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Strukturelle Dissoziation grafisch erklärt (vereinfacht)

Ganz oft höre ich, dass sich Menschen nicht vorstellen können, wie das mit der (p)Dis funktionieren soll.
Da die Dis jedoch kein Hexenwerk ist, dachte ich, ich probiere es einmal euch die Aufteilung im Kopf, grafisch darzustellen. Ich lerne visuell sehr gut und vllt. kann sich so auch der ein oder andere all das etwas besser vorstellen.

Beiträge, welche die genauen Störungsbilder ausführlicher behandeln, verlinke ich euch in den entsprechenden Kapiteln.

Wichtig ist (!):
All das ist stark vereinfacht dargestellt. Unser menschliches Gehirn funktioniert sehr komplex und auch die Aufteilung der inneren Anteile ist viel variabler.

Neurotypisches Gehirn

Stellen wir uns unser Gehirn und die darin existierenden Persönlichkeiten einmal wie ein Großraumbüro vor, in den jeder seinen Schreibtisch hat. Es gibt einen strengen Dresscode. Alle tragen daher die gleiche Uniform und haben die gleichen Haare .

Jeder Mensch hat unterschiedliche Rollen, in die er hin und wieder schlüpft. Bei den Kindern benimmt man sich ganz anders, als gegenüber dem Partner oder auf Arbeit. All diese „Persönlichkeiten“ (einzelne Gehirnareale) sitzen jedoch gemeinsam in dem Großraumbüro und arbeiten, Hand in Hand, zusammen. Sie alle zusammen ergeben, als ein Bewusstsein, die Gesamtpersönlichkeit des Menschen.

PTBS

Erleiden wir ein Trauma und entwickeln daraus eine PTBS, bekommt ein Großraumbüro-Mitarbeiter (=emotionaler Persönlichkeitsanteil/EP) nun die Aufgabe, sich darum zu kümmern. Alles wichtige, was mit dem erlittenen Trauma zusammenhängt, bekommt er nun in Aktenform auf den Tisch gelegt. Er bekommt zwei Trennwände neben seinen Tisch aufgestellt, entweder eine durchsichtige, sodass er noch sieht, was um ihn herum geschieht). Oder eine dunkle (wenn eine Amnesie zum Trauma, z.B den Unfallhergang oder zum Überfall, besteht). Jedoch bekommt er kein eigenes, abgetrennte Büro. Er arbeitet immer noch mit dem Rest der Mitarbeiter zusammen.
Wenn nun irgendetwas, was mit diesem Trauma zu tun hat/relevant wird (z.B wenn ein Trigger auftritt), wird alles an diesen zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet.

KPTBS und Borderline

Mehrere Traumata, also mehr Akten die noch bearbeitet werden müssen, brauchen auch mehr Mitarbeiter, die sich darum kümmern (= mehr EP’s).
Noch immer tragen aber alle die gleiche Uniform, haben den selben Haarschnitt und sind mehr oder weniger Teil des Großraumbüros (= traumatische Gefühle wurden abgespalten und agieren bei Triggern autonom, z.B mit starker Wut oder Angst, aber haben kein eigenes Bewusstsein).

Ego-State-Disorder

Hier haben sich einige der Mitarbeiter bereits entschlossen aus dem „Schwarmwissen“ auszubrechen. Sie haben weiterhin hier ihren abgetrennten Schreibtisch, tragen aber auch schon andere Kleidung und haben sich die Haare gefärbt (= die emotionalen Anteile/Traumaträger haben bereits ein teilweise eigenes Bewusstsein, mit eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Erfahrungen).
Das Großraumbüro arbeitet aber immer noch zusammen (= und repräsentiert damit die Persönlichkeit des Gesamtmenschen).

Partielle dissoziative Identitätsstörung

Bei der pDis gibt es das Großraumbüro so nicht mehr. Jeder Mitarbeiter hat bereits sein eigenes, vollständig abgeteiltes Büro bekommen. Auch sitzt in diesem keiner mehr mit Uniform, sondern jeder trägt seine ganz individuelle Kleidung (= eigenes Bewusstsein, Erinnerungen und Meinungen). Allerdings sind die Wände der Büros aus Glas, sodass trotz allem jeder sehen kann, was der andere tut (= Co-Bewusstsein).
Der Mitarbeiter XY am anderen Ende des Büros kann so zwar möglicherweise noch, wenn er sich Mühe gibt, schauen was der Kollege ZX macht. Das heißt aber nicht, dass er auch automatisch mit ihm kommunizieren kann oder weiß welches Thema (=Erinnerung) er auf seinem Schreibtisch bearbeitet , schließlich befinden sich trotz allem Wände zwischen ihnen. Dazu müssten beide entweder die Türen öffnen oder ein Telefon nutzen.

Dissoziative Identitätsstörung

Hier gibt es nun auch keine verglasten Wände mehr. Jeder hat sein ganz eigenes Büro, mit festen, undurchschaubaren Betonwänden. Selbst wenn sich Mitarbeiter XY nun also ganz weit zurücklehnt und sich den Hals halb verrenkt, kann er nicht sehen was im Nebenzimmer geschieht. Um zu erfahren was die anderen Mitarbeiter machen und was deren Aufgabengebiet in der Firma ist, muss er sich also mit ihnen vor dem Büro treffen oder ihre Nummer herausfinden, um sie anrufen zu können. Wenn er sich irgendwann mit einem Kollegen richtig gut versteht, reißen beide möglicherweise die Wand ein und arbeiten zusammen in einem großen Büro.
Aufgrund der Einzelbüros kann es hier auch dazu kommen, dass unterschiedliche Mitarbeiter mit den Kunden (= der Außenwelt) reden, ohne zu wissen was ein anderer Mitarbeiter dem Kunden vorher erzählt hat.
Es kann aber auch Mitarbeiter geben, die eine Glaswand zum Büro des anderen haben (= Co-Bewusstsein).

Arten von Trauma

Den Unterschied von Monotrauma (also einem Erlebnis) und komplex Trauma (mehrere Traumata bzw Traumata über einen langen Zeitraum hinweg) sind wohl vielen soweit bekannt. Doch es gibt noch viel mehr Begrifflichkeiten bzw. Unterschiede. Im Prinzip wiederholen sich einige in ihrem Inhalt, haben aber andere Namen zur genaueren Definition bekommen und das wollen wir uns heute einmal näher anschauen…

Schock- bzw Monotraumata

Hier ist die Rede von EINEM Trauma, welches im Körper abgespeichert wird. Zum Beispiel könnte dies ein Autounfall sein, ein Überfall, eine Vergewaltigung usw. – Das ein Schocktrauma immer in Erinnerung geblieben sein muss, ist jedoch eine Fehlannahme, die die Wissenschaft bisher längst aus dem Weg räumen konnte. Auch hier kann die Erinnerung an das Trauma so schrecklich sein, dass das Gehirn die sie aus dem Gedächtnis entfernt hat.

Als Folge wird übrigens meist eine PTBS angesehen, inkl. Depressionen, Dissoziationen usw. Auch hier können die Dissoziationen bereits sehr schlimm werden, so das z.B ein Assistenzhund für das normale Alltagsleben benötigt wird.

Traumata Typ1 (entspricht dem Monotrauma)

Einmalige Ereignisse die plötzlich und unerwartet auftreten und akute Lebensgefahr bedeuten, z.B der Verlust eines Kindes, ein Autounfall oder eine lebensbedrohliche Diagnose, wie z.B Krebs etc.

Entwicklungs- oder Multitraumata

Bei einem Entwicklungstrauma ist die Rede von Traumata, die über einen längeren Zeitraum stattfinden. Kinder die z.B mehrmals bzw. über eine längere Zeit missbraucht werden. Ob nun emotional, körperlich (Schläge z.B) oder se*uell. Aber auch bei Erwachsenen, die sich z.B längere Zeit in einer missbräuchlichen Umgebung aufhalten (narzisstischer Missbrauch oder Krieg, Folter, etc.), wird mittlerweile von komplexer, also langanhaltender Traumatisierung gesprochen. Zu einem Trauma, langanhaltend erlebt, können aber auch mehrere Traumata aufeinander folgen, die zu einen Entwicklungstrauma führen. Also z.B emotionaler und se*ueller Missbrauch zusammen, usw.

Traumata Typ2 (entspricht dem komplex Trauma)

Sich langanhaltend wiederholente Ereignisse aus denen es kein Entrinnen gibt und welche mit Todesangst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Scham und Demütigung verbunden sind, wie z.B Gewalterfahrungen oder Vernachlässigung im Kindesalter, Kriegs- sowie Foltererfahrungen, langanhaltendes Mobbing, Vertreibung oder Gefangenschaft , usw.

Kumulative Traumata

Traumata die erst in ihrer Kombination zum Trauma werden, z.B ist eine Beleidigung noch nur verletzend. Ständige Beleidigungen, Beschämungen, usw. (wie beim Mobbing z.B) wiederum können zu einem kumulativen Trauma führen.

Sequentielle Traumata

Schwere, mehrfache Traumatisierungen die in einem besatimmten Zeitraum stattfinden. Zum Beispiel se*ueller Missbrauch in den Jahren zwischen 7-12 oder Kriegsfolter zwischen 2012-2016, usw.

Sekundär-Traumata

Hier geht es um Menschen, die ein Trauma nicht aus 1. Hand sondern eher aus der „Beobachterperspektive“ erlebten. Jemand der also z.B einen Mord oder schlimmen Autounfall etc. mit ansehen muss, kann ebenfalls ein Trauma davontragen. Das ein guter Freund z.B damals so etwas in der Art aus einer Vergew**tigung meinerseits davontrug, war für mich nicht verständlich. Ich dachte damals: ,,Hä, mir ist das doch passiert? Und wenn mir das nix ausmacht (aber auch nur aus dem Grund der Dissoziation😉), warum beschwert der sich jetzt?“ . Aber er hatte halt alles hautnah miterlebt. – Ehrlich, ich war schon ein bisschen mies. Ich hatte wenig Verständnis. Generell wusste ich nicht, warum man sich bei sowas so haben konnte.

Was da aber stattfand, war bei demjenigen eine Traumatisierung 2ten Grades, die im Übrigen ebenso zu Flashbacks, Intrusionen, Schlafstörungen, Angstattacken, etc. führen kann. Durch direkte Erzählung usw. kann so etwas z.B auch oft Psychologen treffen, weshalb es auch so wichtig ist, dass sich diese abgrenzen können. Wenn der Psychologe also Grenzen aufstellt, ist das nicht, weil er mit eurem Zeug nichts weiter am Hut haben möchte, sondern weil es wichtig ist, dass er sich selbst schützt. Ein ebenfalls traumatisierter Helfender bringt schließlich wenig Hilfe.

Keine Ahnung wer es nachvollziehen kann, aber ich bin da z.B anfangs recht arrogant rangegangen, von wegen: ,,Hallo? Ich musste den Rotz doch erleben, nun hab dich mal nicht so, nur weil du dir das anhören sollst. Ich versteh das Problem nicht?!“ – Jaaaaa. Nein. Helfenden so etwas unvermittelt mitzuteilen (am besten noch in meinem Denken) kann böse Folgen haben. In Foren wiederum hab ich gelesen, keine Triggerwarnung könnte zu einer sekundär Traumatisierung führen. Ich persönlich (was aber keine medizinische Meinung ist!) bezweifle das jedoch und glaube, man ist dann „nur“ getriggert. Vllt kommt es auch auf die Art der detaillierten Erzählung an. Generell sollte man trotzdem bedenken, nur weil etwas nicht so schlimm auf einen selbst wirkt (wegen der Dissoziation!) kann es auf andere ganz anders wirken!

Man-made Traumata

Ereignisse, die von Menschn verursacht wurden. Also z.B Überfälle, Vergew**tigungen, Krieg, Folter, emotionaler Missbrauch, etc.

Akzidentelle Traumata

Ereignisse, die nicht durch andere Menschen verursacht wurden und auch (teilweise) dem Zufall unterliegen, z.B Naturkatastrophen, Unfälle (nicht menschengemacht), usw.

Kollektive Traumata

Erlebnisse die von mehreren Menschen gleichzeitig erlebt wurden, wie z.B Krieg oder Terrorattentate, aber auch Naturkatastrophen, …

Big-T-Traumata

Lebensbedrohliche oder zumindest als lebensbedrohlich wahrgenommene Ereignisse, wie z.B Terrorakte, schwere Krankheiten, operative Eingriffe, plötzliche Verluste (von Nahestehenden), Kriegs- oder Folterakte, Angriffe auf die körperliche-, emotionale- und/oder soziale Existenz. usw.

Small-T-Traumata

Weniger bedrohliche Ereignisse als beim Big-T-Traumata, welche aber trotzdem mit Angst, Schrecken, Beschämung, Verunsicherung und Schuldgefühlen verbunden sind und denen man nicht ausweichen kann.

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #3 Intrusion (1)

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. In den letzten beiden Beiträgen schauten wir uns die Hypervigilanz und die Konstriktion näher an. Heute soll es dann um die Intrusion gehen….

Aufgrund der Länge des Beitrags habe ich mich aber entschieden ihn aufzuteilen. Nächste Woche gibt es dann noch den 2.Teil, der sich mit intrusiven Handlungen bzw. der Traumareinszenierung näher befassen wird.

Was sind Intrusionen?

Intrusionen können wir als das genaue Gegenteil der Konstriktion verstehen. Während die Konstriktion versucht, die traumatische Erinnerung aus dem Bewusstsein zu verdrängen, schiebt die Intrusion sie, ohne Vorwarnung und mit Nachdruck, direkt in das aktuelle Tagesbewusstsein.

Sinn und Zweck haben aber beide. Die Eine möchte uns vor den überflutenden Gefühlen des Traumas schützen, die andere möchte es ins Bewusstsein drängen, sodass es aufgelöst werden kann.

Weiter konnte man anhand verschiedener Tierversuch nachweisen, das sich Erlebtes bei anhaltend hoher Konzentration von Adrenalin und anderen Stresshormonen im Blut, stärker einprägt. Der Psychiater Bessel van der Kolk vermutet, dass dabei die sprachliche Kodierung im Gedächtnis außer Kraft gesetzt wird und das Zentralnervensystem die Gedächtnisspuren deshalb in der visuellen oder sensorischen Form abspeichert. Was eine Erklärung dafür wäre, warum traumatische Erlebnisse eher in Form von Bildern, Gerüchen oder Gefühlen wieder auftauchen, sich aber kaum in eine flüssige sprachliche Form bringen lassen.

Diese noch lose abgespeicherten Erinnerungen in uns, sind zudem mit einem Auslösereiz (Trigger) gekoppelt. Etwas was unmittelbar mit der traumatischen Situation zusammenhing. Trifft die traumatisierte Person nun später auf einen dieser Trigger, wird die entsprechende Erinnerung hervorgeholt.

Welche Formen der Intrusion gibt es?

Intrusionen können sich auf verschiedenen Wegen bemerkbar machen. Sie tauchen in Form von Albträumen wieder auf, schieben sich gedanklich mitten am Tag in unser Bewusstsein, holen uns direkt ins Trauma in Form eines Flashbacks zurück oder wiederholen das Trauma in unseren Handlungen. Wir wollen uns diese unterschiedlichen Varianten einmal näher anschauen:

Albträume

Albträume sind ein sich wiederholendes Merkmal nach traumatischen Erlebnissen. Einen Albtraum an sich hatte natürlich jeder Mensch schon einmal. Belastende Gedankengänge und Erfahrungen tauchen nachts in Form wilder Bilder wieder auf und lassen uns oftmals ängstlich hochschrecken. Da bei einem Trauma diese Erfahrung jedoch nicht abebbt, erleben wir die nächtlichen intrusiven Bilder und Gefühle auch dauerhaft und wiederholt. Dort kann das Trauma exakt 1:1 dargestellt werden oder aber es tritt abgewandelt auf. Da ich aber bereits schon mal einen eigenen Beitrag zum Thema Albträume und (nächtliche) Flashbacks geschrieben habe, möchte ich an dieser Stelle auch auf diesen Artikel verweisen.

Flashbacks

Dann haben wir da als nächstes die Flashbacks, eine Unterkategorie der Intrusionen. Beim Flashback wirst du zeitlich und räumlich direkt zurück ins Trauma geworfen. Der Flashback kann auf emotionaler, visueller, körperlicher, gustatorischer (Geschmack) oder auf olfaktorischer (riechen) Ebene auftreten. Wie sich diese einzelnen Flashbacks bemerkbar machen und durch was sie sich unterscheiden habe ich ebenfalls in einem anderen Beitrag, und zwar in Flashbacks und Intrusionen, näher erläutert.

Gedanken

Auch hier wird, wie beim Flashback, per Trigger ein Bild oder Gefühl hervorgeholt. Beide unterscheiden sich jedoch in ihrer Intensität. Während man beim Flashback vollständig geistig, körperlich und zeitlich in das Trauma zurückgezogen wird und es erneut durchlebt, bleibt man bei der Intrusion zeitlich und räumlich noch im Hier und Jetzt.

Ich persönlich kann da übrigens fast dauerhaft keinen Trigger bei mir ausmachen. Sie kommen einfach und teilweise sogar ziemlich, ziemlich oft. Da sie (bei mir zumindest) nur einen kurzen Augenblick bleiben und dann wieder verschwinden, sind sie auch nicht übertrieben störend, finde ich. Die „normale“ Intrusion ist mir zumindest 1000x lieber als ein Flashback.

Wo ist der Unterschied zur normalen Erinnerung?

Wenn ich mich z.B an letztes Jahr grillen erinnern möchte oder ich unterhalte mich darüber und die passende Erinnerung wird dazu aktiviert, dann sehe ich diese zwar bildlich vor mir, aber sie wirkt fade, leicht ausgegraut.
Die Intrusion dagegen ist lebendig. Du siehst eine vergangene Szene nicht nur, sondern du bekommst sie mit deinen ganzen Gefühlen und Empfindungen von damals aufgedrückt. Ich fühle mich dann auch wieder genau wie zu der Zeit, als wäre ich dort zurück zu Besuch. Gleichzeitig kann ich aber normal im Außen weiteragieren. Wenn so etwas z.B draußen auf der Straße kommt, stört es also (für das Agieren in der Umgebung) eigentlich kaum. Erhalten bleiben kann jedoch das ungute Gefühl, das mit dieser Intrusion mitkam, welches einem durchaus manchmal ganz schön die Laune in der momentanen Situation vermiesen kann.

Weiter holst du die Intrusion nicht bewusst hervor, sondern sie kommt einfach. Ist auch Wurst ob du gerade Lust hast oder nicht. Wegwedeln, sowie manche „normale“ Erinnerungen, kann man sie jedenfalls nicht, zumindest nicht sonderlich gut.

Intrusionen von Nebensächlichkeiten oder auch: Intrusionen bei KPTBS?

Ich wunderte mich lange sehr, weil ich eigentlich kaum eine Intrusion hatte, welche das Trauma direkt widerspiegelt. Bei mir kommen eigentlich eher, vom Gefühl her, völlig nebensächliche Dinge. Das war natürlich ein gefundenes Fressen für mich, vor meiner Therapeutin und auch vor mir selbst darauf zu beharren, dass niemals etwas schlimmes passiert sein kann. Traumatisierte Menschen sehen und erleben das Trauma schließlich in all seinen Poren immer wieder erneut. Träume lassen sich anders erklären, visuelle Flashbacks habe ich nicht und meine Intrusionen … Hey komm schon 🤷‍♀️.

Also erstmal sei gesagt ☝️: Es gibt tatsächliche auch positive Intrusionen und Flashbacks. Scheint zwar widersprüchlich, aber es können durchaus auch schöne Sachen intrusiv auftauchen. Wer so etwas erlebt, spinnt also nicht.

Ich habe bei diesen „Nebensächlichkeiten“ jedoch selten ein positives Gefühl. Höchstens neutral, würde ich behaupten. Die Situationen an sich wirken meist aber wie mitten aus dem Leben gegriffen, also hab ich versucht dem, in den letzten Monaten, mal etwas auf die Spur zu gehen…

Ein Blick in die Vergangenheit…(Triggerwarnung!)

Da ich mich eigentlich dauerhaft von einem toxischen Umfeld ins Nächste stürzte, hatte ich vor 3 Jahren tatsächlich das erste Mal in meinem Leben das Gefühl von Ruhe. Narzissten scharrte ich, genau genommen, permanent um mich. Ich hielt ich mich zudem in verschiedenen Szenen auf, die wirklich nicht gerade gesund waren: Von Kontakten mit der türkischen Mafia oder Koksern mit Knarre für ihre Raubüberfalle, zu Psychotikern die plötzlich einen Elektroschocker in ihrem Wahn zückten oder sonst was für Dramen heraufbeschworen. Großdealer im Haus, mit festen Arbeitszeiten über organisierte Vergewaltigungen, gehörte alle zu diesem Umfeld.

Es gab Situationen wo jemand eben einfach mal „verschwand“ oder wo jemand anderes mit 30 Messerstichen, unter der Folie eines Gartenteichs, gefunden wurde. Es gab Situationen wo es unter verschiedenen Dealern nicht mehr nur um harmlose Streitereien ging, weil viel zu hohe Summen im Spiel waren. In dem anderen Kreis kam es zu permanenten Diebstählen, Dramen, Intrigen, Übergriffen usw. Vieles davon, kommt heute erst wieder wirklich zurück bzw wird mir bewusst. Für mich war das alles aber immer völlig normal. Egal in welcher Szene ich mich befand und ob da Gewalt, Idiotie (nett ausgedrückt) oder eher Geld und völlige Ignoranz die Überhand hatten. Ich empfand diese Dramen nervig, aber nie als das, was sie eigentlich waren: Traumatisierend.

Auch meine Beziehungen (partnerschaftlich und freundschaftlich) hatten es in sich, was ich damals jedoch natürlich nie so gesehen habe. Erst jetzt im Rückblick muss ich mir selbst manchmal ganz schön an den Kopf greifen: Ich ging z.B mal mit jemanden eine Beziehung ein, der mir vorher erzählte, dass er seiner Ex-Freundin ein Kissen aufs Gesicht drückte und es erst weg tat, als sie sich nicht mehr bewegte. Er dachte sie sei tot. Aber damit nicht genug: Als Teenager, im Heim, hat er einen anderen Jungen umgebracht. Ein Schlag ins Gesicht, blöd getroffen, Junge tot. Keiner verrät ihn und ich so: „Ja jeder hat doch seine Macken oder? 🤷‍♀️ Komm, wir versuchen’s mal❤️“ 🤦‍♀️🤦‍♀️

Was ich damit sagen will….

Den emotionalen Missbrauch und die permanenten Ausnahmezustände habe ich geschafft, seit meiner Kindheit, dauerhaft aufrechtzuerhalten, bis ich ungefähr 27 war. Ich kann mich an kein Jahr erinnern, wo es auch nur einmal wirklich Ruhe gab. Im Bereich psychischer Missbrauch schaffte ich da ein recht konstantes Level, möchte ich meinen. Und dazu kamen noch ein paar andere Sachen, die sich aber auch oft im Kontext zu früher recht ähnlich waren.

Und alles was da nun an scheinbar nebensächlichen Intrusionen auftaucht, ob nun aus der Kindheit oder von später, hängt eigentlich immer und automatisch mit einer dieser Lebenssituationen zusammen, die eben traumatisch war.
Da das Trauma so langanhaltend war (ohne wirkliche Unterbrechung) bzw die Traumata immer wieder neu auftraten, kann es auch nicht DIE EINE Szene geben. So wie es z.B bei einem Überfall o.ä. der Fall wäre. Nicht die Einzelsituation war traumatisch, sondern die gesamte(n) Lebensepisode(n), weshalb logischerweise auch diese vielen unscheinbar wirkenden Intrusionen auftauchen. Der Moment isoliert, wirkt normal, zu betrachten gilt aber die Gesamtsituation, in der ich dauerhaft im Ausnahmezustand lief.

Bei KPTBS möchte ich daher behaupten, dass es normal ist, nicht permanent ‚die eine‚ traumatische Situation wieder zu erleben, sei es nun als Intrusion oder Flashback. Viel mehr sollte man bei den einzelnen (auftauchenden) Episoden schauen, was drum herum dazugehört.

Intrusion als Handlung

Wie man hier vll schon herausließt scheint sich auch ein vergangenes Trauma gerne, im Laufe des Lebens, zu wiederholen. Die Traumareinszenierung ist ebenfalls eine Form der Intrusion, welche ich, aufgrund der Länge des Artikels, aber gerne ausführlicher im nächsten Beitrag besprechen möchte. Mir persönlich helfen meist Beispiele anderer Betroffener sehr weiter, blinde Flecken bei mir selbst leichter zu erkennen. Darauf wollen wir dann nächstes Mal näher eingehen.

Intrusive Gedanken stoppen

Wie ich schon erwähnte, gibt es kaum ein Mittel die intrusiven Gedanken oder Gefühle vom Auftauchen abzuhalten. Um sich jedoch nicht darin zu verlieren, kann man es mit Achtsamkeitsübungen versuchen. Im Hier und Jetzt bleiben, sich ablenken…

  • Zählt laut auf, was ihr gerade macht. Jeden Schritt. Zum Beispiel: ,,Ich schalte jetzt den Computer an. Nun setze ich mich auf meinem Stuhl. Ich öffne Programm XY.“ usw. Oder: ,,Ich öffne den Kühlschrank und nehme die Gurke heraus. Jetzt lege ich sie auf das Schneidebrett. Ich nehme ein Messer in die Hand und schneide eine Scheibe ab. Nun noch eine…“ usw. usf.
  • Versucht es mal mit Imaginationsübungen, wenn euch ein Gefühl vereinahmt. Vor allem das mit der Wassersäule hilft mir da oft sehr weiter. Schaut ruhig einmal Hier vorbei, dort habe ich einige Imaginationsübungen (u.a das mit der Wassersäule) bereits beschrieben.
  • Dann das Übliche: Sport, Musik (am besten richtig laut mit Kopfhörern), Gerüche. Ihr könnt etwas malen, ein Videospiel auspacken, usw.
  • Weiter Möglichkeiten, was z.B auch bei Flashbacks helfen kann, habe ich im Artikel 1.Hilfe bei: Flashbacks schon näher erklärt

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #2 Konstriktion

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. Wir wollen uns in diesen Beiträgen einmal die Hypervigilanz, die Intrusion und Erstarrung näher anschauen…

Was ist Konstriktion?

In der Psychologie wird der Begriff Konstriktion für das geistige Erstarren, nach einer traumatischen Erfahrung, verwendet.

Ist weder Kampf noch Flucht möglich, fallen wir bei einem Angriff in eine Art Totstellreflex. Wir erstarren, körperlich, vor allem aber psychisch. Und in der Folge wird jede Erinnerung an das Trauma krampfhaft, bewusst und unbewusst, versucht zu vermeiden.

Wie äußert sie sich?

  • kaum bis kein Schmerzempfinden mehr
  • das Zeitgefühl verändert sich (z.B kann die Umgebung wie in Zeitlupe erlebt werden oder das Erlebnis kann in überhaupt keinen zeitlichen Rahmen mehr gebracht werden, etc.)
  • Sinneseindrücke werden nicht mehr registriert
  • die Wahrnehmung verzerrt oder verändert sich (z.B wird man völlig ruhig und emotional distanziert zum oder während des Ereignisses, Gleichgültigkeit, man verliert jegliche Kampfbereitschaft und Urteilsfähigkeit, man fühlt sich nicht selbst betroffen oder als wäre alles nur ein Traum, Derealisation und Depersonalisation, usw.)
  • starrer, betäubter Blick (Emotionslosigkeit)
  • körperlicher und/oder geistiger Lähmungstzustand (sich wie betäubt fühlen, kann sich aber eben auch in Form eines Stupor, der körperlichen Lähmung, darstellen)
  • Lust- und Freudlosigkeit, innere Leere
  • abgespaltene Erinnerung/Amnesie, es können auch nur die Bedeutung oder Gefühle zu einer Erinnerung fehlen

Warum und wie kommt es zu dieser Erstarrungsreaktion?

Konstriktive Symptome sind der hypnotischen Trance sehr ähnlich, welche zum ganz normalen Spektrum menschlicher Bewusstseinszustände gehört. Forscher gehen davon aus, dass sie aktiviert wird, sobald wir einem traumatischen Erlebnis ausgesetzt sind bzw. waren.

Hypnose selbst verwendet man in der Medizin teilweise z.B sehr ähnlich wie Morphium und andere Opiate, da sich durch sie unerträgliche Schmerzen mildern lassen. Es lässt sich also davon ausgehen, dass unser Körper die Konstriktion einsetzt, um uns vor schrecklichen Qualen und Schmerzen zu beschützen.

Es wird vermutet, dass ein Trauma die Regulation der körpereigenen opiatähnlichen Substanzen dauerhaft verändert, was die langanhaltenden konstriktiven Symptomen, auch nach Abklingen der akuten Gefahr, erklären würde.

Die genauen biologischen Faktoren, die zu dieser Erstarrung führen, sind dennoch noch nicht vollständig geklärt.

Wann wird Konstriktion problematisch?

In der akuten Gefahrensituation scheint die Konstriktion ein wahrer Segen zu sein. Ich glaube, ohne sie hätte man viele Traumata gar nicht lebendig überstehen können.

Da ihre Kernaufgabe aber das Vermeiden von lebensbedrohlichen (oder ähnlichen) Situationen ist, werden natürlich auch die traumatischen Erinnerungen (bildliche, emotionale, usw.) vom normalen Bewusstsein ferngehalten. Sie können so deshalb natürlich auch nicht integriert werden, was dem Genesungsprozess mächtig im Weg steht. Wir können durch die innerliche Erstarrung und das ständige Unterdrücken keinerlei neue, positive Erfahrungen und Verknüpfungen sammeln, welche für die Trauma-Verarbeitung allerdings unerlässlich sind. Stattdessen bleibt das Trauma weiter unterdrückt in uns verborgen und wird sich deshalb auch weiter durch allerhand unangenehmer Symptome bemerkbar machen. Das dauerhafte Vermeiden (ausgelöst, wie erwähnt, durch das veränderte Zentralnervensystem) hält uns letztendlich tatsächlich weiter im Trauma gefangen.

Wenn wir immer wieder bestimmte Situationen vermeiden bzw. bei Trigger in unbewusste Vermeidungsstrategien abgleiten, signalisieren wir unserem Gehirn damit , dass es mit seiner Angst recht hatte und wir uns immer noch in akuter Gefahr befinden. Statt beim nächsten Mal leichter damit umgehen zu lernen, verstärken wir unsere Angst also nur zusätzlich. Dies führt wiederum zu noch mehr und noch stärker ausgeführten Vermeidungsverhalten und dementsprechend mehr Lebenseinschnitten und Leid. Das kann dann irgendwann auch zu allerhand Sachen wie Zwängen, Phobien usw. führen.

Das dieser Teufelskreislauf dazu führt, dass wir immer weniger Hoffnung auf Besserung empfinden und demnach auch nicht mehr fähig sind, für uns eine Zukunft zu sehen, dürfte nun sicher auch kaum einen verwundern. Ich kann z.B zwar sowas einzelnes wie Weihnachten planen, aber meine echte Zukunft (wie Ziele, Wünsche, Job, soziales Umfeld, Beziehung, Kind, usw.) existiert einfach nicht. Der Gedanke daran fühlt sich schon absolut abstrakt und unrealistisch an. Als würde ich in ein schwarzes Loch greifen.

Zusätzliche Probleme

Weiter entwickeln Betroffene, durch den Wunsch irgendwie wieder Sicherheit zu gewinnen und die Angst in den Griff zu bekommen, oft zusätzliche (oft unbewusste) Trauma-Coping-Mechanismen, wie z.B:

  • Dissoziation (die sich auch in den normalen Alltag einschleicht)
  • Vermeidungsstrategien, aus Angst vor Triggern oder erneuten Traumata ➡ z.B Isolation, manche verändern auch ihr Aussehen (nach einer Vergewaltigung z.B) oder ihr Verhalten, usw.
  • das Rationalisieren der traumatischen Auswirkungen, sodass das Ausmaß der empfundenen Angst gar nicht wahrgenommen wird, eine Handlung wird bspw. völlig losgelöst vom Trauma betrachtet Bestimmte Orte werden z.B strikt gemieden, ohne zu wissen warum – Oder meine panische Angst z. B davor, mit dem Kopf unter Wasser zu kommen konnte ich jetzt erst mit einem Ereignis aus der Kindheit verknüpfen. Obwohl das Wissen bestand, dass diese Situation definitiv traumatisch war und faktisch 1:1 zu meiner heutigen Angst passen würde, konnte ich keine Verbindung ziehen. Ich zogs nicht mal in Betracht, ich handelte einfach nur. Die szenische Erinnerung war recht emotionslos und daher nicht schlimm. Die Angst, Ohnmacht, Wut, Einsamkeit und Todespanik, die ich dafür teilweise im Wasser empfand, war zwar Kacke, aber so allein für sich auch „erträglich“. Jetzt wo ichs verbinden kann, tauchen auch Gefühle von Verrat, Schmerz und Machtlosigkeit auf, also die miesen. Solange rein nur die Angst vorm Wasser bestand (die natürlich auch noch da ist), konnte ich diese unangenehmen Gefühle durch Vermeiden umgehen. Ich hatte in Wahrheit keine Angst vorm Wasser selbst (weshalb Konfrontation auch nix brachte), sondern vor dem, was damit verknüpft ist. Das Trauma fand zwar im Wasser statt, war aber erst durch das Verhalten meiner Eltern wirklich traumatisch. Ohne diesen Zusammenhang zu kennen, bleibt logischerweise auch eine reine Angsttherapie recht erfolglos.
  • ein Aberglaube wird entwickelt: PTBS-Betroffene suchen nach guten oder bösen Omen/Vorzeichen und richten ihr Leben danach aus ➡ Versuch Kontrolle zurück zu erlangen

Substanzen – künstlich herbeigeführte Konstriktion

Viele Trauma-Betroffene versuchen auch durch Alkohol oder Drogen ähnliche unterdrückende Effekte zu erzielen. Albträume, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Wut, aber auch intrusive Erinnerungsfetzen werden dadurch zu mildern versucht. Bei Kriegsveteranen mit PTBS, die sich längst nicht mehr im Kampf befanden, litten z.B 85% unter Alkohol- und Drogenproblemen. Andere Studien kommen zu einem Ergebnis von 75% bei Trauma-Patienten. (K)PTBS-Betroffene scheinen also zu einem sehr hohen Prozentsatz anfällig für Suchterkrankungen oder zumindest betäubende Verhaltensweisen zu sein. Sie versuchen dadurch intrusive Zustände zu verdrängen und unterdrücken. Das ist dann bewusste Traumavermeidung durch Hilfsmittel. Konstriktion geschieht dagegen oft unterbewusst und automatisiert. Meistens wird dann zu Substanzen gegriffen, wenn die innere Konstriktion nicht mehr greifen kann, weil sich intrusive Zustände dazwischenschieben. Leider Gottes führen beide Coping-Strategien aber eben so oder so nicht wirklich zu einer Besserung, da sie beide die Erinnerungen vom Bewusstsein fernhalten.

Und jetzt?

Ist das nicht toll, was man rational immer alles so weiß?

,,Vermeidung, Verdrängung und Unterdrückung sind also nicht gesundheitsförderlich? Super. Ich mach dann mal trotzdem weiter, ne?“ Genauso läuft das hier ab. Mir ist z.B durchaus bewusst, dass es mir durch dieses permanente ‚zuhause-verkriechen‘ schlechter statt besser geht und was tue ich? Genau, mich noch mehr zuhause verkriechen 🤦‍♀️.

Von daher: Keine Sorge wenn ihr viele schlaue Ratschläge und Informationen hört oder lest. Etwas rational wissen und es dann auch umsetzen können, sind 2 unterschiedliche Paar Stiefel. Nicht weil man nicht genug will oder zu faul oder dumm ist, sondern weil es einfach Gründe gab, warum solche Strategien überhaupt entwickelt wurden. Sowas behebt man nicht durch gut zureden oder durch das Lesen oder Hören von ein paar „Tipps“. Es braucht Zeit und viele verschiedene Stationen, sowie Versuche bis sich sowas nach und nach verbessert. Wir können es nur immer wieder in kleinen Schritten angehen und uns ausprobieren. Durch keinen Ratgeber der Welt wird sich jedoch von heute auf morgen etwas grundlegend verändern. Ihr macht also nichts falsch, wenn ihr nicht direkt freudestrahlend durch die Gegend hüpfen könnt.

Und ganz ehrlich? So richtig ‚Mach dies und jenes und dir gehts wieder prima‘-Tipps hab ich diesbezüglich auch noch nicht gefunden.

Was mache ich und wie kann man versuchen es trotzdem anzugehen?

  • Macht euch bewusst warum und was ihr gerade verdrängt oder vermeidet. Das ist schmerzvoll, das ist ekelhaft und es ist alles andere als lustig, aber notwendig. Wie gesagt bringt uns das rationale Wissen natürlich nicht die Heilung, aber es ist der 1. Schritt in diese Richtung. Wir erkennen das Problem damit an und geben ihm eine Existenzberechtigung.
  • Auch hier kann es helfen, es wieder schriftlich zu machen. Das macht das Problem greif- und sichtbarer: Was vermeide ich gerade? Was versuche ich zu unterdrücken? Warum tue ich das? Welche Emotionen oder Reaktionen würde es sonst in mir auslösen? Was war der aktuelle Auslöser (Trigger), um in mir den Drang nach Verdrängung oder Vermeidung hochzuholen? Wie versuche ich zu vermeiden? Welche (bewusste oder unbewusste) Strategie wende ich gerade an? In welchen Lebenslagen hat sie mir bisher geholfen? Warum könnte ich sie entwickelt haben? Und welche Folgen hat sie heute für mich?
  • Wenn negative Emotionen hochkommen (ich spreche jetzt vom langsamen zulassen, nicht von Flashback o.ä) könnt ihr versuchen sie nun mit etwas positiven zu koppeln. Wenn ihr z.B total gerne malt, könntet ihr eure Emotionen lieber versuchen aufzumalen, anstatt sie im Alkohol zu ertränken. Ihr lasst sie so zu, beschäftigt euch bewusst damit, aber verliert euch nicht darin.
  • Hinterfragt eure Gefühle und Emotionen: Fühle ich gerade nur Wut? Was ist da noch los? Warum will ich gerade in Arm genommen werden? Warum fühle ich mich gerade so unwohl? Was war der Auslöser? Empfinde ich gerade wirklich Hass/Ablehnung oder steckt dahinter vll Angst? Angst wovor? usw. – Der Sinn ist einfach achtsames Wahrnehmen der inneren Vorgänge.
  • Belohnt euch nach beängstigenden Situationen: Ich fing damit an, dass bei Terminen, die schon Tage vorher Panikattacken und Ängste auslösten, anzuwenden. Wichtig war: Der Termin wird nicht abgesagt. Das Problem nicht umgangen. Dann gab und gibt es nach Erledigung z.B einen Schokokuchen, wir gucken einen tollen Film oder schlafen am nächsten Tag richtig aus und kuscheln uns auf die Couch, ohne Telefon o.ä. Deshalb habe ich immer noch Panikattacken und Angst, aber durch diesen positiven Anreiz, diese innere Beruhigung im Kopf, tatsächlich nicht mehr ganz so stark.

3 Leitsymptome einer (K)PTBS: #1 Hypervigilanz

Traumatische Erlebnisse bzw. posttraumatische Reaktionen gehen meist mit ein und den gleichen Hauptsymptomen einher. Wir wollen uns in den kommenden Beiträgen einmal die Hypervigilanz, die Intrusion und Erstarrung näher anschauen…

Hypervigilanz (Übererregung)

Kommen wir in eine gefährliche und sehr stressige Situation, reagiert unser Körper mit Alarmbereitschaft sowie erhöhter Konzentration und Wachsamkeit, was natürlich auch logisch ist, da wir sonst überhaupt nicht adäquat auf eine echte und akute Gefahrenlage reagieren könnten ➡ ,,Oh ein Tiger! … Kannst du mal bitte kurz warten? Ich muss mir erstmal meine Nägel zu Ende lackieren.“ – Kannst’e machen, geht halt nur in die Hose 🤷‍♀️ und das weiß unser toller Körper natürlich auch. Ist diese Gefahrensituation dann wieder vorbei, beruhigt sich auch unser Nervensystem wieder. Die Stresshormone werden weniger und unser Stresspegel gelangt langsam wieder zu einem normalen Grundniveau.

Nach einer traumatischen Situation, also etwas was einfach zu viel für unsere Psyche ist, verändert sich unser Nervensystem jedoch nachhaltig. Das ist vor allem der Fall, wenn es zu mehreren oder langanhaltenden Traumata kam.

Unsere psychologische Angstreaktion und unsere physiologische Alarmbereitschaft beschränkt sich von nun an nicht mehr nur auf eine Notfallsituation, sondern bleibt dauerhaft bestehen. Das normale Grundniveau besteht also gar nicht mehr bzw. ist so nicht mehr abrufbar. Im Prinzip befinden wir uns permanent im Flucht- oder Kampfmodus, was zu stark erhöhter Wachsamkeit führt (Arousal = allgemeiner Grad der Aktivierung des zentralen Nervensystems, welcher durch Wachheit, erhöhter Reaktionsbereitschaft, Wachsamkeit und verstärkter Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist).

Da der Betroffene das traumatische Ereignis nicht verarbeiten konnte (und es demnach immer noch aktuell in seinem Gehirn, Körper und Psyche besteht), existiert auch immer noch die ständige Alarmbereitschaft. Jederzeit könnte etwas passieren, etwas gefahrvolles, auf das er vorbereitet sein muss. Bewusst geschieht sowas natürlich nicht, sondern das vegetative Nervensystem speichert diese Informationen und reagiert ohne unser (bewusstes) Zutun.

Auch bestimmte Wiederholungsreize, die für Nicht-PTBS-Betroffene höchstens nervig/unschön wären, kann man nicht ausstellen. Wenn eine bestimmte Person bei mir z.B immer wieder das gleiche Verhalten zeigt, kann ich nicht anders, als mit einer Triggerreaktion/Flashback zu reagieren. Dir bleibt selbstverständlich die Wahl, so eine Person nicht länger in deine Nähe zu lassen oder der entsprechenden Situation aus den Weg zu gehen, was selbstverständlich auch das Gesündeste wäre. Dennoch gibt es aber immer wieder Personen oder Situationen, denen man eben nicht entgehen kann und auf den folgenden Triggerreiz kannst du nicht mehr bewusst reagieren/agieren. Du kannst nicht sagen: „Och, das haben wir schon so oft durch. Nö heute mal nicht“, so gerne du das auch möchtest und dir vornimmst. Dein Körper reagiert, nicht dein Kopf.

Wie sich Übererregung zeigt

  • ständige Alarmbereitschaft
  • Schlafstörungen, wie spätes Einschlafen, ständiges, nächtliches wach werden, Albträume, usw.
  • psychosomatische Beschwerden (wie z.B steifer Nacken, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Verspannungen, Bauchkrämpfe, usw)
  • leichtes und schnelles Erschrecken (auch auf die kleinsten Geräusche)
  • ständig auf alles gefasst sein „Hab-Acht-Haltung“
  • schnelles und übermäßiges reagieren auf Ärger, unverhältnismäßige Wutausbrüche
  • ständiges abscannen der Umgebung und anderer Menschen
  • erhöhtes Angstniveau, ständige Angst- und Panikattacken
  • permanentes Gefühl nicht gemocht und ausgeschlossen zu werden
  • paranoide Zustände: Eine Person , dicht hinter einem, wird schon als Gefahr angesehen (bis hin zur sozialen Phobie)
  • starkes Schwitzen, erhöhter Herzschlag oder Atemprobleme in der Nähe anderer Menschen
  • kleine Rückschläge wirken bereits lebensbedrohlich und katastrophal
  • innere Unruhe/innere, dauerhafte Anspannung

Hypervigilanz und Hochsensibilität

Beides ist sich ziemlich ähnlich, da beide extrem auf Reize bzw. Reizüberflutung reagieren. Hochsensibilität kann jedoch auch angeboren sein, ohne das ein traumatisches Ereignis vorliegt. Genauer auf das Thema möchte ich jedoch in einem eigenen Beitrag, nach den 3 Traumaleitsymbtomen, eingehen. Da werde ich dann auch nochmal auf die Unterschiede etc. näher zu sprechen kommen.

Was kann ich tun?

Also erstmal:

Es ist extrem schwierig dagegen anzugehen und Tipps „gegen sowas“ hören sich in meinen Ohren oft an an wie: ,,Tu mal das und das und wenn es nicht klappt, hast du es einfach nur nicht richtig gemacht oder es nicht genug gewollt“. Selbstverständlich ist das selten so gemeint, aber ihr wisst schon, oder? Da ist dann dieser Druck da, so als wäre mit dieser „Patentlösung“ alles vorbei und vergessen. Ich empfinde das so jedoch nicht die Spur… Ich könnte auch nen Kopfstand machen und trotzdem wäre diese permanente Alarmbereitschaft noch da und um Himmels Willen, die ist sowas von anstrengend 😩😒.

Seht solche Vorschläge auch wirklich nur als Vorschläge und zwar als solche, die vll mal zwischenzeitlich und kurz helfen KÖNNEN. Als die mir damals in der Klinik z.B mit ihren Skills kamen und nix davon half, bin ich fast verzweifelt. Ich dachte: „Alter, bei jedem hilft das, nur bei dir nicht. Was läuft nur schief mit dir? Du willst wohl gar nicht, dass es dir besser geht?!“. Ja … nein. Es hilft bei den meisten einfach nur nicht alles genauso gut und vor allem auch nicht ständig oder langanhaltend. Wer mit solchen „Tricks“ die Übererregung ganz wegbekommt, der soll sich bitte melden. Dessen Name wird dann bestimmt das neue Fachwort für Wunderheilung … 😅

Nein, die ist ein Teil von uns und sogar ein sehr wichtiger. Würde sie nicht existieren, hätten wir viele Gefahrensituationen sehr wahrscheinlich gar nicht überstanden und wären nicht mehr hier. Sie erfüllt ihren Zweck und zwar solange bis wir das Trauma verarbeitet haben. Für uns ist das selbstverständlich ziemlich doof und nervig, für unseren Körper ist sie jedoch überlebensnotwendig und erst wenn er das nicht mehr so sieht, wird sie auch nachlassen. Natürlich hat Hypervigilanz viele psychosomatische Beschwerden zur Folge, Schlafprobleme usw. und für uns erscheint sie heute, rational betrachtet, nicht mehr logisch und sinnvoll, aber solange das Trauma noch wie „gerade erst geschehen“ in uns existiert, muss (aus Sicht unseres Körpers) auch diese ständige Alarmbereitschaft bestehen bleiben.

Nun zu den „Tipps“

  • Kommen wir in eine traumanahe Situation bzw erleben etwas ähnliches, wird ganz viel Energie in uns freigesetzt. Diese Reaktion soll der Flucht oder dem Kampf dienen und bleibt auch weiterhin in uns bestehen. Eine Möglichkeit wäre jetzt z.b diese angestaute Energie in Sport umzuwandeln. Umso angespannter du innerlich wirst, umso mehr kannst du versuchen diese Energie „abzubauen“ indem du laufen gehst (joggen, wandern, schnelles laufen zum Bäcker z.B, usw.), gegen einen Boxsack oder ein Kissen boxt, gegen einen Ball trittst, etc.
  • Wenn du nachts total schreckhaft aufwachst, wäre es eine Möglichkeit ein Nachtlicht anzumachen. Das ist übrigens der perfekte Zeitpunkt euch mal Baby-Joda vorzustellen 😁.

Ja man, ich liebe Star Wars 😁 und Baby-Joda kommt in „The Mandalorian“ vor. Direkt musste erstmal das Stofftier und das Nachtlicht her und seit er da ist, schläft es sich nachts viel besser ein. Bevor er kam und ich nachts aus einem Albtraum aufwachte, machte ich meinen LED-Schlauch, der sich am Bett befindet (und dezentes Licht bietet), an. Ihr seid damit nicht schwach oder „kindisch“. Jemand in euch hat Angst und dieserjenige darf, muss sogar, beruhigt werden. Auch wenn keine dissoziativen Anteile bestehen, existiert ein inneres Kind in euch, das vor etwas Angst hat und total angespannt ist. Seid lieb zu ihm, gebt ihm das Gefühl von Sicherheit.

  • Achtet auf eure Sicherheit! Ihr dürft ansprechen, wenn euch jemand zu schnell fährt, wenn euch jemand zu Nahe kommt und ihr das nicht wollt oder wenn ihr eine Reaktion nicht einschätzen könnt. Wenn ich z.B mit einer Freundin schreibe und lange keine Reaktion mehr kommt, dann beziehe ich das sofort auf mich (und ja, es ist mir peinlich das gerade zuzugeben, hat schon wieder was von Schwäche in meinen Augen). Mittlerweile kann ich das einschätzen, dass irgendwann etwas zurückkommt (man vergisst eine Nachricht halt mal oder hat gerade keine Zeit, als wäre ich da anders – Ohne scheiß, ich kann manchmal richtig lange nicht reagieren, ohne böswillige Absicht) und versuche mich dadurch zu beruhigen, was auch hilft. Mit der Zeit lerne ich, dass nicht direkt etwas schlimmes folgen wird, wenn man mal nicht sofort reagiert (nicht reagieren hatte manchmal gleich schlimme Folgen im Nachhinein, wie direkt in die Luft gehen) oder wenn jemand auch mal blöd/genervt guckt. Langsam, aber ich lerne. Meine Therapeutin meinte aber mal, dass ich durchaus einfordern darf (mit vorheriger Erklärung warum, versteht sich von meiner Seite aus), dass man mal schnell schreibt: „Hey, gerade keine Zeit. Ich meld mich morgen“, einfach damit ich dann nicht 24h in Alarmbereitschaft aus Angst vor dem nächsten Drama sitze, sondern die Situation einschätzen kann.
  • Manchmal hilft mir auch einfach nur Ablenkung. Nö, das ist sicher nicht die beste Methode, wegen ignorieren, verdrängen usw. Aber du hast auch nicht permanent Kapazität, dich um all deinen Mist zu kümmern. Wenn die Anspannung überhand nimmt, hilft mir manchmal auch ein spannender Film, eine interessantes Videospiel oder gute Musik, die mich ablenkt.
  • Mir ist z.B auch sehr wichtig, dass ich eine Situation vorher zumindest grob einschätzen kann. Ich HASSE Überraschungen, vor allem wenn man mir vorher was von einer Überraschung erzählt. Ich widere darin sofort Gefahr. Auch bei einem nahestehenden Menschen. Sowas dürft ihr sagen. Ihr dürft vorher fragen was in dem Meeting stattfinden wird oder wo ein Ausflug hingeht oder das ihr euch erstmal nur mit der einen Person (statt mit den weiteren 5 fremden Freunden) treffen wollt. Oder alles andere, was euch das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Nein, das kommt nicht immer gut an. Aber jeder der das nicht versteht, dem fehlt auch die Empathie zu verstehen was mit euch los ist. Deswegen ist dieser Mensch nicht böse oder schlecht, nur ganz ehrlich? Habt ihr dafür wirklich Energie? Energie es dieser Person recht zu machen, euch zu verstellen?
  • Hört sich vll blöd an, aber: Umarmt euch einfach mal selbst. Wenn ich das Gefühl habe, innerlich zu platzen, nehme ich mich manchmal selbst in den Arm. Oder: Manchmal imaginiere ich mir auch eine Person, die mich in den Arm nimmt. Habe ich schon in frühster Kindheit gemacht und klar ist niemand real vorhanden, aber nur das Gefühl, gerade nicht allein zu sein, hilft extrem etwas der Anspannung zu mindern.

Strukturelle Dissoziation

Okay, zäumen wir das Pferd nochmal von hinten auf 😅

Wikipedia sagt dazu:

,,(…) Sie geht davon aus, dass durch anhaltende Traumatisierung in der frühen Kindheit eine strukturelle Aufteilung der Persönlichkeit entstehen kann, mit dem Ziel, das Überleben zu sichern und die Funktionsfähigkeit der Psyche zu erhalten, wenn aufgrund komplexer Traumata eine Integration der damit verbundenen Bewältigungsstrategien nicht mehr gelingt. Die Ausprägung der Abspaltung von Persönlichkeitsanteilen bewegt sich auf einem Kontinuum der Dissoziation[1] und reicht von der primären zu einer sekundären bis hin zur tertiären Dissoziation. Die Spaltung der Persönlichkeit kann je nach Schweregrad zu ganz unterschiedlichen Symptomen führen, die jedoch alle demselben Prinzip zugeschrieben werden.“

Schauen wir uns das Ganze mal näher an:

Was ist eine primäre Dissoziation?

Erleben wir ein Trauma, bleibt quasi ein Teil von uns darin stecken…bis wir das Trauma eben geheilt haben. 
Wir können uns das jetzt so vorstellen das wir als Mensch das Erleben, die Gefühle, Emotionen usw. während des Traumas als einen emotionalen Anteil (EP) von uns abspalten.
Abspalten heißt hier, das wir die entsprechenden Gefühle zum Trauma nicht in uns integriert haben, weshalb sie auch jederzeit hervorgetriggert werden können.
Ein Parfüm kann uns dann z.B in das traumatische Ereignis zurück versetzen, wir bleiben aber immer noch wir als Person.
Der EP ist ein Teil von uns selbst und kann wieder in uns zurück Integriert werden.

Und was ist eine sekundäre Dissoziation?

Von einer sekundären Dissoziation wird nach mehrfachen Traumatas bzw. nach langanhaltenden, dauerhaften Stress gesprochen. Also wie bei der komplexen PTBS, Borderline, der Ego-State-Disorder oder der pDis (bzw. DDNOS) .
Im Prinzip spricht man nun (immer noch) von einem ANP (anscheinend normaler Persönlichkeitsanteil) und dafür aber von mehreren EP’s. Bei jedem erlebten Trauma wurde ein oder mehrere Traumaträger abgespalten.

So und jetzt wird’s interessant, denn wir haben von der KPTBS bis zur pDis ein breites Spektrum und keiner will ja behaupten, alles wäre das Gleiche.

Also nochmal von vorn:
PTBS, KPTBS, Borderline und Ego-State – Was sich hier überschneidet ist, dass die EP’s immer noch ein Teil der eigentlichen Person sind. Sie werden zwar abgespalten, sind aber  keine völlig autonom agierenden Personen.
Was wir da finden sind Gefühle (starke Wut, starke Trauer, …) oder auch verschiedene Persönlichkeitszustände (sich klein machen, sexuell sehr offenherzig sein, ….). Bei den Betroffenen kann dieser Zustand oder dieses Gefühl übernehmen, aber sie SIND dann dieser Zustand oder dieses Gefühl. Es gibt nur diesen einen ANP.

Jetzt haben wir aber noch die pDis:

Auch hier gibt es nur einen ANP. Abgespalten sind ebenfalls mehrere EP’s (es gibt bei den EP’s übrigens nicht wirklich eine Grenze nach oben).
Der Unterschied zu den anderen „Störungen“ ist der, dass die EP’s weiter vom ANP abgespalten sind, d.h die Traumabarrieren sind größer. Sie sind auch schon richtige (Innen)Personen, mit eigenem Erleben, Meinungen, Erinnerungen, Fühlen usw. Während des Traumas kann es z.B notwendig gewesen sein, dass ein eigenständig handelnder Persönlichkeitsanteil übernimmt. Gerade wenn z.B auch immer wieder die gleichen Traumatas aufgetreten sind, in welchem der entsprechende EP „gefordert“ war.
Diese EP’s können im Notfall (oder wann sie es halt für richtig erachten) auch rauswechseln und dadurch eine Amnesie verursachen. Allerdings passieren solche Wechsel (inkl.Amnesie) weniger als bei der Dis.

Nun zu der tertiären Dissoziation:

Diese entsteht ebenfalls nach langanhaltenden, dauerhaften, frühkindlichen Stress, d.h es gibt wieder viele EP’s. Waren die traumatischen Erfahrung für das
Kind jedoch so schwer zu bewältigen (*), dann reichte es nicht mehr aus das sich nur ein ANP um den Alltag kümmert und die Traumata abspaltet, sondern mindestens ein zweiter ANP musste her.
Die Ursprungsperson, so wie sie mal auf die Welt kam, gibt es also auch nicht mehr. Auch die ANP’s sind jeweils nur Teilpersönlichkeiten, welche für den Alltag zuständig sind und je nachdem welche Alltagspersönlichkeit welches Trauma erlebt hat, haben auch diese wieder EP’s abgespalten. Jeder ANP hat also seine eigenen EP’s und die Traumabarrieren untereinander sind ebenfalls sehr hoch.
Bezogen wird die tertiäre Dissoziation auf die Dissoziative Identitätsstörung.

* Ganz wichtig:
Damit meine ich nicht dass das Trauma oder die „Störung“ des einen mehr oder weniger schlimm ist! Es gibt Menschen mit „nur“ einer Borderline-PS, die aber jahrelangen sexuellen und psychischen Missbrauch erlebt haben und dann gibt es Menschen mit einer Dis, die „nur“ emotionalen Missbrauch erlebt haben. Es kann z.B ebenso Betroffene von einer pDis geben, die von rituellen Missbrauch betroffen waren. Also auch da ist nicht nur die Dis aussagekräftig.
Die Anzahl der Anteile oder die Art der „Störung“ lassen also NICHT auf die Schwere des Traumas schließen, nach dem Motto: ,,Mir gehts aber viel schlimmer als dir 🙄“. Was und wie sich etwas entwickelt und wie jemand etwas erlebt, hängt mit sooo unglaublich vielen Faktoren zusammen und lässt sich zu 1000% nicht anhand einer Diagnose festmachen.

Meine persönliche Meinung:

Ich hab’s jetzt aufgegeben mich irgendwo in eine Kategorie einordnen zu wollen (okay, dass ist gelogen🙈, immer mal wieder zwischendurch will ich es dann doch), denn all das ist ja auch nur ein Modell und wie wir wissen, lässt sich unsere Psyche nicht so einfach in eine Schublade schieben (ja ich habe eine Diagnose, aber das ändert trotzdem nichts an deinem Empfinden 🤷‍♀️.

Ständig denk ich: ,,Ne, also das ist jetzt nur ein Zustand oder ein Gefühl. Gut, also doch nur ne Ego-State! … Ne Moment mal, wer hat die Nummern gelöscht? Also ich wars nicht! Also doch wer eigenes, oder was?! …Obwohl ne, heute gehts mir doch voll gut und bin ich 100% ich. Ach bestimmt hab ich eigentlich überhaupt kein Trauma…“ und während ich das mache fühle ich so richtig, wie sich im Inneren, permanent mit der flachen Hand, an die Stirn geschlagen wird 😅.

Wahrscheinlich ist einfach von allem etwas da. Abgespaltene Zustände, Gefühle und irgendwo hat auch der ein oder andere sein eigenes Denken, d.h auch bei einer sekundären oder tertiären Dissoziation muss sich nicht permanent irgendein Anteil, irgendwie bemerkbar machen und nicht jeder Anteil muss eine voll ausentwickelte, eigene Persönlichkeit sein…

Trauma

Was ist ein Trauma?

Unter einem (emotionalen) Trauma (–>griech. für Wunde) verstehen wir ein Erlebnis, welches für den Betroffenen als extrem lebensbedrohlich empfunden wird. Ein psychisches Trauma ist eine seelische Verletzung, welche in Situationen von extremer psychischer und/oder körperlicher Belastung entsteht: Man hat das Gefühl vor der Tat oder dem Erlebnis nicht flüchten oder sich wehren zu können, man fühlt sich hilflos und ohnmächtig, weil man die Situation nicht verändern kann und vorallem fühlt man sich allein und verspürt extreme Angst.

Ursachen

Wodurch ein Trauma entstehen kann ist recht vielfältig, z.B durch:

  • Unfälle
  • Naturkatastrophen
  • Kriege
  • sexuelle, körperliche oder psychische (darunter auch: Mobbing, langanhaltendes Gaslighting, Vernachlässigung, u.w.) Gewalt
  • körperliche Erkrankungen
  • Zeuge schlimmer Taten zu sein
  • Traumata anderer zu hören (= Sekundärtrauma, z.B.bei Therapeuten)
  • usw.

[ Hervorheben möchte ich hier vor allem, dass ein Trauma sehr individuell entstehen kann. Es kommt dabei immer ganz auf die jeweilige Person, ihr eigenes Erleben und besonders auf ihre Resillienz (psychische Widerstandskraft) an. Das heißt 2 Menschen kann haargenau das Gleiche widerfahren: Der Eine entwickelt ein Trauma, während der andere relativ „unbeschadet“ aus der Sache herauskommt. Das hat NICHTS damit zu tun, dass der Eine sich „mehr hat“, „zu empfindlich ist“, etc., sondern jeder Mensch reagiert anders auf eine Situation.

Beispiel: 3 Personen sitzen in einem Unfallauto. Person A erleidet einen schweren Schock, erholt sich mit oder ohne Therapie aber nach einigen Tagen bis Wochen wieder komplett. Dagegen möchte Person B mit dem Erlebnis zwar gerne abschließen, kann es in ihrer Psyche aber nicht verarbeiten (vllt. weil zuviel Nebenstreß herrscht; weil nie gelernt wurde wie man mit problematischen Situationen umgeht; usw. ) und entwickelt dadurch ein PTBS. Person C jedoch verfügt über genügend Resillenz (oder fühlt sich durch so ein Erlebnis einfach weniger bedroht, dafür hätte aber vllt ein anderes Erlebnis eine starke Reaktion ausgelöst) und kommt dadurch psychisch unbeschadet durch diese Situation. ]

Auch wenn das Wort ‚Trauma‘ mittlerweile ziemlich inflationär verwendet wird ( „Boar, dass hat mich ja voll traumatisiert“ ), hat dessen wahre Bedeutung also immer einen Hintergrund, bei welchem der Betroffene sich wirklich extrem(!) in seinem körperlichen und/oder psychischen Leben bedroht fühlt. Ein Trauma ist also nicht nur eine Situation, welche man doof fand und worüber man sich mal aufregte oder kurz traurig war. Traumata hinterlassen nachweisbare Spuren im Gehirn. Wenn jemand traumatisiert ist, heißt das also, es ist etwas wirklich Schwerwiegendes vorgefallen.

Was kann sich aus einem Trauma entwickeln?

Im Prinzip so gut wie alles…

Aber wir fangen von „vorn“ an. Klinisch wird zumeist eine Akute Belastungreaktion festgestellt (im neuen ICD-11 entfällt diese Diagnose jedoch), welche einige Tage bis Wochen nach dem Erlebten anhalten kann. Wird das Trauma nicht verarbeitet, entwickelt sich eine PTBS, also eine Posttraumatische Belastungsstörung.

Diese kennzeichnet sich meist in:

  • Alpträume
  • Ein-und Durchschlafstörungen
  • Panik(attacken) = meist gibt es für Panikattacken keine aktuell sichtbaren Gründe, was es für Angehörige so schwierig macht zu reagieren oder überhaupt zu verstehen was da gerade los ist. Der Puls schießt in die Höhe, was heißt das man sich innerlich plötzlich total unruhig fühlt. Es nimmt einen die Luft, man kann kaum noch atmen, als würde jemand auf deiner Brust sitzen. Die Brust zieht sich zusammen und verkrampft sich. Du hast das Gefühl als würde es dich jeden Moment umhauen, als würdest du es diesmal nicht überleben. Es ist eben Panik und nicht das ebenfalls inflationär benutzte Wort Panik, sondern echte Panik. Wenn ihr einem Menschen in solch einer Situation helfen wollt, dann bietet ihm Sicherheit, d.h beruhigt ihn, schafft eine ruhige Umgebung. Reagiert auf gar keinen Fall mit Wut, Unverständnis („Es ist doch gar nichts los, was ist dein Problem?!“ – in den meisten Fällen weiß der Betroffene selbst, das äußerlich nichts los ist), Ablehnung oder Vorwürfen! Wenn ihr überfordert seid oder euch emotional nicht in der Lage fühlt damit umzugehen ist das okay, aber dann teilt dem Betroffenen das so mit und zieht euch zurück (besser so, als mies zu reagieren), aber gebt ihm nicht das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben! Vor allem nicht in dieser Situation! Grundlegend könnt ihr aber nicht mehr tun als einen ruhigen, sicheren Rahmen zu schaffen. Da sich die Panik bereits materialisiert hat, kann man sie in diesem Moment nicht einfach wegschnipsen und daher muss sie erst einmal durchgestanden werden. (Es gibt aber noch verschiedene Skills, die helfen können sich etwas zu beruhigen)
  • diffuse Ängste (woraus sich auch Phobien entwickeln können)
  • Vermeidungsreaktionen: wie emotionale Stumpfheit, Gleichgültigkeit und Teilnahmslosigkeit an der Umgebung und an anderen Menschen, aktive Vermeidung von Aktivitäten und Situationen die wiederum Erinnerungen an das Trauma aufrufen könnten
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Reizbarkeit
  • Dissoziation
  • extreme Schreckhaftigkeit
  • ständige, innere Unruhe
  • Sinnlosigkeit
  • Hoffnungslosigkeit
  • sozialer Rückzug
  • Flashbacks => man hat das Gefühl wieder in der Situation zu sein, erlebt alles erneut. Ausgelöst wird dies durch bestimmte Trigger (Auslöser). Trigger können im Prinzip wiederum ALLES sein, alles was eben an das Trauma erinnert. Gerüche, Geräusche, Personen, Bilder…..
    Auch hier wieder an Angehörige: Der Betroffene erlebt die traumatische Situation in seinem Kopf erneut, er befindet sich in der gleichen Zeit, am gleichen Ort, in haargenau der gleichen Situation. Es ist also wichtig das ihr ihm erklärt das er sich im Hier und Jetzt befindet. Zeigt ihm den Boden unter seinen Füßen, zeigt ihm die Umgebung, zeigt ihm das alles in Ordnung ist und er sich nicht mehr in Gefahr, sondern in Sicherheit befindet. Sollte nicht gerade sexuelle (oder physische) Gewalt der Grund des Traumas sein, könnt ihr denjenigen auch in den Arm nehmen (bzw. fragt ihn im „Normal“zustand ob das überhaupt für ihn okay ist)

K-PTBS

Wir unterscheiden nun aber zwischen einem sogenannten Monotrauma, also ein Erlebnis welches nur einmal geschehen ist (wie eben EIN Unfall, EINE Vergewaltigung, EIN Überfall,….) und einem komplexen Trauma, welches durch eine dauerhafte und wiederholte Traumatisierung entsteht (wie jahrelanger Missbrauch und/oder jahrelange physische oder psychische Gewalt). Also sprich, durch langanhaltende, wiederholte psychische und/oder physische Hochstreßsituationen.

–> D.h, es gibt als nächste Folge auch noch die K-PTBS. Die komplexe Posttraumatische Belastungsstörung, welche gleiche Symptome wie die PTBS auslöst, zusätzlich aber noch diese (chronifiziert) hinzukommen:

  • die normale Affektregulation ist beeinträchtigt – Folgen können dadurch u.a starke Emotionsausbrüche sein
  • risikoreiches Verhalten
  • selbstschädigendes Verhalten (Ritzen, verstärkter Alkohol- und Drogenkonsum, Kauf- und Spielsucht,…)
  • wenig bis gar keine Erinnerung an die Traumata
  • Dissoziationen
  • das Gefühl von emotionaler Taubheit, teilweise gar nichts mehr spüren zu können, auch keine positiven Emotionen
  • Das dauerhafte Gefühl nichts wert oder minderwertig zu sein (Wem wundert das auch, wenn man sein ganzes Leben so etwas eingeredet bekommt)
  • starke Schuld- und Schamgefühle
  • Probleme soziale Beziehungen aufrecht zu erhalten / Nähe zuzulassen und Vertrauen aufzubauen – man fühlt sich auch oft als eine Art „Außerirdischer“ , als könnte man gar keine Verbindung mehr zu anderen aufbauen
  • Somatoforme Beschwerden (körperliche Schmerzen ohne physische Ursache)

Weitere Folgen von Trauma

Wie erwähnt, kann sich aus einem Trauma so gut wie alles entwickeln. Darunter auch:

  • Persönlichkeitsstörungen (Borderline, Narzissmus, ängstlich-vermeidende, Histrionische, uvm.)
  • Psychosen
  • Angst- und Zwangserkrankungen
  • Phobien
  • Somatisierungsstörungen (z.B. Herz-Kereislaufprobleme, Atemprobleme, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, usw.)
  • Suchterkrankungen
  • Depressionen
  • Essstörungen
  • Selbstisolation (z.B. durch Selbstwert-/Selbstbewusstseins-/Vertrauensprobleme)
  • Bindungsstörungen
  • Suizidalität
  • Übermäßig mit Angriff/Flucht oder Unterwerfung zu reagieren (Traumareaktionen)
  • dissoziative Störungen
  • Perfektionismus
  • Sich ständig ablenken (mit Arbeit, Social Media, Unternehmungen, usw.) ➡️ nicht zur Ruhe kommen können, sich sonst falsch und/oder unnütz fühlen, …)
  • Uvm.

Wichtig: Bei einigen genannten Punkten (z.B. Persönlichkeitsstörungen, Psychosen, Depression, etc.) können auch körperliche/genetische Ursachen zugrunde liegen – Nicht alles muss Trauma sein, ist es aber sehr oft