie zugeklebt.
„Ist ja auch totaler Schwachsinn. Mach dich nicht noch lächerlicher als du es eh schon getan hast!“
Ihr Deutungsversuch ging in die Richtung, das die Körperteile vllt für das Puzzle an Erinnerungsfetzen stehen, dass ich ja nun mal versuche zusammenzusetzen.
Ich musste lachen.
Ja ne, also nach Puzzeln bzw. dem Bedürfnis da irgendwas zusammenzusetzen oder wieder ganz zu machen, war mir wirklich nicht zumute. Diese Träume waren begleitet von Todespanik und blanken Entsetzen.
Und schwupp – Wieder das Gefühl nicht ernst genommen zu werden.
„Ja wie denn auch, in Gottes Namen, wenn du dein scheiß Maul nicht aufmachst?!“
Aber wie geht das?
Wie kann ich über meine Gedanken und Gefühle reden, wenn ich permanent im Kopf habe wie absurd ich mich benehme? Diese Scham. Diese furchtbare Scham.
Und wenn doch vor allem alles gut ist? Mir nichts fehlt?
Das treibt mich in den Wahnsinn. Das Gefühl das es mir gut ginge. Und parallel dazu aber zu spüren, dass das Gegenteil der Fall ist.
Zu versagen, zu weinen und krampfen während du da sitzt und GLEICHZEITIG denkst wie gut es dir doch geht. Therapie ist Schwachsinn. Klinik erst recht. Ich müsste mich nur mal zusammenreißen, dann ginge das auch alles.
Gestern saß ich im Zug. 11 Stunden lagen vor uns. Am Morgen bekam ich kaum noch Luft. Es war als würde mir jemand die Luft abdrücken. Und Angst stieg auf. Das Gefühl nur noch zurück unter die schützende Decke zu wollen. Mir wurde heiß und jeder Handgriff zu viel … Eine Panikattacke. Erst viel zu spät habe ich mal wieder gemerkt was es ist.
Aber sie verschwindet dann nicht einfach. Also die Attacke irgendwann schon wieder, aber nicht die Panik. Die bleibt. Gestern blieb sie wieder den ganzen Tag. Dicht im Hintergrund.
Ich funktioniere einwandfrei. Ich bin fokussiert. Ein Schritt nach dem anderen, dann kommst du auch am Bahnhof an. Station für Station.
Bis auf das Zittern, wenn ich alleine sitze und mich unbeobachtet fühle: Nichts. Nichts dringt nach Außen. Höchstens noch der miesgelaunte Blick, der die Leute fern halten soll. Aber spricht mich einer an: Freundlich. Höflich. Aufmerksam. Das Lächeln nie vergessen. Stabil ist sie. Maximal etwas unausgeschlafen.
Panik in 2. Reihe. Furchtbare Panik. Aber die Fassade funktioniert weiter.
Und wenn mich jemand fragen würde, wie es mir geht, wie wäre meine Antwort?: Super. Etwas nervös. Ein bisschen zittern. Nichts dramatisches.
Ich wäre nicht ehrlich.
Aber um jetzt einmal ehrlich zu sein, wusste ich nicht wie ich den Tag überstehen soll.
Wie so oft. Und trotzdem tue ich es wieder. Ihn überstehen.
Also kanns ja doch nicht so schlimm sein, oder? Wenn ich ohne Begleitung meine Dinge regeln kann. Wenn ich trotzdem das Haus verlassen kann und nirgends auf dem Weg zusammenbreche, kanns doch gar nicht so schlimm sein, oder nicht? Ich funktioniere doch.
Aber hat das was mit Leben gemein?
Ich weiß nicht, wie viele Tage ich noch aufstehen und das so machen kann. Mit jedem Mal mehr, habe ich das Gefühl es nicht noch einmal zu packen. Ich weiß nicht was mich aufstehen oder Telefonate führen lässt. Wie ich einkaufen oder Anträge ausfüllen kann. Ich weiß nicht woher die Kraft dafür kommt.
Vllt müsste ich endlich mal zusammenbrechen vor aller Welt. Mitten auf dem Gehweg. Laut aufschreien und dann all das Zeigen, was mich im Inneren begleitet.
Vllt fühle ich mich dann ernstgenommen? Vor allem von mir selbst.
Denn das Problem sind nicht die anderen, das Problem bin ich, die immer funktioniert. Die nie das zeigen kann, was wirklich los ist. Die denkt, man müsse sich zusammenreißen.
Eine so perfekte Maske für die Außenwelt, das ich angefangen habe, sie selbst zu glauben.
Ein unbewusster Mechanismus, den ich einfach nicht durchbrechen kann. Als wäre ich in mir selbst gefangen. Ich versuche es. Wirklich. Und ein bisschen besser wurde es auch. Ein bisschen. Aber ich will endlich nicht mehr alles nur in mir aufbewahren. Mich nicht mehr so einsam fühlen.