(p)Dis – Formen und Unterschiede

Dis ist nicht gleich Dis, genauso wenig wie eine DDNOS gleich eine DDNOS ist. Es ist eben wie bei allen psychischen „Störungen“, wo nicht jeder in genau das gleiche Muster passt. Gerade auch bei der DDNOS fällt mir immer wieder auf, dass in verschiedene Typen unterteilt wird, was manchmal ganz schön verwirrend sein kann.

Gucken wir uns einfach mal an, was es da überall für Unterschiede gibt. [Ich spreche jetzt hier noch vom ICD-10. Was sich nächstes Jahr, mit dem ICD-11 ändert, kennzeichne ich euch extra.]

DDNOS

(Ab 2022 fallen beide Typen unter pDis…)

  • Typ 1a: Wird als Dis (Dissoziative Identitätsstörung) gesehen, welche aber noch nicht klar diagnostiziert ist, weil z.B kein Switch beobachtet werden konnte. Oder weil zwar relevante Amnesien für die Vergangenheit bestehen, nicht jedoch aber für den normalen Alltag (keine bis wenig Alltagsamnesien).
  • Typ 1b: Wie eine Dis (erfüllt nicht alle Kriterien dafür) => Die unterschiedlichen Anteile sind nicht ganz soweit von einander getrennt/abgespalten oder wirken nicht getrennt genug von der Frontperson. Weiter gibt es keine Amnesien zwischen den verschiedenen Anteilen (emotionale Amnesien sind aber möglich, also das nicht-Erinnern an entsprechende Gefühle ect.), d.h es besteht ein ständiges Co-Bewusstsein. Es kann dabei auch „nur“ zu verschiedenen Ich-Altersstufen oder Emotionszuständen kommen (=Ego-State-Disorder).

➡ Im neuen ICD-11 werden beide Typen zusammengefasst, als Partielle Dissoziative Identitätsstörung. Dort heißt es:

,,In der Regel treten keine Amnesien, aber regelmässig teildissoziiertes Handeln auf. Ein Persönlichkeitszustand ist dominant und andere Persönlichkeitszustände versuchen intrusiv zu beeinflussen, sind jedoch nicht dominant. Intrusive Beeinflussungsversuche beinhalten oft Selbst- und Fremdverletzungen, Essstörungen, Einnahme von Suchtmitteln und sexuelle Handlungen. (…) Diese Intrusionen sind verbunden mit Veränderungen von Empfindungen, Wahrnehmung, Affekten, Kognitionen, Erinnerung, motorischer Kontrolle und Verhalten und werden als Beeinträchtigung des Funktionierens des dominanten Persönlichkeitszustands und typischerweise als störend erlebt.“

Im amerikanischen DSM-5 (seit 2013) heißt diese Diagnose OSDD.

Weitere DDNOS-Typen…

  • Typ 2: Derealisation, ohne Depersonalisation. Normalerweise wird hierfür aber trotzdem die Diagnose: Depersonalisations- /Derealisationsstörung vergeben, da nach dem ICD-10 dafür entweder Derealisation oder Depersonalisation (oder eben beides) gegeben sein muss. Wann genau und warum dafür dann manchmal die Diagnose DDNOS ausgestellt wird/werden kann, konnte ich leider noch nicht herausfinden (ich gebe bescheid, wenn ich mehr weiß).
  • Typ 3: Dissoziationszustände die bei Personen auftreten, die längere Zeitphasen einer Gehirnwäsche und/oder Indoktrination ausgesetzt waren, z.B in einem Gefangenlager ect.
  • Typ 4: Dissoziative Trance(störung). Das Bewusstsein für die Umgebung, das eigene Erleben, die eigene Identität, wie auch für das kognitive Denkvermögen sind dort stark eingeschränkt. Es kann zudem immer wieder zu den gleichen, monotonen Aussagen kommen.

Bei der Besitztrance (Besessenheitszuständen) erlebt der Betroffene sich bzw. sein Handeln wie von einer fremden Macht oder Wesenheit gesteuert. Diesbezüglich kann es auch zu einer Amnesie kommen. Vor allem in den östlichen Ländern, wie Asien, ist diese Störung sehr weit verbreitet (und wurde bei den Betroffenen, früher und heute, wahrscheinlich oft auch eher bewusst durch Dritte herbeigeführt).

  • Typ 5: Dissoziativer Stupor, wobei der Betroffene am ganzen Körper erstarrt und sich nicht mehr bewegen kann. Oder Bewusstlosigkeit und Koma, die nicht auf eine körperliche Ursache zurückzuführen sind.
  • Typ 6: Ganser-Syndrom. Betroffene antworten knapp an Fragen vorbei (z.B 2+2=5). Ein anderer Zustand kann nicht damit assoziiert werden (z.B eine dissoziativen Fuge, ect.).

Dissoziative Identitätsstörung

Reaktive Dis

Reaktiv = ,,als Reaktion auf einen Reiz auftretend“

Gemeint ist hier, dass die Dis „natürlich“ entstanden ist. Durch anhaltenden Missbrauch (psychisch, physisch und/oder se*uell), entwickelten sich alternative Persönlichkeiten, die die Traumata aushielten. Diese entstanden jedoch ohne Beabsichtigung durch die Außenwelt/Täter. Was jedoch durchaus möglich ist, ist das die Dis den Tätern irgendwann auffiel und sie für ihre Zwecke genutzt wurde, wie im organisierten Verbrechen z.B.

Programmierte Dis

Auch hier ist die Dissoziation natürlich eine Reaktion auf die äußeren Reize. Die Dissoziation der Kinder wird dort aber gezielt durch die Täter gefördert. Meist wurden die Kinder schon im Mutterleib „vorbereitet“, z.B durch Elektroschocks bei der Mutter, während der Schwangerschaft, wodurch die Schmerztoleranz der Kinder erhöht werden soll und diese beabsichtigt eingesetzten Traumata ziehen sich so durch die gesamte Kindheit, bis in das Erwachsenenalter hinein. Die Täter setzen den Missbrauch hier ein, um gezielt Persönlichkeiten abzuspalten, welche dann auf bestimmte Verhaltensweisen und/oder Handlungen konditioniert und programmiert werden (sie führen durch Mind-Control die Befehle der Täter aus). Bei anhaltenden Traumata auch zuhause, in der Schule ect., spalten sich oft weitere Persönlichkeiten ab (reaktiv; nicht beabsichtigt durch die Täter).

Weitere Unterschiede

pDis Typ 1 (neu)

Im Alltag gibt es ganz normal Ich-Syntone Handlungen, was heißt das sich der Betroffene auch wie er selbst fühlt. Nur bei Stresssituationen fühlt sich sein Handeln, Denken und Fühlen Ich-Dyston an, also nicht zu sich gehörig. Wenn im Streit z.B ein emotionaler Anteil (EP) heraus getriggert wird (wie bei der Ego-State Disorder) oder im Flashback usw., also eben in einer Stresssituation, dann übernimmt ein EP die Exekutive (er beeinflusst von Innen heraus, wodurch die Frontperson wie der EP handelt und reagiert, aber immer noch die Frontperson bleibt -> kein Switch, wie bei der Dis), wobei auch Depersonalisation auftreten kann. Amnesien gibt es jedoch nicht.

pDis Typ 2 (neu)

Hier gibt es auch im Alltag Ich-Dystones Empfinden. Handlungen, Gedanken, Gefühle usw. werden als zu sich gehörig (Ich-Synton), wie auch als nicht zu sich gehörig (Ich-Dyston) empfunden/wahrgenommen. Innere Anteile stehen also im Co-Bewusstsein und beeinflussen die Frontperson von Innen, sowohl im normalen Alltag, wie auch in Stresssituationen. Dabei kann es zu Depersonalisationserlebnissen kommen, allerdings ebenfalls ohne Amnesie (die Frontperson bekommt alles mit, auch wenn ein innerer Anteil durch sie hindurch agiert). Das ist das, was wir bisher als DDNOS bzw. Vorstufe zur Dis angesehen haben.

Dis Typ 1 (neu)

Volldissoziiertes Handeln bei Stress, d.h im normalen Alltag gibt es keine Amnesien oder Wechsel. Die Handlungen und Gedanken werden als Ich-Synton, oder aber auch als Ich-Dyston (aber ohne Amnesie) erlebt. Erst bei Stress oder traumanahen Situationen kommt es dann zu einem Switch, mit Amnesie.

➡ ,,Ich-Syntonie bedeutet allgemein, dass eine Person ihre Gedanken, Impulse oder Gemütserregungen als zu ihrem Ich gehörend erlebt. Diese werden also nicht als fremd und störend wahrgenommen, sondern als fester Bestandteil der eigenen Persönlichkeit. “ (Wikipedia)

Dis Typ 2 (neu)

Volldissoziiertes Handeln im Alltag. In stressnahen Situationen, sowie im Alltag kommt es zu Ich-Syntonen, wie Ich-Dystonen Handlungen, mit und ohne Amnesie (d.h auch im normalen Alltag kommt es regelmäßig zu Wechseln).

,,Offene“ Wechsel

Hier sind die Wechsel zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten relativ offensichtlich zu erkennen. Die Persönlichkeiten unterscheiden sich oft auch stärker in ihrem Auftreten, sodass durchaus eine klare Stimmveränderung, Körperhaltung, ect. wahrgenommen werden kann.

[ Bemerkbar können sich Wechsel übrigens über Augenrollen (das Weiße kommt z.B zum Vorschein) oder andere Augenbewegungen; starkes Zittern; Schütteln; Kopf-, Gesicht- oder Körperspastiken; ,,den Faden verlieren“ bzw. das nicht Erinnern des vorher Gesagten; plötzliche Stimmungswandel oder Sichtweisen; usw. bemerkbar machen. ]

,,Verdeckte“ Wechsel

Die Wechsel erkennt man hier weniger gut, sodass selbst Fachpersonal oft Probleme hat, einen Switch eindeutig zu identifizieren. Die Persönlichkeiten wechseln sich eher im Hintergrund, also hinter der Frontperson ab, sodass nach Außen weiterhin eine einheitliche Fassade aufrecht erhalten bleibt. Obwohl auch da die Persönlichkeiten, für sich genommen, durchaus eine viel tiefere oder höhere Stimme oder eine ganz andere Mimik, Körperhaltung ect. (als die Frontperson) haben können, erkennt man dies selten direkt bei so einem versteckten Wechsel. Es kann auch dazu kommen, dass Vorhergeschehenes an die neu herausgewechselte Persönlichkeit „übergeben“ wird, sodass auch nicht zwangsmäßig eine Amnesie zum z.B vorherigen Gespräch vorhanden sein muss (was dann ja nach Außen hin auffallen würde).

Oft findet man diese Form der Dis bei programmierten Systemen an (da dort von den Tätern ja beabsichtigt wird, dass die Dis niemanden auffällt). Wie immer kann, muss aber gar nichts. Auch reaktive Systeme können so „versteckt“ wechseln. Zudem wechseln sich auch bei der DDNOS die Persönlichkeiten hinter der Frontperson ab, weshalb gerade da so schwer erkannt werden kann, dass eine multiple „Störung“ vorliegt.

Was kann sich noch unterscheiden?

Stimmen

  • Viele Betroffene hören die Innenpersonen klar und deutlich. Sie hören eine klare Stimmfarbe und können die unterschiedlichen Stimmen oft auch gut zuordnen. Die Personen diskutieren laut miteinander, kommentieren das Handeln der Frontperson, usw.
  • Ich wiederum höre nur sehr selten eine klare Stimmfarbe. Wenn, dann nehme ich auch den vollständigen Satz wahr. Die meiste Zeit über höre ich die Stimmen aber mehr wie Gedanken. Ich kann nicht heraushören ob da eine männliche oder weibliche oder kindliche Stimme redet und eigentlich höre ich da auch keine ganzen Sätze. Was gesprochen wird weiß ich, aber das ist mehr als würden die Wörter und Sätze als eine Art Gefühl aus dem Hintergrund angeschwappt kommen, welche ich im Inneren dann „übersetze“. Ich beschreibs immer als ,,Hör-Fühlen“ 😅. Da wird auch regelmäßig kommentiert und geschwafelt, aber das ist für mich mehr wie ein Klumpen vieler unterschiedlicher Meinungen/Gedanken, der durch den Kopf rauscht. So deutliches Reden, als würde man sich z.B in einer Bahnhofhalle mit vielen Menschen befinden (wie es viele oft beschreiben), ist das für mich nicht. Oft fühlt es sich eher an, als würden die entsprechenden Personen ganz, ganz weit weg stehen und der Wind trägt mehr so ein Wispern zu mir rüber oder als würde ich sie durch ein ewig langes Rohr, weit entfernt wahrnehmen. Mittlerweile weiß ich, dass das aber auch völlig normal ist und ich gar nicht so alleine damit bin (am Anfang dachte ich das nämlich, was mir wieder einen Grund zum Zweifeln gab).
  • Manche hören überhaupt keine Stimmen. Sie können die anderen nicht reden hören. Kommunikation ist dort mehr über Intrusionen, Gefühle, Impulse, Körperreaktionen, andere vermittelte (Außen)Personen (wäre aber nicht mein Favorit) , Kontaktbücher usw. möglich. Auch das ist gar nicht so selten, wie angenommen.

Wichtig ist noch zu sagen…

… das es Anteile geben kann, die überhaupt nicht sprechen können. Du kannst also durchaus die anderen ganz klar hören, während du aber diesen einen Anteil (oder auch mehrere) nicht hörbar wahrnehmen kannst. Dann ist es z.B auch möglich, dass du deine Anteile nicht deutlich hörst, weil die Barrieren zu ihnen noch zu hoch sind (sie weiter abgespalten sind). Durch die Therapie oder nähere Beschäftigung mit ihnen, kann sich das mit der Zeit verändern. Ebenso kann es aber auch möglich sein, dass du schon Jahre Therapie auf dem Buckel hast und du die Stimmen der anderen trotzdem nicht hören kannst. Dann habt ihr einfach eine andere Art zu kommunizieren.

Es gibt sogar, darüber las ich letztens, Betroffene die die inneren Personen doch im Außen hören (bisher habe ich das in die Kategorie Schizophrenie gepackt, weil es mehr wie eine Halluzination klingt). Alison Miller schreibt über eine Patientin, die die eigentlich inneren Stimmen, aus dem TV kommend wahrnahm. Auf Nachfrage antwortete eine Innenperson, dass die Betroffene die inneren Stimmen als Dämonen und böse Wesen ansah und ihnen deshalb nicht glaubte, wiederum aber alles glaubte, was im TV erzählt wird.

Innenwelt

  • Es ist völlig normal wenn gar keine Innenwelt existiert. Diese wird dann meist im Zuge der Therapie (oder kann natürlich auch ohne) ausgestaltet und aufgebaut. Jede Innenperson kann so ein Zimmer bekommen. Ein Konferenzsaal kann gebaut werden. Ein Spielzimmer für die Kleinen, usw.
  • Es kann auch eine Innenwelt geben, wozu du einfach nur (noch) keinen Zutritt hast oder z.B durch ein erneutes Trauma oder sehr viel Stress, dir der Zutritt nicht mehr möglich ist.
  • Weiter ist aber auch eine sehr große, bunte und umfangreiche Innenwelt möglich. Für programmierte Systeme ist oft eine Innenwelt mit sehr geometrischen Formen und Strukturen (Pyramiden, Hexagon, …) oft ein MÖGLICHER Indikator.

Letztendlich….

… ist das aber wieder nur eine grobe Übersicht, die das Verständnis der Unterschiedlichkeiten leichter machen soll. Wir sind alle so individuell und niemand lässt sich stur in eine bestimmte Kategorie einteilen. Es kann sein, dass du dich irgendwo haargenau wiederfindest. Es kann aber auch sein, dass du dich irgendwo zwischen mehreren Bereichen findest. Und das ist vollkommen okay und nichts daran ist falsch.

Hier geht es ja nicht um eine Tabellenkalkulation, sondern um unsere Psyche und da lassen sich eben nicht immer so ganz haargenaue Grenzen ziehen.

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