Archiv der Kategorie: Dissoziation

Funktionsmodus…

Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste vllt nur lauter schreien, flehen, betteln, Jammern, irgend etwas um ernst genommen zu werden.

„Tust du doch schon. Was denkst du, was du hier machst?! Hör auf dich so erbärmlich schwach zu benehmen!“

Ich kann es nicht mehr hören – Schwach. Ständig ist alles immerzu schwach. Immer muss die Fassung gewahrt werden. Jedes noch so kleine Detail persönlicher Gefühlsäußerungen so verpackt werden, dass man es als“ Nutzen für andere“ verkaufen kann. Super reflektiert. So als läge all das schon hinter einem. Oder ist zumindest nicht weiter schlimm. Erträglich. Gar kein wirkliches Problem.

Depressionen? Ja, die sind da. Aber nicht so wild. Anderen geht’s auf jeden Fall schlimmer. Und wenn sie doch richtig schlimm werden, dann redet man einfach mit keinem.
Als ich Ende Januar bei der Therapeutin saß und ihr von den Depressionen erzählte und das es mir aktuell nicht gut geht meinte sie, dass sie mir das schon ansähe. Aber ich wisse ja, dass es bald auch wieder besser werden wird.
Ernst genommen habe ich mich nicht gefühlt. Wie eigentlich meistens. Also generell, nicht auf sie bezogen.
Allerdings erzählte ich ihr auch nichts davon, dass SM-Pläne sehr konkret wurden. Weit abseits der üblichen Gedanken, wo man es vllt mal machen könnte. Es vllt einfach die bessere Alternative zu all dem hier wäre, die ja dann aber doch nur Gedanken bleiben.
Diesmal waren es seit langer Zeit weitaus konkretere Pläne. Wie. Wann. Mit was. Was vorher erledigt werden muss.
Erzählt habe ich nichts davon.

Und wie soll mich nun jemand ernst nehmen, wenn ich immer nur die Hälfte erzähle? Wenn mich jedes noch so kleine Zeigen nach Außen, dass es mir eben nicht gut geht, eine riesen Überwindung kostet? Wenn ich alles relevante irgendwo zwischen die Zeilen packe? Wie soll das gehen? Erwarte ich Gedankenlesen?

Anderes Beispiel:

Die letzten Wochen hatte ich wieder stark mit Alpträumen zu kämpfen. Die was mich am meisten belastet haben, waren die die sich permanent um abgetrennte Körperteile und Kannibalismus drehten. Ich schaute keine Filme oder beschäftigte mich mit irgendwas in dieser Richtung. Umso überraschender haben sie also eingeschlagen.
Erzählt habe ich davon einen Teil.

Triggerwarnung (Blut – abgetrennte Körperteile) !
In einem Traum stand ich an einem Pool und der Blick auf das Wasser löste im Traum eine andere Sequenz, in die ich mit Gewalt hineingezogen wurde, aus. Plötzlich befand ich mich in einem See, der sich später in einen Fluss wandelte. Das Wasser bestand aus Blut und um mir im Wasser waren überall Körperteile. Abgetrennte Beine, Füße, Hände, Arme, Köpfe. Es war alles voll davon. Sie widerten mich an und ich hatte panische Angst. Ich hatte Angst das sie mich unter Wasser drücken. Das ich in dem Blut ertrinke. Das ich nie wieder heraus komme. Der Himmel war schwarz und als der See sich in einen Fluß wandelte, bekam ich es zusätzlich noch mit der Strömung zu tun. Über mir waren nun ab und an Brücken, die ich versuchte zu greifen, sie jedoch nicht erreichte. Ich suchte nach einem Weg herauszukommen, aber ich fand keinen. Dann endete der Traum.

Sie fragte, ob ich eine Ahnung hätte was der Traum bedeuten könnte. Klar haben wir uns darüber Gedanken gemacht.
Aber ich verriet es nicht. Der Mund war wie zugeklebt.

„Ist ja auch totaler Schwachsinn. Mach dich nicht noch lächerlicher als du es eh schon getan hast!“

Ihr Deutungsversuch ging in die Richtung, das die Körperteile vllt für das Puzzle an Erinnerungsfetzen stehen, dass ich ja nun mal versuche zusammenzusetzen.
Ich musste lachen.
Ja ne, also nach Puzzeln bzw. dem Bedürfnis da irgendwas zusammenzusetzen oder wieder ganz zu machen, war mir wirklich nicht zumute. Diese Träume waren begleitet von Todespanik und blanken Entsetzen.

Und schwupp – Wieder das Gefühl nicht ernst genommen zu werden.

„Ja wie denn auch, in Gottes Namen, wenn du dein scheiß Maul nicht aufmachst?!“

Aber wie geht das?
Wie kann ich über meine Gedanken und Gefühle reden, wenn ich permanent im Kopf habe wie absurd ich mich benehme? Diese Scham. Diese furchtbare Scham.
Und wenn doch vor allem alles gut ist? Mir nichts fehlt?

Das treibt mich in den Wahnsinn. Das Gefühl das es mir gut ginge. Und parallel dazu aber zu spüren, dass das Gegenteil der Fall ist.
Zu versagen, zu weinen und krampfen während du da sitzt und GLEICHZEITIG denkst wie gut es dir doch geht. Therapie ist Schwachsinn. Klinik erst recht. Ich müsste mich nur mal zusammenreißen, dann ginge das auch alles.

Gestern saß ich im Zug. 11 Stunden lagen vor uns. Am Morgen bekam ich kaum noch Luft. Es war als würde mir jemand die Luft abdrücken. Und Angst stieg auf. Das Gefühl nur noch zurück unter die schützende Decke zu wollen. Mir wurde heiß und jeder Handgriff zu viel … Eine Panikattacke. Erst viel zu spät habe ich mal wieder gemerkt was es ist.
Aber sie verschwindet dann nicht einfach. Also die Attacke irgendwann schon wieder, aber nicht die Panik. Die bleibt. Gestern blieb sie wieder den ganzen Tag. Dicht im Hintergrund.
Ich funktioniere einwandfrei. Ich bin fokussiert. Ein Schritt nach dem anderen, dann kommst du auch am Bahnhof an. Station für Station.
Bis auf das Zittern, wenn ich alleine sitze und mich unbeobachtet fühle: Nichts. Nichts dringt nach Außen. Höchstens noch der miesgelaunte Blick, der die Leute fern halten soll. Aber spricht mich einer an: Freundlich. Höflich. Aufmerksam. Das Lächeln nie vergessen. Stabil ist sie. Maximal etwas unausgeschlafen.
Panik in 2. Reihe. Furchtbare Panik. Aber die Fassade funktioniert weiter.
Und wenn mich jemand fragen würde, wie es mir geht, wie wäre meine Antwort?: Super. Etwas nervös. Ein bisschen zittern. Nichts dramatisches.
Ich wäre nicht ehrlich.

Aber um jetzt einmal ehrlich zu sein, wusste ich nicht wie ich den Tag überstehen soll.

Wie so oft. Und trotzdem tue ich es wieder. Ihn überstehen.
Also kanns ja doch nicht so schlimm sein, oder? Wenn ich ohne Begleitung meine Dinge regeln kann. Wenn ich trotzdem das Haus verlassen kann und nirgends auf dem Weg zusammenbreche, kanns doch gar nicht so schlimm sein, oder nicht? Ich funktioniere doch.

Aber hat das was mit Leben gemein?

Ich weiß nicht, wie viele Tage ich noch aufstehen und das so machen kann. Mit jedem Mal mehr, habe ich das Gefühl es nicht noch einmal zu packen. Ich weiß nicht was mich aufstehen oder Telefonate führen lässt. Wie ich einkaufen oder Anträge ausfüllen kann. Ich weiß nicht woher die Kraft dafür kommt.

Vllt müsste ich endlich mal zusammenbrechen vor aller Welt. Mitten auf dem Gehweg. Laut aufschreien und dann all das Zeigen, was mich im Inneren begleitet.
Vllt fühle ich mich dann ernstgenommen? Vor allem von mir selbst.
Denn das Problem sind nicht die anderen, das Problem bin ich, die immer funktioniert. Die nie das zeigen kann, was wirklich los ist. Die denkt, man müsse sich zusammenreißen.
Eine so perfekte Maske für die Außenwelt, das ich angefangen habe, sie selbst zu glauben.

Ein unbewusster Mechanismus, den ich einfach nicht durchbrechen kann. Als wäre ich in mir selbst gefangen. Ich versuche es. Wirklich. Und ein bisschen besser wurde es auch. Ein bisschen. Aber ich will endlich nicht mehr alles nur in mir aufbewahren. Mich nicht mehr so einsam fühlen.

Freeze und Stupor

Kennt ihr das auch, dass euer Hirn euch ständig vorgaukelt, ihr hättet alles unter Kontrolle?

Gestern Nacht triggerten die Schritte über uns in der Wohnung.
Angst. Panik.
,,Schritte! Er kommt!“
Ich komme wieder zurück und checke wo ich wirklich bin: ,,Das ist eure Wohnung. Hier kommt niemand. Ihr seid allein.“, aber ich bewege meinen Körper nicht mehr.
Ich kann nur noch da liegen und ins Zimmer starren.
,,Ich könnte das jederzeit beenden. Bräuchte mich nur drehen.
Warum machst du es dann nicht?
Es ist gerade entspannend, deshalb liege ich so.

Irgendwie bin so benommen.
Ich fühle meinen Puls im Hals, auf dem Kissen schlagen. Ich bin also noch hier.
Aber Ich fühle meinen Körper kaum noch. Ist er noch da? Meine Arme sind ganz taub. Sind sie noch dran?

Oh, mein Daumen hat gezuckt! Mein Körper muss also noch da sein!
Meine Muskeln entspannen sich kurz und da merke ich erst: Oh Gott, so angespannt bin ich?! Mein ganzer Körper ist ja ganz steif!
Langsam tut was weh.
Das ist unbequem!
Ja, dann ändere doch die Position. Du kannst das doch angeblich.
Ja kann ich. Jederzeit. Ich will nur nicht. Es ist bequem so. Ich bin so entspannt.

Wieder Panik.
Es könnte jemand kommen.
Beweg dich endlich!
Ich kann.
Ich kann mich drehen, nur um auf der anderen Seite wieder festzufrieren.
Aber ich kann das jederzeit ändern! Ich will nur nicht

Ja ne, is klar. Verarsch dich ruhig weiter 🤦‍♀️.
Mir fällt das immer öfter auf. Ganz vieles wurde bisher unter: ,,Ich mach das freiwillig und hab alles unter Kontrolle“ verbucht. Logischerweise fand ich viele Dinge deshalb auch nie wirklich auffällig oder komisch. Bis vor einiger Zeit hätte ich z.B auch behauptet solche Sachen noch nie erlebt zu haben. Dabei passiert das ständig.

Ich hielt das anfangs (beim Lesen) immer für einen totalen Kontrollverlust über den Körper, wie bei einer Schlafparalyse. Ist es im Prinzip auch. Aber anders. Ganz anders.
Wenn andere was beschreiben, hört sich das für mich immer so krass an. So nach sich klar und deutlich erkennbaren Dingen. An einem selbst fühlt sich das alles aber irgendwie immer ganz anders an. Viel subtiler.
Also wenn man hinschaut und es klar und deutlich als das erkennen und benennen kann, dann zeigt sich das alles schon deutlicher. Aber vorher ist alles so in den normalen Alltag eingebaut, dass es einem kaum auffällt. Mir geht’s zumindest so 🤷‍♀️. Also d.h nicht das es nicht trotzdem stört und dich beeinflusst, du siehst es halt nur als was völlig normales an. Nicht als irgendwas, dass einen Hintergrund hat und behandelt werden kann und vll auch sollte.

Derealisation und Depersonalisation

Meistens treten beide Phänomene gemeinsam auf, können aber auch einzeln auftauchen.

⭕ Derealisation

Bei der Derealisation nimmt man seine Umgebung plötzlich verändert wahr. Das kann kurzfristig sein, aber auch dauerhaft geschehen.
Wikipedia sagt dazu:

„Die Umwelt scheint dabei häufig als Ganzes plötzlich unvertraut, auch wenn jedes Detail problemlos wiedererkannt und eingeordnet werden kann.“


So kann ich das bestätigen.

Beispiele:

  • Manchmal ist so als würde sich ein grauer Schleier über die Augen legen (als würde es neblig werden) und dann sehe ich zwar eigentlich alles noch ganz normal (es wird jetzt nichts schwarz), die gesamte Umgebung erscheint mir aber total weit weg
  • Oder manchmal habe ich das Gefühl die Umgebung wäre überhaupt nicht real. An sich sieht alles aus wie immer, aber alles fühlt sich an wie nicht echt, mehr so wie in einem digitalen, animierten Spiel

⭕ Depersonalisation

Hier verändert sich deine Wahrnehmung zu dir selbst. Du verlierst den Bezug zu dir oder siehst dich gar von Außen.
Wikipedia sagt dazu:

„(…)bezeichnet allgemein einen Zustand der Selbstentfremdung, bei dem es zum Verlust oder einer Beeinträchtigung des Persönlichkeitsbewusstseins kommt. Betroffene erleben sich selbst als fremdartig oder unwirklich.“

Noch ein Zitat:

„(…)Jedoch ist ihnen stets bewusst, dass ihre Wahrnehmung sie täuscht – ein wichtiger Unterschied zur Psychose.“

Beispiele:

  • Manchmal habe ich das Gefühl, meine Augen wären nur wie eine Scheibe, durch die ich hindurchsehe. Als wäre mein Körper nur ein Gefährt, aus welchem ich nicht fliehen kann. So als würde mein Körper gar nicht zu mir gehören, zusätzlich legt sich dann oft dieser graue Nebel vor meine Augen oder alles verschwimmt (Derealisation)

–> Gerade das Gefühl, dass der Körper nicht zu einem gehört beschreiben viele und das kenne ich auch. Eigentlich ist das die meiste Zeit so. Ich finde meinen Körper klasse, ich hab daran auch nicht das Geringste auszusetzen, dennoch fühlt er sich einfach nicht an wie mein Körper. Ich würde sagen zu 80% der Zeit ist das so – kein Plan ob das früher mal anders war

  • Gliedmaßen können sich größer oder kleiner anfühlen. Als Kind hatte ich z.B oft das Gefühl als wären meine Arme, manchmal auch die Beine, überproportional groß oder klein. Teilweise ein Arm groß, der andere winzig – erst beim ausfüllen des FDS-Test´s hab ich übrigens erfahren, dass das auch eine Form der Dissoziation ist
  • Gliedmaßen können sich auch wie gar nicht vorhanden anfühlen, manchmal fehlen z.B einfach meine Beine der Finger vom Gefühl het
  • Manche beschreiben es wie „sich in einem Traum fühlen“ oder „sich wie auf einer Leinwand sehen“, ich kann das Beispiel wiedergeben, dass man das Gefühl hat als hätte man eine VR-Brille auf. Alles um dich herum geschieht weiter ganz normal, aber irgendwas ist verändert mit dir. Als wäre dein Geist zwar anwesend und sieht die Umgebung, aber den Köper kannst du nur mehr oder weniger gut steuern, du bist nicht er und alles wirkt total komisch, langsam und unwirklich (Derealisation und Depersonalisation treffen wieder zusammen)
  • Emotionale Taubheit fällt auch noch darunter, also Emotionen nicht richtig wahrnehmen können, nicht fühlen können, sich abgestumpft fühlen

ein weiteres Beispiel von Wikipedia:

„Veränderung von Gedächtnisprozessen: Erinnerungen können als blass, undeutlich oder fern wahrgenommen werden: Ein nur wenige Stunden zurückliegendes Ereignis kann in der Erinnerung so empfunden werden, als läge es schon Jahre zurück (…) Dies kann dazu führen, dass Betroffene solche Erlebnisse später nicht verbal schildern können. Auch ein Déjà-vu-Erlebnis ist in der Regel von einem Gefühl der Entfremdung begleitet“

⭕ Vorkommen und Häufigkeit

Beide Symptome treten meist im Zusammenhang mit einer psychischen Störung auf. Das können dissoziative Störungen sein, aber auch bei psychotischen Erkrankungen gibt es solche Erlebnisse, bei Depressionen usw.

Man geht weiter davon aus, dass ca. die Hälfte derer, die schon mal ein Trauma erlitten, Symptome einer Depersonalisation/Derealisation durchlebten.
Aber auch physische Krankheiten, wie z.B Epilepsie oder Drogenkonsum, Stress usw. können ein Auslöser für Derealisation- und Depersonalisationserlebnisse sein.

Insgesamt geht man von einer Schätzung der Betroffenenzahl zwischen 1-10% aus (die wenigsten schildern ihre Symptome überhaupt, was eine richtige Einschätzung dadurch natürlich schwer macht). Männer und Frauen sind dabei gleichermaßen betroffen.

Dissoziation

Habt ihr euch auch schon einmal gefragt wie es sein kann das Menschen schlimme, traumatische Erlebnisse einfach vergessen?
Das Menschen, die einen Mord mit ansehen mussten, später einfach nichts mehr davon wissen?
Das manche Frauen und Männer sich 30-40 jahrelang nicht an den Missbrauch in ihrer Kindheit erinnern können? Oder das ein Mensch nach einem schweren Unfall kaum Schmerzen verspürt und sich um Hilfe kümmern kann, aber am Ende fast gar nichts mehr davon weiß?


Nun, genau genommen vergessen sie es auch nicht. Sie spalten es ab.

Aber schauen wir uns einmal an, was da genau passiert:
Im Prinzip dissoziert fast jeder Mensch einmal. Sogenannte Alltagsdissoziationen sind z.B wenn wir etwas lesen und direkt danach gar nicht mehr wissen worum es beim dem Gelesenen eigentlich ging oder wenn wir im Auto oder im Zug sitzen und die Zeit quasi einfach an uns „vorbeifliegt“ und wir keine konkrete Erinnerung mehr an die Fahrt haben, weil wir z.B in Gedanken oder Tagträume vertieft waren.

Dissoziation ist also die Fähigkeit unseres Gehirns (über welche wir keine bewusste Entscheidungsgewalt haben) Erlebnisse aus unserem Bewusstsein, ins Unterbewusstsein abzuspalten. Gedächtnisinhalte, unser Handeln und Fühlen werden von einander getrennt und sind so nicht mehr miteinander assoziierbar.

Gehen wir nun etwas weiter: Wenn wir uns in einer schlimmen, kaum zu ertragenden Situation befinden, bleiben uns 3 Möglichkeiten:


1.) Kampf


2.) Flucht

und ist beides nicht möglich

3.) Totstellen

–> ganz recht, das menschliche Gehirn verfügt über einen ähnlichen Totstellreflex wie eine Maus, die vor einer Katze flüchtet. Der Sinn dahinter ist der Gleiche: noch mehr Schaden vom Körper (und/oder der Psyche) abzuwenden und damit das Überleben zu sichern (im Falle der Katze jagt diese keine bereits tote Maus, die Maus selbst scheint allerdings wenig von ihrem Totstellreflex mitzubekommen).

Wenn eine Frau bei einer Vergew*ltigung also daliegt und sich nicht bewegt oder schreit, tut sie das nicht weil ihr die Vergew*ltigung solch enormen Spaß bereitet und sie nicht möchte das es aufhört, sondern weil sie stark von der Situation dissoziert ist.

Hier spalten wir also Erlebnisse, Körperempfindungen, Emotionen ect. ab, die uns, blieben sie in unserem Alltagsbewusstsein hängen, wahrscheinlich so völlig kaputt machen würden.
Wir vergessen demnach rein gar nichts, alles befindet sich jederzeit in unserem Unterbewusstsein (und prägt uns damit auch).


Merkt man Dissoziationen und wie fühlen sie sich an?


Jein.
Sagen wir es so: Zumeist fühlt sich das Erleben und das Fühlen nicht wie Eins an. Das Ereignis (soweit es zumindest in Erinnerung ist) ist rational fassbar, lässt sich aber nicht mit den dazugehörigen Emotionen und Gefühlen verbinden, als würden diese nicht dazu passen. Wenn man z.B über Erlebtes spricht, ist das fast so als würde man über das Erlebnis einer anderen Person sprechen.

Das kann zur Folge haben das man sich manchmal vom sich selbst (Depersonalisation) und/oder seiner Umwelt (Derealisation) getrennt fühlt.

Viele beschreiben das z.B so als würde man neben sich stehen und sich selbst beim ‚etwas tun‘ (oder eben bei der Tat) aufpassen oder als würde man sein Leben wie auf einer Filmleinwand erleben. Ich finde es fühlt sich an, als würde man eine VR-Brille tragen. Der Geist ist zwar da, aber so richtig echt und wirklich fühlt sich die Umgebung und die Realität meist nicht an. Oder als würde man den Körper zwar steuern, aber es ist so, als würde er nicht wirklich zu einem gehören.

Oder manchmal können sich Köperteile wie einfach nicht da anfühlen (das hatte ich als Kind sehr oft, manchmal fühlten sich meine Gliedmaßen auch total ungleichförmig an – meine Hand extrem klein, mein Arm extrem groß, kann man ganz schlecht beschreiben) oder man fühlt sich wie hinter einer Glasscheibe und alles um einen herum wird ganz nebelig und die Zeit verlangsamt sich extrem usw.

Ich persönlich dachte übrigens immer das wäre normal und alle würden das so empfinden. Das hat voll lange gedauert bis ich das gecheckt habe.

Dieses Erleben kann sich nur bei dem traumatischen Erlebnis selbst bemerkbar machen oder sich aber auch in den Alltag einschleichen (so ist es sehr oft), z.B kann es schwer fallen an problematischen Tagen oder bei bestimmten Themen im Gespräch „am Ball zu bleiben“.

Häufiges Gedankenabreißen und plötzliches Vergessen des vorher Gesagten kann z.B eine Art der Dissoziation sein – Furchtbar ist das, ohne Mist . Du erzählst dann was bzw. willst was erzählen und mittendrin setzt dein Hirn einfach aus und du machst nur noch ,,Ähmmmmm…“ – Ich versuche das dann immer zu überspielen, indem ich irgendwo ansetze, woran ich mich zuletzt erinnern kann oder (wie bei meiner Therapeutin) auf dem Stuhl rumrutsche und so tue, als würde ich nur überlegen😅.

Was für viele da auch typisch ist, ist das ungeplante „Löcher in die Luft starren“. Manchmal driftet der Geist einfach ab, es ist dann als würde dein Hirn kurz einfrieren, du bist schon noch da, aber so wirklich machen kannst du nichts, denn auch Gedanken sind dann keine mehr greifbar. Ich persönlich empfinde das wie einen Systemausfall. Also ich bekomme das oft noch mit, wie ich in die Gegend starre, aber das ist so als würde ich im „Gefährt“ sitzen, aber nichts geht mehr und von irgendwo rufe ich dann zu: ,,Nun beweg dich! Lauf wieder!“, aber es geht nichts. Kennt ihr diese alten Comic-Serien, wo die Figuren in einem Auto fahren, aber viel zu schnell los düsen und dann sieht man wie sie 5m vor dem Auto in der Luft hocken, nur mit dem Lenkrad in der Hand und der Rest des Autos steht weit hinter ihnen? Genauso fühlt sich das für mich manchmal an.

Für die Außenwelt sieht das allerdings scheinbar oft einfach nur danach aus, als wäre man gerade etwas neben der Spur oder schlicht unkonzentriert, naja oder halt in Tagträume versunken. So wirklich merkt keiner was da los ist, erst recht nicht, wenn er davon nichts weiß.

Das Lustige ist, dass man es ja selbst oft nicht einmal merkt. Was das angeht, sind wir dann hier bei der Dissoziation der Dissoziationen – man dissoziert das man gerade dissoziert hat. Kein Plan wie oft ich das mache ohne was davon bewusst mitzubekommen, wenn ich ehrlich sein soll.

Oder ich erlebe z.B. mein Alltagserleben (eigentlich immer, ich weiß nicht ob es mal anders war) so als wäre eine dicke Glaswand zwischen mir und der Realität. So als wäre zwar um mich herum die Realität da und ich kann sie auch sehen, aber nicht fühlen, als wäre ich nicht mit ihr verbunden.

Gerade wenn die Dissoziation bereits im frühen Kindesalter „gelernt“ wird, wird sie meist so verinnerlicht das sie sich zu einem Automatismus entwickelt und auch kaum noch selbst bemerkt wird. Wie gesagt: Ich dachte bis vorletztes Jahr (Stand 2021) das wäre alles normal 😅.

Ein sehr deutliches Zeichen von Dissoziation ist auch das stumpfe, monotone Erzählen traumatischer bzw. schlimmer Erlebnisse/Ereignisse. Oder auch das Lachen darüber. Für Außenstehende wirkt das so, als fände man es vllt witzig oder hätte alles längst verarbeitet, da man kaum betroffen wirkt. Emotionsloses Sprechen oder besonders viel Lachen während man berichtet, ist aber im Gegenteil meist eher ein Zeichen von sehr hoher Dissoziation zum Erzählten.

Was gehört noch dazu?

Aus den Dissoziationen können sich zudem bestimmte andere Probleme entwickeln:

  1. dissoziative Amnesie => das nicht oder nur bruchstückhafts Erinnern an traumatische Ereignisse bis hin zu Alltagssituationen (sehr häufig)
  2. dissoziative Fuge => nach einem belastenden Ereignis kann der Betroffene plötzlich von Zuhause, der Arbeit oder z.B auch dem Unfallort weggehen und sogar eine neue Identität annehmen, da er sich an seine nicht mehr erinnert. Nach Stunden, Tagen, Wochen bis hin zu Jahren kommt diese Erinnerung meistens wieder
  3. dissoziativer Stupor => der Betroffene bewegt sich kaum bis gar nicht mehr, redet nicht mehr und reagiert auch nicht mehr auf Berührungen, Geräusche oder Lichtreize, befindet sich allerdings nicht im Schlaf, im Koma oder ähnlichem
  4. dissoziative Krampfanfälle => hat Ähnlichkeit mit epileptischen Anfällen, jedoch ist der Betroffene bei Bewusstsein
  5. dissoziative Empfindungsstörungen => Zeitweise kann das Hautempfinden an manchen Körperstellen oder des gesamten Körpers verloren gehen, oder Betroffene können nicht mehr riechen, hören oder sehen
  6. dissoziative Bewegungsstörungen => Betroffene können plötzlich nicht mehr stehen oder ihre Gliedmaßen frei bewegen bzw steuern