Erst einmal: Was sind Zwangsgedanken
überhaupt ?
Zwangsgedanken sind Gedanken die sich immer wieder, quasi wie „von selbst“, aufdrängen. Meist drehen sie sich um ein oder mehrere bestimmte Themen und werden oft als störend und quälend erlebt, da auch das Unterdrücken so gut wie nie klappt.
So Gedanken und Sorgen wie ,,Ist der Herd auch wirklich aus?“ oder ,,Hab ich die Tür auch ganz sicher abgeschlossen?“ kennt allerdings jeder einmal. Das sind soweit ganz normale Gedanken und an sich auch überhaupt nicht weiter besorgniserregend, also keine Sorge wer hin und wieder mal so was auch von sich kennt 🙂.
Ab wann ist es eine Zwangsstörung?
Ganz einfach: Wenn die Zwangsgedanken derart Einfluss auf den Alltag nehmen, dass dieser und vor allem auch man selbst, stark darunter leidet.
Die Zwangsgedanken an sich können schon stark belastend sein, allerdings folgen darauf meist auch noch entsprechende Zwangshandlungen.
Als Beispiel nehmen wir den ständigen Gedanken ob der Herd auch wirklich aus ist. Betroffene können da bis zu 10x (oder öfter) zurück in ihre Wohnung gehen, um eben dieses zu überprüfen, was natürlich im Alltag und für die Betroffenen stark belastend ist.
Meist beginnen solche Zwangshandlungen aber ganz klein, d.h erst 1x schauen, dann 2-3x usw.
Dann gibt es auch noch die Zwangsimpulse, wo der Zwang besteht etwas zu tun, was man überhaupt mich tun will, z.B jemand zu verletzen (aggressive), ungewöhnliche sexuelle Praktiken auszuleben (sexuelle)und sich selbst Schmerzen zuzufügen (autoaggressive).
In den meisten Fällen wissen die Betroffenen aber übrigens das die Zwangsgedanken an sich irrational sind, also d.h wenn der Herd eben aus war, wird er es natürlich gleich immer noch sein. Dennoch liegt es aber in der Natur einer Zwangsstörung (wie der Name ‚Zwang‘ es eben schon sagt 😅) das sich gewisse Gedanken und Handlungen nicht einfach ignorieren und ausblenden lassen. Tun das die Betroffenen dennoch bzw. versuchen es, kann dies zu einer endlosen Qual werden bis hin zur „Explosion“.
Wie entsteht eine Zwangsstörung?
Wie immer kann der genetische Faktor eine wichtige Rolle spielen, sprich Zwangserkrankungen kamen bereits bei den Eltern ect. vor.
Ebenfalls kann es eine neurobiologische Ursache geben, wobei dann einige Bereiche des Gehirns hyperaktiv sind, z.B weiß man mittlerweile auch das Verletzungen im Gehirn, Zwänge auslösen können.
Unter Freud gab (und gibt es noch) auch die Auffassung das bestimmte Erziehungsstile eine wichtige Rolle, bei der Entwicklung von Zwangsstörungen, spielen könnten (z.B eine SEHR reinliche Erziehung).
Dann, wie fast immer, geht man sehr stark davon aus das in vielen Fällen sehr prägende Ereignisse und Zustände bzw. traumatische Erfahrungen einen enormen Einfluss haben.
Im Großen und Ganzen, denke ich, ist es wie immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Man darf zudem auch nicht vergessen, dass der individuelle Charakter und die Art und Weise jedes Einzelnen mit Dingen umzugehen, auch eine sehr große Beachtung finden sollten.
Grundsätzlich lässt sich aber sagen das es, für die Entwicklung einer Zwangsstörung, erst einmal irgendeinen äußeren Auslöser geben muss, der zu einer inneren Verarbeitung führt und gewisse Ängste, Sorgen, Schlussfolgerungen und Befürchtungen auslöst (z.B „könnte ein großer Schaden entstehen, woran ich nachher auch noch Schuld bin“).
Diese (oft unbewussten) starken und unangenehmen Ängste werden dann versucht in irgendeiner Weiße zu kontrollieren, um wieder Sicherheit zu schaffen (entweder durch Vermeidungsstrategien oder durch Sicherheits- und Kontrollstrategien die versuchen die befürchtete Katastrophe abzuwenden), woraufhin die Angst für einen kurzen Moment auch erst einmal besser wird.
Umso mehr der Angst aber nachgegeben wird, umso realer und ernster sie also genommen wird, umso mehr verfestigt sich der Zwang (wir programmieren uns damit also im Prinzip selbst, wenn auch nicht komplett freiwillig bzw. bewusst). Dein eigenes Verhalten unterstützt quasi immer wieder die (eigentlich ja „irrationalen“, zumindest im aktuellen Moment) Befürchtungen und signalisiert dem Gehirn damit: ,,Aha, die Ängste sind gerechtfertigt, also die Angst bloß nicht abstellen!“
Insgesamt sind übrigens 2 – 4 % der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben von einem Zwang betroffen.
Gar nicht so wenige, oder?
Arten, Beispiele und Heilung
Zwangsgedanken und -handlungen sind wieder nur ein Ausdruck unser Psyche. Ein Symptom für etwas, niemals aber das ursächliche Problem.
Wichtig wäre es also erst einmal heraus zu finden ‚Was steckt hinter dem Zwang? Welche Angst, welche Befürchtung?‘ um daran dann ansetzen zu können. Gerade in der Verhaltenstherapie werden dann neue Strategien und Verhaltensmuster erlernt (wie handle ich so, als würde ich die Situation gar nicht als gefährlich empfinden).
Einfach das Symptom zu „beseitigen“ würde aber nicht klappen. Ich schrieb da letztens mit jemand die das wunderbar wiedergab: ,,…Wenn man mir meinen Zwang nehmen würde, würde ich neue entwickeln, z.B Händewaschen…“.
Schaut, es ist wie mit einem Dampfkessel mit mehreren Rohren. Du kannst das eine schließen, aus welchem der Dampf austritt, aber dann schießt der Dampf eben aus einem anderen wieder raus. Das sinnvollste wäre also erstmal zu merken das der Dampf nicht im Rohr, sondern im Kessel sitzt und dann den Dampf aus dem Kessel zu entfernen.
Kommen wir mal zu einigen Arten von Zwängen und entsprechenden Beispielen:
[Das sind wirklich nur Beispiele und treffen nicht auf jedermann gleich zu, ich will nur das Prinzip aufzeigen]
Kontrollzwänge
wie z.B ob der Herd aus ist, die Tür abgeschlossen ist. Die Tasche wird immer wieder kontrolliert, ob auch wirklich alles da ist, es wird teils mehrmals zurück gefahren um zu schauen das man niemanden überfahren hat, usw.
–> Bsp: ,,Ich habe gerade nachgesehen und der Herd ist aus, aber kann ich meiner Wahrnehmung wirklich trauen? Was wenn ich falsch liege und es doch nicht richtig gesehen habe? Wenn er doch noch an ist? Was könnte dann alles passieren?! Und ich wäre schuld!“
—-> Mein Tipp, wenn die Zwänge noch im Anfangsstadium sind: Ich leide nicht driekt unter einer ausgeprägten Zwangsstörung, habe aber oft den „Tick“ auf die 500m zum Supermarkt 10x in meine Tasche zu schauen, ob mein Portmonee auch wirklich noch da ist. Ich nehme mir jetzt meistens mein Portmonee raus, bevor ich die Wohnung verlasse, halte es in der Hand und schaue es an. Dann lege ich es in die Tasche und beobachte diesen Vorgang ganz bewusst. Dazu sage ich mir das ich es jetzt dort reinlege. Wenn jetzt unterwegs der Gedanke kommt nachschauen zu müssen, rufe ich mir dieses Bild wieder auf und sage mir das ich sah wie ich es reingelegt habe und das es sich seitdem nicht in Luft auflösen konnte. Je nach Tagesverfassung klappt das manchmal ganz gut.
Was mir da bei mir z.B in letzter Zeit auch noch stark auffällt, ist das ich zwanghaft versuche eine Situation im Voraus zu planen und sie dann auch irgendwie zu kontrollieren. Alles was dann aus diesem geplanten Rahmen fällt, löst in mir drin, fast immer, ein regelrechtes Chaos aus. Das kann mit unter schon echt anstrengend sein.
Waschzwänge
z.B werden die Hände oder der ganze Körper immer und immer wieder gewaschen oder auch Gegenstände die „kontaminiert“ sein könnten mit irgendetwas, werden immer wieder gewaschen, teils mit aggressiven Putzmitteln. Der Gedanke dahinter ist oft das sich Keime oder etwas anderes auf der Haut (oder dem Gegenstand) befinden könnten und nicht weggehen.
Dahinter kann oft die Angst stecken seine Mitmenschen und Liebsten mit etwas gefährlichen anzustecken (,,Ich wäre für euer Leid verantwortlich“) oder aber die Angst selbst zu erkranken, was vll schon einmal der Fall war und unbedingt vermieden werden muss (eine traumatische Erkrankung -> vll auch von Angehörigen) oder nach einer (vll auch noch nicht bewusst erinnerbaren) Vergew*ltigung, dass Gefühl den Täter nicht von der Haut zu bekommen usw. Oft spielen Angst und Ekel in Kombination dort eine sehr große Rolle.
Wiederholungs- und Zählzwänge
wo bestimmte Dinge eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen getan werden müssen, z.B 3x auf die Schwelle tippen, bevor sie übertreten werden darf (sonst, glaubt man, passiert vll ein Unglück) oder man kann etwas zu Essen erst runterschlucken, wenn man es vorher genau 20x gekaut hat
Sammelzwänge
wo alles aufgehoben wird was man findet und was da ist, weil man es vll noch einmal gebrauchen könnte. Sachen horten bzw. sich schwer davon trennen können, hat manchmal auch etwas mit dem Gefühl von mangelnder Sicherheit zu tun. Eine gewisse Sicherheit kann oft über den Besitz von Dingen versucht gewährleistet zu werden. Oder auch eine innere Leere könnte dadurch, unbewusst, versucht werden auszufüllen.
Ordnungszwänge
wo Betroffene sich sehr stark darauf konzentrieren eine bestimmte Ordnung und Struktur aufrecht zu erhalten. Gegenstände liegen dann z.B immer am gleichen Platz, in der gleichen Reihenfolge oder auf dem Sofa muss jedes Kissen akkurat angeordnet sein, die Handtücher Millimeter genau übereinander liegen usw. Zu den „Spinnern“ gehöre ich übrigens auch 😅 – Es ist nicht so schlimm wie manch anderen (also es kommt bei mir noch nicht auf den exakten Millimeter an) und vorübergehend kann mich auch auf etwas Unordnung einstellen, wenn Besuch mit Kindern oder Tieren z.B kommt. Aber grundsätzlich bin ich schon sehr pedantisch wenn es um meine Ordnung geht.
Gerade wenn in deinem Leben Ordnung und Struktur gefehlt hat, d.h wenn also nicht dauerhaft ein stabiles und sicheres Umfeld gegeben war, kann ein extrem inneres Bedürfnis nach eben dieser entstehen. Wenn dir früher vll die Sicherheit von deinem Umfeld genommen wurde, dann versuche man sie heute über das zu aufrecht zu erhalten was man beeinflussen kann – Sich selbst.
–> ,,Ich selbst kontrolliere da was geschieht und zwar so genau das nichts Unvorhergesehenes von Außen passieren kann“ (–> führt zu Perfektionismus). Natürlich kann jederzeit etwas Ungeplantes von Außen geschehen, dass weiß der Perfektionist auch (rational), dennoch versucht sich, wie gesagt, die Psyche irgendwie zu helfen und irgendwelche Lösungswege zu finden.
Andere Zwänge
- Es gibt auch Zwangsgedanken darüber das die Betroffenen Angst haben andere zu verletzen oder das bestimmte Rituale wiederholt werden müssen, um Unglück oder Schaden abzuwenden
–> die Angst jemand zu schaden (in welcher Weise auch immer) könnte ausgelöst von der Befürchtung sein, dass man dann vll nicht mehr akzeptiert und geliebt wird, ein schlechter Mensch wäre und am Ende keiner mehr etwas mit einem zu tun haben möchte, man dann auch vereinsamt
- oder die zwanghafte bildliche Vorstellung unangenehmer sexueller Handlungen
- Und dann gibt es auch noch den Grübelzwang, wo sich häufig die Gedanken um Situationen drehen, die (noch) nicht geklärt sind. Diese Gedanken drängen sich ebenfalls immer wieder auf und sind sehr quälend. Oft tritt dieser auf wenn Betroffe sich nicht trauen Entscheidungen zu treffen und vll denken immer wieder falsch zu liegen ect. (starke Selbstunsicherheit)
Wenn ihr das Gefühl habt das euch eure Zwänge stark im Griff haben und euch auch belasten, wendet euch bitte an einen Psychotherapeuten, bevorzugt Verhaltenstherapie.