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Was ist eine DSNNB?
= Dissoziative Störung, nicht näher
bezeichnet (DDNOS = engl. Name – dissociative disorder not otherwise specified)
Soo, im Prinzip wird diese Diagnose für Menschen genutzt, die nicht vollends in das Bild der ‚Dis‘ reinpassen.
Aber auch wer nicht alle Kriterien für eine andere Diagnose, wie die Derealisations-/Depersonalisationsstörung (weil er z.B Derealisationserlebnisse hat, die aber nicht von Depersonalisation begleitet werden) erfüllt, bekommt diese Diagnose gestellt, ebenso wie Menschen bei denen Dissoziationserlebnisse nach einer Gehirnwäsche auftreten usw.
Also, im Prinzip alles was nicht in das vollständige Bild einer anderen dissoziativen Störung fällt.
Bei der großen Mehrheit ist diese Diagnose aber tatsächlich als Vorstufe/Unterkategorie zur ‚Dis‘ anzusehen.
[Übrigens geht man davon aus das die große Mehrheit der Patienten, die mit einer anderen Dissoziativen Störung (außer Dis) diagnostiziert sind, eigentlich eine DSNNB haben, was einen betrachtlich großen Teil ausmachen würde. Leider wird dieses Diagnosebild selten richtig erkannt.]
Im ICD-11 gibt es jetzt aber Gott sei Dank die Änderung das jenes, was wir jetzt als Unterkategorie zur ‚Dis‘ bezeichnen und noch unter den Begriff DSNNB fällt, nun seinen eigenen Diagnoseschlüssel bekommt.
Das Ganze heißt ab 2022 pDIS = Partielle Dissoziative Identitätsstörung.
Das macht die Aufschlüsselung und das Differenzieren endlich etwas leichter.
Wo liegt der Unterschied zur ‚Dis‘?
Im Prinzip ist der Grad zur ‚Dis‘ wirklich extrem schmal.
Personen mit ‚pDIS‘ sind ebenfalls Multiple und haben andere Persönlichkeiten abgespalten, ebenso liegt eine Abspaltung von ganzen Gedächtnisinhalten, Körperwahrnehmung oder Bewegungen (im Gegensatz zum normalen Bewusstsein) vor.
Die Symptome sind soweit auch fast die Gleichen wie bei der ‚Dis‚ , einzig bei den Amnesien wird unterschieden. Was ich persönlich verwirrend finde, ist das manche sagen bei einer ‚pDIS’/DSNNB darf es gar keine Amnesien geben, weil ständiges Co-Bewusstsein zu den anderen Persönlichkeiten herrscht (jeder weiß zu jeder Zeit was der andere getan hat – keine Amnesiebarrieren), andere sagen wiederum das es sehr wohl Amnesien geben kann, diese aber weniger stark ausgeprägt sind, als bei der ‚Dis‘. Dieses Modell vertrete auch ich, ehrlich gesagt (dazu hab ich Neuigkeiten ☝, siehe nächster Abschnitt).
Allerdings gibt es jetzt bei der ‚Dis‘ auch die neue Unterscheidung von Typ 1, bei welchem Wechsel nur unter traumanahen oder Stresssituationen geschehen und Typ 2, bei welchem es auch zwischendurch zu einem Switch kommt. Vorher habe ich genau diese Unterscheidung eigentlich in den Bereich ‚pDIS‘ und ‚Dis‘ gelegt. Also so wirklich weiß ich das daher auch nicht 😅
Auszug von Alison Miller
… aus „Jenseits des Vorstellbaren“ (S. 62):
»Bei DDNOS ist der ANP immer präsent, selbst wenn eine andere Innenperson die Kontrolle über das Verhalten und die Gefühle übernommen hat. Menschen mir DDNOS (die einen Hüllen-ANP haben) können innerlich genau so komplex sein, wie Klienten mit DIS […]. Vieles fällt multiplen Persönlichkeiten mit DDNOS leichter, als solchen mit DIS, da sie keine Amnesie haben und so z.B. nicht feststellen müssen, dass sie sechs mal hintereinander gefrühstückt haben. Doch es fällt Ihnen leichter als DIS-Klienten, irrtümlicherweise davon auszugehen, dass ihre negativen Gefühle durch Situationen in der Gegenwart verursacht werden statt durch ein altes Trauma, das durch etwas in der Gegenwart getriggert worden ist. Und es ist schwieriger für Therapeuten, ihre Multiplizität zu erkennen.«
Edit: Jetzt nochmal (hoffentlich) richtig
Ich wollte den oberen Teil mal stehen lassen, weil es bzgl. pDis sehr, sehr viel Verwirrung gibt und man auch wirklich kaum etwas dazu im Netz findet. Und so seht ihr, dass ich genauso heillos überfordert war. Mittlerweile hoffe ich etwas mehr hinter die Unterschiede gestiegen zu sein und daher probieren wir es jetzt einfach nochmal.
Bei der Dis gibt es mehrere ANP’s (Persönlichkeitsanteile die sich um den Alltag kümmern), während bei der pDis nur ein ANP existiert. Ich betone aber dazu, dass auch hier der ANP nicht „die ursprüngliche Persönlichkeit“ ist, sondern auch nur eine der Persönlichkeiten (keine Ahnung warum es uns so wichtig ist, dass an jeder Stelle zu erwähnen🤔). Dennoch gibt es EP’s (emotionale Persönlichkeitsanteile/Traumaträger) genau wie bei der Dis. Und diese kann es auch in genauso hoher Anzahl wie bei eben jener geben. Ebenso haben diese teilweise ein ganz eigene Persönlichkeit, Aussehen, Meinung, Vorlieben, Erinnerungen, usw.
Die Amnesien
Und, jetzt kommt der springende Punkt, was ich vorher mit den Amnesien nicht ganz gecheckt habe: Ja, die gibt es auch bei der pDis! Zwar sind alle anderen Anteile zum ANP Co-Bewusst, dennoch muss das nicht auch automatisch umgedreht gelten. Es ist also möglich das z.B ein EP herauswechselt, zudem es dann eine Amnesie geben KANN. Alltagsamnesien kommen aber seltener als bei der Dis vor, da wie gesagt meistens ein Co-Bewusstsein zu allen existiert.
Das heißt aber nicht, dass du als ANP irgendeine Ahnung davon haben musst. Es kommt meistens zu teildissoziierten Handeln. Die EP’s wirken, handeln und sprechen durch dich hindurch. Du kannst das entweder gar nicht bemerken oder aber du fühlst dich „wie im Nebel„, „nach Hinten gedrängt„, „nicht mehr Herr über deinen Körper„, usw. So können z.B auch in der Therapie die anderen mit dem Therapeuten sprechen, während du im Hintergrund aber noch mit dabei bist (und keine Amnesie hast). Oder du bemerkst es an deiner Körperhaltung, die sich ändert, an deiner Aussprache, usw. Im Prinzip ist das also sehr ähnlich wie bei der Dis, nur die größeren Alltagsamnesien fehlen (weil sich wie gesagt nur ein ANP um den Alltag kümmert und die Barrieren unteinander nicht so stark sind).
Hach, ich hoffe ich habe das jetzt so relativ richtig erklärt 😅.
Was mir noch auf dem Herzen liegt
Ich habe so oft das Gefühl, dass das Leid und das erfahrene Trauma anhand des Schweregrades der Diagnose festgemacht wird. Jetzt nicht nur unbedingt das andere das anderen vorwerfen (das öffentlich vllt sogar eher weniger), sondern viel mehr das Betroffene das auch bei sich selbst tun. Ein Satz in einer Dis-Gruppe blieb mir da hängen: ,,Es ist bei mir jetzt doch nur eine schwere DDNOS und keine Dis. Darf in trotzdem in der Gruppe bleiben? “ und das tat mir irgendwie so ein bisschen weh. Also allein der Gedanke.
Selbstverständlich ist es von der Symptomatik etwas anderes, wenn man z.B eine Sucht, Schizophrenie oder Dis hat. Und natürlich geht man dazu in unterschiedliche Gruppen, weil man sich ja über Gleichheiten austauschen möchte. Das ist logisch. Aber eine pDis ist nicht weniger schlimm als eine DIS (und btw: Es gibt übrigens auch Menschen mit DDNOS die aus dem organisierten Verbrechen kommen)!
Und das erfahrene Trauma muss auch nicht die Bohne weniger schlimm sein. Das ist ja das Nächste: Woran machen wir fest welches Trauma, welches Leid jetzt mehr oder weniger schlimm gewesen sein soll? Was nur ein bisschen Missbrauch und was ganz viel Missbrauch war? Das ist doch Käse. Missbrauch ist Missbrauch, genauso wie ein Trauma (also eine seelische Verletzung/Narbe) ein Trauma ist. Es ist so eine individuelle Sache, was in uns wirklich Schaden hinterlässt. Sowas dürfen wir einfach nicht vergleichen.
Welche Art von „Störung“, wie viele und wie lange du Amnesien hast. Wie groß dein System ist. Wie stark du dich dissoziiert fühlst oder what ever hat also NICHTS mit der Schwere deines Traumas oder deines erlebten Leid’s zu tun!
Was eine Rolle spielt ist wie es dir jetzt geht! Schreibt euch das hinter die Ohren. Wer mir nochmal mit was anderem um die Ecke kommt, der bekommt demnächst ein paar auf die Finger ☝👩🏫.
Hallo. Ich bin durch euer YT-Format mit DIS Ding und Seelennetzwerk auf den Blog aufmerksam geworden und muss sagen ich finde ihn ganz großartig 😁👍 vielen Dank schonmal dafür.
Mir ist bewusst dass der Beitrag hier schon etwas älter ist, aber beim Lesen ist mal wieder was in mir angesprungen und ich stell mir nun schon wieder viele Fragen (die sicherlich auch mit meinen Zweifeln in Verbindung stehen… Muss das jetzt wohl nicht näher ausführen 😉).
Bei mir / „uns“ (ja hab auch oft Probleme mit diesem Begriff) ist es schon so, dass es, denke ich, mehrere ANPs gibt. Bspw. merke ich in der Arbeit, dass da jmd komplett anderes übernimmt, als in der Freizeit – aber diese Freizeitanteile AUCH definitiv ANPs sind. (Alltag ist ja nicht nur Arbeit) Aber „ich“ habe eigentlich nie wirkliche Amnesien außer in Stresssituationen oder extrem stressreichen Zeiten kurzzeitig mal. Aber wir ANPs untereinander kriegen alles voneinander mit und wechseln uns zT sehr häufig ab. Ich würde sagen ich habe eher eine DSNNS oder halt pDIS als eine vollausgepragte DIS, trotzdem gibt es mehrere ANPs. Und irgendwie ist da immer jemand verletzt wenn gesagt wird bei einer pDIS gäbe es nur eine ANP… (was jetzt nicht auf euch sondern eben eher auf die Fachliteratur bezogen sein soll, auch unsere Therapeutin redet öfter mal vom „Alltags-Ich oderso und wir sind dann innerlich so : WELCHES Alltags-Ich denn? 😁) das nur so am Rande… Vielleicht kann ja jemand da draußen verstehen was ich meine 😁
Liebe Grüße und danke nochmal für den tollen Blog!!
Ein liebes Hallo und entschuldige die späte Reaktion.
Erst einmal möchte ich mich für den Kommentar bedanken, da dieser ein wertvoller Teil dessen ist, zu erkennen wie fluide dieses ganze Gebiet eigentlich ist und wir (also Betroffene, Außenstehende und Fachwelt) durchaus von dem strengen Bild, welches die Fachliteratur teilweise widerspiegelt, auch abkommen dürfen.
Also erstmal:
Aus der Fachwelt und – literatur sagt man, liegen mehrere ANP’s vor, spräche man von einer Dis. Dabei wird nach dem neuen ICD-11 auch in Typ 1 und 2 unterschieden. Also einmal wo Switches ausschließlich oder überwiegend (wozu auch wir uns eher zählen) in traumanahen oder Hochstresssituationen auftreten und einmal wo sie auch während des normalen Alltags geschehen.
Ist es ein ANP spräche man von einer pDis.
Das ist der aktuelle (Fachwelt)Stand. Vor nicht mal 10 Jahren wiederum wurde Dis meist nur als jene anerkannt, wenn das „typische“ Vollbild der Dis (am äußersten Spektrum) vorlag. Also jenes, was man viel in der Literatur oder Reportagen dargestellt findet. Dahingehend hat sich also bereits viel verändert und wir können davon ausgehen, dass es das weiterhin tun wird.
Und nun zum anderen, viel wichtigeren Teil:
Ich finde, man selbst ist Experte. Was man selbst empfindet und wahrnimmt steht weit über dem, was einen ein Außenstehender sagen kann wie was zu sein hat. Wenn du euch als mehrere ANP’s wahrnimmst, obwohl z.B ein fast überwiegendes Co-Bewusstsein existiert (was ja dann wieder pDis wäre) dann wirst du das auch durchaus genauso ernst nehmen können/dürfen.
Was ich in den letzten 2,5 Jahren so erlebt habe ist, dass ich keinen Betroffenen kennengelernt habe, der sich genau 1zu1 ähnelt. Ganz im Gegenteil sind die Auswirkungen und Formen so imens unterschiedlich, dass es immer schwerer fällt selbst an dem heutigen (schon viel erweiterten) Bild der Kriterien von (p)Dis festzuhalten, weil es eben diese vielen Zwischenbereiche gibt, die (noch) nicht in der gängigen Lehrmeinung ihren Platz fanden.
Und wahrscheinlich bist du auch nicht die Einzige, die das so oder vllt auch so ähnlich wahrnimmt. Ich könnte mir vorstellen das einige deshalb auch wirklich unsicher sind, ob das nun Dis oder pDis sein soll, weil beide passen und eben auch wieder nicht (in Bezug auf die ANP’s und das Co-Bewusstsein). Von daher finde ich das super, dass du euer Erleben hier mitteilst. Das eröffnet ein viel holistischeres Bild und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Varianten und Formen von pDis bis zur Dis wahrscheinlich noch viel größer und variabler sind, als bisher vermutet.
Und letztendlich zählt vor allem auch nicht die richtige Bezeichnung, sondern wirklich nur was man erlebt.
Viele Grüße und lieben Dank auch noch einmal für das tolle Kompliment bzgl des Blogs 😊🙋♀️