Strukturelle Dissoziation grafisch erklärt (vereinfacht)

Ganz oft höre ich, dass sich Menschen nicht vorstellen können, wie das mit der (p)Dis funktionieren soll.
Da die Dis jedoch kein Hexenwerk ist, dachte ich, ich probiere es einmal euch die Aufteilung im Kopf, grafisch darzustellen. Ich lerne visuell sehr gut und vllt. kann sich so auch der ein oder andere all das etwas besser vorstellen.

Beiträge, welche die genauen Störungsbilder ausführlicher behandeln, verlinke ich euch in den entsprechenden Kapiteln.

Wichtig ist (!):
All das ist stark vereinfacht dargestellt. Unser menschliches Gehirn funktioniert sehr komplex und auch die Aufteilung der inneren Anteile ist viel variabler.

Neurotypisches Gehirn

Stellen wir uns unser Gehirn und die darin existierenden Persönlichkeiten einmal wie ein Großraumbüro vor, in den jeder seinen Schreibtisch hat. Es gibt einen strengen Dresscode. Alle tragen daher die gleiche Uniform und haben die gleichen Haare .

Jeder Mensch hat unterschiedliche Rollen, in die er hin und wieder schlüpft. Bei den Kindern benimmt man sich ganz anders, als gegenüber dem Partner oder auf Arbeit. All diese „Persönlichkeiten“ (einzelne Gehirnareale) sitzen jedoch gemeinsam in dem Großraumbüro und arbeiten, Hand in Hand, zusammen. Sie alle zusammen ergeben, als ein Bewusstsein, die Gesamtpersönlichkeit des Menschen.

PTBS

Erleiden wir ein Trauma und entwickeln daraus eine PTBS, bekommt ein Großraumbüro-Mitarbeiter (=emotionaler Persönlichkeitsanteil/EP) nun die Aufgabe, sich darum zu kümmern. Alles wichtige, was mit dem erlittenen Trauma zusammenhängt, bekommt er nun in Aktenform auf den Tisch gelegt. Er bekommt zwei Trennwände neben seinen Tisch aufgestellt, entweder eine durchsichtige, sodass er noch sieht, was um ihn herum geschieht). Oder eine dunkle (wenn eine Amnesie zum Trauma, z.B den Unfallhergang oder zum Überfall, besteht). Jedoch bekommt er kein eigenes, abgetrennte Büro. Er arbeitet immer noch mit dem Rest der Mitarbeiter zusammen.
Wenn nun irgendetwas, was mit diesem Trauma zu tun hat/relevant wird (z.B wenn ein Trigger auftritt), wird alles an diesen zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet.

KPTBS und Borderline

Mehrere Traumata, also mehr Akten die noch bearbeitet werden müssen, brauchen auch mehr Mitarbeiter, die sich darum kümmern (= mehr EP’s).
Noch immer tragen aber alle die gleiche Uniform, haben den selben Haarschnitt und sind mehr oder weniger Teil des Großraumbüros (= traumatische Gefühle wurden abgespalten und agieren bei Triggern autonom, z.B mit starker Wut oder Angst, aber haben kein eigenes Bewusstsein).

Ego-State-Disorder

Hier haben sich einige der Mitarbeiter bereits entschlossen aus dem „Schwarmwissen“ auszubrechen. Sie haben weiterhin hier ihren abgetrennten Schreibtisch, tragen aber auch schon andere Kleidung und haben sich die Haare gefärbt (= die emotionalen Anteile/Traumaträger haben bereits ein teilweise eigenes Bewusstsein, mit eigenen Bedürfnissen, Gefühlen und Erfahrungen).
Das Großraumbüro arbeitet aber immer noch zusammen (= und repräsentiert damit die Persönlichkeit des Gesamtmenschen).

Partielle dissoziative Identitätsstörung

Bei der pDis gibt es das Großraumbüro so nicht mehr. Jeder Mitarbeiter hat bereits sein eigenes, vollständig abgeteiltes Büro bekommen. Auch sitzt in diesem keiner mehr mit Uniform, sondern jeder trägt seine ganz individuelle Kleidung (= eigenes Bewusstsein, Erinnerungen und Meinungen). Allerdings sind die Wände der Büros aus Glas, sodass trotz allem jeder sehen kann, was der andere tut (= Co-Bewusstsein).
Der Mitarbeiter XY am anderen Ende des Büros kann so zwar möglicherweise noch, wenn er sich Mühe gibt, schauen was der Kollege ZX macht. Das heißt aber nicht, dass er auch automatisch mit ihm kommunizieren kann oder weiß welches Thema (=Erinnerung) er auf seinem Schreibtisch bearbeitet , schließlich befinden sich trotz allem Wände zwischen ihnen. Dazu müssten beide entweder die Türen öffnen oder ein Telefon nutzen.

Dissoziative Identitätsstörung

Hier gibt es nun auch keine verglasten Wände mehr. Jeder hat sein ganz eigenes Büro, mit festen, undurchschaubaren Betonwänden. Selbst wenn sich Mitarbeiter XY nun also ganz weit zurücklehnt und sich den Hals halb verrenkt, kann er nicht sehen was im Nebenzimmer geschieht. Um zu erfahren was die anderen Mitarbeiter machen und was deren Aufgabengebiet in der Firma ist, muss er sich also mit ihnen vor dem Büro treffen oder ihre Nummer herausfinden, um sie anrufen zu können. Wenn er sich irgendwann mit einem Kollegen richtig gut versteht, reißen beide möglicherweise die Wand ein und arbeiten zusammen in einem großen Büro.
Aufgrund der Einzelbüros kann es hier auch dazu kommen, dass unterschiedliche Mitarbeiter mit den Kunden (= der Außenwelt) reden, ohne zu wissen was ein anderer Mitarbeiter dem Kunden vorher erzählt hat.
Es kann aber auch Mitarbeiter geben, die eine Glaswand zum Büro des anderen haben (= Co-Bewusstsein).

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8 Gedanken zu „Strukturelle Dissoziation grafisch erklärt (vereinfacht)“

  1. Eine Veranschaulichung von (p) DIS und DIS sind für mich z.B. die 9 Gefährten bei Herr der Ringe.
    Die 9 Gefährten bilden sich, um auf eine existenzielle Bedrohung zu reagieren (pDIS). Anfangs sind alle 9 gemeinsam unterwegs, jeder weis vom anderen, sie werden von Gandalf geführt.
    Durch eine weiteren Kampf (Trauma) fällt Gandalf, die Gruppe teilt sich auf und trennt sich, in Sub-Teams mit anderen Leitpersonen. Nach der Trennung wissen die Sub-Teams nicht, was die anderen gerade machen (DIS), arbeiten aber auf ein gemeinsames Ziel hin.

    wie man da neurotypisches Gehirn oder PTBS veranschaulichen kann, hab ich aber grad wenig Phantasie,

    1. Oh, was für ein tolles, bildliches Beispiel!
      Ja, so spontan fällt mir bzgl. Herr der Ringe auch kein Beispiel ein, was die KPTBS u.Ä. erklärt, allerdings ist es auch schon sehr lange her, dass ich diese Filme gesehen habe. Ich finde aber, bzgl. (p)DIS passt dein Beispiel sehr, sehr gut 😊👍

  2. Ich finde, Du hast schöne, erklärende Bilder gefunden.

    In Wirklichkeit sind ja Traumafolgestörungen Netzwerkerkrankungen des Gehirns, aber nicht nur dessen.

    Die Anteile existieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern sie sind sozusagen die Software, die auf der Hardware Gehirn/Körper läuft. Und bei dissoziativen Störungen gibt es eben mehr Software-Programme, die teilweise voneinander stark getrennt aktiv laufen. Ich meine jetzt tatsächlich das Computerprogramme und nicht Programmierung im Sinne von Konditionierung, obwohl das natürlich auch passen würde.

    Es sind getrennte Netzwerke im Gehirn. Die Eps haben keine Verbindung zum Frontalhirn. Deshalb zählen sie nicht als ANP, weil der Verarbeitungsweg im Flash unter Ausschaltung von Teilen des Frontalhirns stattfindet. Um pDIS oder DIS zu haben, müssen aber ANPs übernehmen und aktiv sein. Sie haben ihre Neuronennetzwerke bis ins Frontalhirn ausgebildet. Das ist der große Unterschied zu Eps. Eps zählen nicht für Diagnosen von pDIS und DIS. Es müssen mehrere funktionierende erwachsene Anteile sein, die den Körper ganz oder teilweise übernehmen können.

    Auch solche Phänomene wie dissoziative Störung von Hören, Sehen oder Bewegung gehört da dazu. Dissoziative Krampfanfälle gehören da dazu. Es ist gar nicht leicht, solche Patienten zu untersuchen, weil sie so verschiedene Symptome haben.

    Wenn man einen neue Persönlichkeit erschaffen will, muss man ein Kind so fürchterlich stressen, im Sinne von traumatischem Stress, dass die oberen Gehirnareale, das Frontalhirn ausgeschaltet werden und das Gehirn auf einen Notfallweg in den unteren Gehirnbereichen ausweicht. Dieser Weg wird gewählt für die Informationsverarbeitung, weil er andere Gehirnbereiche auslässt und das spart Zeit. So kann schneller reagiert werden, was im Notfall das Überleben sichern konnte. Wenn es zu Amnesien kommt, war die Störung der Informationsverarbeitungsprozesse bis zum Zwischenhirn beeinträchtigt. Deshalb wurde nicht mehr richtig abgespeichert.

    Ich würde mir wirklich wünschen, dass auch mal die Forscher und Ärzte und Therapeuten genauer erklären würden, was das ist und wir nicht mehr mit diesem simplen Ausdruck „Abspaltung“ oder „Abspalten“ genervt werden. Man muss es ganz genau und naturwissenschaftlich darstellen, sonst glaubt das doch keiner.

    Es geht nur zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Traumatherapie-Szene und der Betroffenen, wenn man weiterhin mit solchen beschreibenden Erklärungen arbeitet.

    Zu beschreiben, wie p(DIS) ist, hilft wenig weiter. Wir brauchen die Ursachenzusammenhänge und seriöse, klare naturwissenschaftliche Fakten. Statt Vernebelungstaktiken und Ungenauigkeiten will ich präzise Forschungsfakten kommuniziert haben. Das klappt natürlich schlecht, wenn die meisten Traumatherapeut:Innen bis heute selbst nicht die Details kennen und sich mit der Auseinadersetzung mit medizinischen Details nicht befassen wollen.

    Das, was wir als Abspaltung kennen, sind in Wirklichkeit synaptische Bahnungen im Gehirn und im restlichen Körper.

    Aber man muss insgesamt good4know sehr loben. Das ist eine der besten Internetpräsenzen zum Thema.

    Ich wünsche weiterhin viel Erfolg!

  3. ..dickes Lob an AnaNyme….Hut ab….seeehr guter Kommentar….am besten …man druckt eure Posts und verteilt diese an bestimmte Docs/Theras….auch „good4know“ ganz grosse Klasse….das hatte ich ja bereits irgendwann erwähnt…..beide bekommen einen 🏆🏆..und euch eine gute Zeit gewünscht🍀🍀

  4. danke! Das finde ich mega-genial erklärt und kann mich (leider) darin wiederfinden- das ist das Gleiche wie „strukturelle Dissoziation“- richtig?

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