Nachruf: T*d einer Freundin (Triggerwarnung!)

Ich habe gestern erfahren, dass eine damalige Freundin (aus dem vorhergehenden Wohnort, ca. 500km entfernt) gest*rben ist.

Ein Freund teilte uns das gestern mit, er wusste das aber schon eine Woche länger. Ich war jedoch froh, dass er uns das persönlich mitteilte und nicht via WhatsApp.
Aber er trug es schon so lange mit sich herum…

Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte.
Das wirkte so surrreal, als er sagte, dass sie t*d ist. Wir fragten dann nach, an was sie verst*rben ist und er erzählte uns, dass man das nicht weiß. Sie lag bereits 3 Wochen+ in ihrer Wohnung und der Verw*sungsprozess war bereits soweit fortgeschritten, dass man die T*desursache nicht mehr festellen konnte.

Wir hatten schon seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Ich zog weg und der Kontakt verlor sich. Vor 2 oder 3 Jahren schrieb ich ihr einmal einen Brief, indem ich ihr meine neue Nummer mitteilte und ihr sagte, dass sie jederzeit vorbeikommen könne und legte ihr 50€ für die Bahnfahrkarte mit rein, weil ich wusste, dass sie kein Geld hatte. Dazu schrieb ich, dass, falls sie nicht kommen möchte, dieses Geld auch anderweitig verwenden könne und das auch nicht erklären müsse. Eine Antwort habe ich nie erhalten. Ich weiß nicht mal, ob sie dieser Brief jemals erreichte. Das tut mir irgendwie weh, weil ich nicht weiß, ob sie jemals erreicht hat, dass sie mir nicht egal war.

Als wir uns damals kennenlernten, waren wir in einer ganz ähnlichen Situation. Auch sie hatte so viel Schlimmes erlebt und auch ihre Tochter wurde ihr weggenommen, obwohl sie so eine tolle Mama war. Sie war so ein toller Mensch.
Und mir geht einfach nicht aus dem Kopf, wie sie gest*rben ist…
Sie muss so einsam gewesen sein, wenn solange nicht einmal jemand auffiel, dass sie sich nicht mehr meldet.

Gefunden hat sie letztendlich ihre Tochter. Und auch dieses Mädchen geht mir nicht aus dem Kopf. Sie hat schon so viel erlebt und hinter sich und ihre Mutter so vorzufinden muss so schrecklich gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie gerade durchleben muss.

Ich bin wütend auf das Jugendamt, dass die beiden damals auseinander riss und das Mädchen letztendlich zu einem Vater brachte, der diesen Titel gar nicht verdient hat. Ich bin so wütend auf all das, was die beiden durchstehen mussten. Ich bin wütend auf all die Freunde, die sich nicht mehr bei ihr meldeten und ich bin so wütend auf mich, daß auch ich den Kontakt irgendwann nicht mehr versuchte zu suchen. Ich war so beschäftigt mit mir und meinen Ego-Problemen, meinem Stolz, meinem Gefühl, dass sie mich womöglich gar nicht mehr sehen möchte und sich deshalb nicht mehr meldet. Sobald ich das Gefühl habe, nicht erwünscht zu sein, ziehe ich mich konsequent zurück. Dabei hätte sie es womöglich so dringend gebraucht, dass ich den Kontakt weiter suche.

Vllt war sie krank und niemand hat sich um sie gekümmert, bis sie letztendlich st*rb. Vllt brachte sie sich aber auch selbst um….Was ich ihr irgendwo noch am meisten wünsche. Das sie selbst die Entscheidung treffen konnte und jetzt vllt an einem Ort ist, wo es ihr besser geht.
Aber das werden wir nie erfahren.
Nie erfahren, ob sie es selbst war, eine Krankheit oder jemand anderes.

Ich weiß noch, dass ich einmal einen schlimmen Alptraum hatte. Sie kam ins Zimmer und fragte ganz aufgeregt, ob alles in Ordnung ist. Dabei befand sie sich eine Etage unter mir, beim Nachbarn. Sie konnte gar nichts wissen von meinem Alptraum. Aber sie hat es gespürt und war da.
Sie war immer da, wenn Menschen sie brauchten.
Nur sie war am Ende allein.
Sie war so ein fröhlicher Mensch. So ein empathischer und einfühlsamer.
Und dann ist sie allein gest*rben. Und lag so lange alleine. Niemand war da – Das bekomme ich nur schwer aus meinem Kopf.

Ich empfinde Schuldgegefühle, weil ich sie auch allein gelassen habe. Ich empfinde auch Schuldgefühle, weil ich für meinen guten Freund nicht richtig da sein kann, der sie so viel länger kannte. Ich weiß nicht, wie das geht, alles was mit T*d zusammenhängt verdränge ich normalerweise. Ich bin froh, dass ich aktuell überhaupt so viel empfinde. Ich fürchte, sonst würde ich mich noch viel schuldiger fühlen.

Ihr T*d nimmt mich sehr mit.
Aber es geht eben gerade auch nicht um mich oder irgendwelche Schuldgefühle.
Ich versuche den Spagat zu finden, meine Gefühle ernst zu nehmen, aber aufzupassen, dass ich in Gedanken trotzdem bei ihr bleibe und nicht bei „Was wäre wenn“ Gedanken.
Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern und womöglich ist auch alles genauso gekommen, wie es nicht anders möglich war. Vllt wollte sie mich auch wirklich gar nicht mehr sehen. Aber das weiß ich nicht. Weil ich dachte, sie will nichts mehr von mir wissen, habe ich es nicht weiter versucht. Obwohl ich selbst weiß, wie wichtig es manchmal ist, das Freunde am Ball bleiben. Wie wichtig es ist, dass Gefühl geliebt zu werden auch deutlich gezeigt zu bekommen.

Vor 2 Wochen unterhielten mein guter Freund und ich uns noch über sie. Das erste Mal seit langen. Wir erinnerten uns an die schönen Momente und daran was für ein toller Mensch sie war. Wir sprachen schon lange nicht mehr über sie, weil wir dachten, wir würden sie womöglich eh nie wiedersehen.
Aber an diesem Abend hatte sie einen Raum, gleichzeitig, in unser beider Gedanken.

Doch als wir uns über sie unterhielten, lag sie bereits schon über eine Woche t*d in ihrer Wohnung. Ohne das es jemand auffiel.
Ich bekomme das einfach nicht aus meinem Kopf.
Sie hatte das nicht verdient.

Ich wünsche ihr so sehr, dass der Schmerz jetzt endlich vorbei ist und es ihr besser geht.
Und wenn es ein nächstes Leben gibt, dann wünsche ich ihr, dass sie das bekommt, was sie verdient: Liebe. Sie hatte so viel Liebe verdient.

© 2024

4 Gedanken zu „Nachruf: T*d einer Freundin (Triggerwarnung!)“

  1. Hallo Mila,

    Du trägst die Erinnerungen an deine Freundin. Das ist eine Verantwortung ihr gegenüber. Mit Deinem Nachruf hast du diese Verantwortung geteilt. Und so können andere wie z.B. ich Trauer empfinden und ein Stück Erinnerung an deine Freundin weitertragen, obwohl ich Sie gar nicht kannte.

    – Licht zu Licht –

      1. Ich antworte einmal hierauf, auch wenn ich mich v.a. auf dem vorigen Eintrag beziehe. Ich habe dich (… als wir noch Mailkontakt hatten, vielleicht erinnerst du dich)/euch immer als angenehmen und respektvollen Konversationapartner erlebt, vermutlich wir in manchen Dingen ähnlich funktionieren, wie das sachlich-rational-Logische. Aus eigener Erfahrung kommen damit andere, ja sogar viele Therapeuten nicht gut klar und schätzen einen falsch ein, verstehen auch nicht, dass das viel Maske und intellektueller Kompensationamechanismus ist. Oftmals übertragen sich dann die Affektdissoziation und Selbstrelativierung auf den anderen, und seine Reaktion spiegelt dann die Befürchtungen, die man ohnehin hatte.
        Auch die Beiträge hier sind ähnlich und informativ geschrieben, und da es dein Blog ist, hast du jedes Recht, auch einmal emotional zu schreiben. (Oft ist es ja geradezu ein Problem, dass Menschen mit dieser starker Affektdissoziation und Intellektualisierung wenig Zugang zu sich finden, doch hier scheint sich doch manches bei dir getan zu haben, so mein erster Eindruck). Wer damit nicht umgehen kann, hat sein Problem.

        Zum Tod deiner Freundin möchte ich nicht viel mehr sagen, als dass das deinerseits Beschriebene sehr nachvollziehbar ist. Diese Vorwürfe würden sich wohl viele in deiner Situation machen, (auch) unabhängig von den realen Gegebenheiten.
        Ich hoffe, du kannst es irgendwie verarbeiten und die guten Erinnerungen als Kraftquelle bewahren.

        1. Vielen Dank für deinen Kommentar und schön wieder von dir zu hören. Und ja, leider ist es so, dass viele Ärzte und Therapeuten das Intellektualisieren falsch einordnen

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