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Vernachlässigung

Wir haben bisher dem Thema emotionale Gewalt sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet und wurden deshalb mehrfach gefragt ob emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung das Selbe wären bzw. wo man den Unterschied erkennen könnte…

Erstmal: Nein, emotionaler Missbrauch und Vernachlässigung sind nicht das Gleiche, wenn auch beide oft Hand in Hand gehen und Vernachlässigung eine Form der emotionalen Gewalt ist.

Was ist Vernachlässigung?

Unter Vernachlässigung fällt alles, wo Eltern bzw. die nächsten Bezugspersonen notwendige, für das Kind überlebenswichtige, Handlungen unterlassen.

Vernachlässigung ist eine schwere Form der Kindeswohlgefährdung und keine Bagatelle. Es kann zu Persönlichkeitsstörungen, schweren Depressionen, komplexen Traumata, dissoziativen Störungen (inkl. Dis) usw. führen.

Was fällt unter Vernachlässigung?

körperliche Vernachlässigung

Hierunter fällt alles was die Vernachlässigung der körperlichen Bedürfnisse betrifft, z.B:

  • nicht genügend Essen und Trinken
  • unzureichende Nahrung (z.B sind wir ja selbst Vegetarier und glauben, dass eine vegetarische/vegane Nahrung voll ausreichend ist, solange sie ausgewogen und bedacht stattfindet. Versucht man sich selbst und vor allem ein Kind, welches auf ausreichend Nährstoffe angewiesen ist, jedoch z.B nur mit Salat oder Fertig-Soja-Produkten zu ernähren, stellt das eine Unterernährung dar – Für uns ist das oft ein trauriges Bsp. warum Vegertarier/Veganer so in Verruf sind, was aber nicht am fleischlichen Nährstoffmangel, sondern lediglich am Mangel von Informationen liegt)
  • nicht wettergerechte Kleidung
  • kein Dach über dem Kopf
  • Mangel an Bewegungsspielraum (z.B wurde unser Opa als Kind sehr oft den ganzen Tag im Kindergitterbett liegen gelassen)
  • Mangel an medizinischer Versorgung (z.B wurden wir als kleines Kind mit starken Medikamenten wie u.a Opiaten „versorgt“, während wir, wenn wir wirklich Schmerzen hatten, oft ohne alles liegen gelassen wurden)
  • das allein gelassen werden zuhause (z.B war es für uns Gang und Gebe zuhause über Stunden oder teilweise den ganzen Abend allein zu sein, obwohl wir noch nicht mal ein Schulalter erreicht hatten – Bei meinem Sohn kam mir noch nicht mal der Gedanke das zu tun, als er 10 war)
  • (chronisches) Desinteresse oder sogar fördertes Verhalten, wenn es um den übermäßigen Konsum vom Alkohol oder Drogen geht
  • auch das Kind PERMANENT allein spielen zu lassen und/oder soziale Kontakte zu behindern/unterbinden, ist eine Form der Vernachlässigung

emotionale Vernachlässigung

Hierunter fällt alles was die emotionale, seelische und psychischen Bedürfnisse des Kindes betrifft. Friedrich II. z.B wollte austesten, welche Sprache Kinder von Geburt an sprachen. Er wies sämtliche Ammen daher an, die Kinder zwar in ihrem körperlichen Wohl zu verpflegen, sie jedoch nicht anzusprechen, zu liebkosen, etc. ➡ Im Ergebnis starben ALLE Kinder. Beispiele emotionaler Vernachlässigung sind z.B:

  • keine Aufmerksamkeit, Liebe, Geborgenheit oder Nähe
  • keine schützenden Grenzen für das Kind
  • ignorieren und nicht Wahrnehmen des Kindes
  • ständiges Austragen von Konflikten vorm Kind (obwohl ich finde das Kinder generell viel mehr mitbekommen, als wir denken. Ständiges streiten ist nicht nur vor Kindern schädlich, aber das Vorspielen einer falschen (heilen) Fassade dürfte ähnlich schädlich sein. Denkt nicht, Kinder würden nicht mitbekommen, was hinter der den Kulissen abläuft – Seid einfach ehrlich. Kinder sind nicht so beschränkt, wie man denkt. Seid ehrlich darüber, was abgeht und zeigt den Kindern, satt Lügen, lieber wie Konfrontationen richtig aussehen kann. Spüren tun sie doch eh, was los ist…Verbale Beleidigungen, Brüllen, Schläge etc. gegenüber dem Partner vorm Kind können aber schwere Folgen hinterlassen)
  • nicht reden/mangelnde Kommunikation mit dem Kind
  • keine Wertschätzung
  • kaum bis wenig Respekt, Lob, Ermutigung, Bestätigung und Ansporn des Kindes
  • regelmäßiges allein lassen des Kindes in notwendigen schulischen Aufgaben
  • allein lassen des Kindes in/mit bedrohlichen Situationen (z.B beim Mobbing in der Schule)

Folgen…

  • Depressionen
  • Ängste, soziale Phobie
  • Persönlichkeitsstörungen
  • dissoziative Störungen (schwere emotionale Gewalt kann ebenfalls eine Dis auslösen!)
  • diverese andere psychiatrische Störungen
  • psychosomatische Probleme
  • niedrigen Selbstwert
  • innere Leere und Unruhe
  • selbstverletzendes Verhalten und Substanzkonsum zur Betäubung
  • innere Einsamkeit, Isolation
  • inneren Wunsch versorgt und nicht allein gelassen (Verlassensängste) zu werden
  • negative Lebenseinstellung
  • Wunsch nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und geborgen sein
  • uvw.

Thema „Aufmerksamkeit

Das muss ich unbedingt mal kurz mit anschneiden, weil es ein ganz wichtiges Thema ist. Ich finde in unserer Gesellschaft wird das mit der Aufmerksamkeit ständig als etwas böses und nerviges abgetan. Und ja, ich lernte auch schon den ein oder anderen Menschen kennen, wo das mit der Aufmerksamkeit ins toxische abglitt (also sprich: „Hier bin ich! Ich bin mehr wert, als du“). Und sobald etwas toxisch wird, ist es für andere nicht mehr rechtfertigbar. Darüber sind wir uns, denk ich mal, größtenteils einig?.

Aufmerksamkeit ist aber eine ganz essentiell wichtige Form der Energie. Wird Kindern allein nur die liebevolle Aufmerksamkeit oder generell die Aufmerksamkeit verwehrt, können sich bereits Traumata entwickeln, die allerhand Folgen haben können. Erhalten wir als kleines Kind keine Aufmerksamkeit, verhungern wir quasi am laufenden Band und meist lernt man deshalb sie sich deshalb auf andern Wegen zu beschaffen (z.B Lügen oder stehlen des Kindes; vllt gab es endlich Aufmerksamkeit wenn es krank war, was sich abspeichert; usw.).

Die sogenannte „Aufmerksamkeitssuche“ entstand aus einem Mangel. Aus einem Mangel, der von Körper und Psyche des Kindes als lebensbedrohlich eingestuft wurde. Noch schlimmer ist es aber, dass wir als Gesellschaft mittlerweile jede Gefühlsregung als „Aufmerksamkeitssuche“ abstempeln. Vor einiger Zeit las ich z.B in meiner Facebookliste das jemand des Lebens müde ist und diese Kommentare:

  • ,,Würdest du es ernst meinen, hättest du es schon längst getan“
  • ,,Wilst du Aufmerksamkeit oder was?!“
  • ,,Wenn du hier noch schreiben kannst, kann es ja nicht so schlimm sein“

Alter….

Ich weiß und verstehe, dass wir darauf geprägt sind so etwas wäre nur „Aufmerksamkeitssuche“. Nichts , was man Beachtung schenken müsste. Aber um das aufzuklären, habe ich ja den Blog gemacht:

Wer so etwas sagt, sagt das doch nicht aus Jux und Tollerei! Und ja, jemand der permanent Aufmerksamkeit (im Sinne das es toxisch wird: „Guck hier hier hier, ich bin wichtiger. Beachte mich!“) , der muss diese nicht erfüllt bekommen. Ihr seid immer noch relevant. Wenn ihr euch für das Gefühl des anderen aufgebt, dann haben wir letztendlich nur einen Kreislauf des Toxitität. Darum geht es nicht. Es geht darum, nicht zu verurteilen und erstmal zuzuhören. Nicht darum, alles zu akzeptieren und zu erdulden.

Gerade aber Menschen die z.B Selbstmorde ankündigen etc., die meinen das nicht aus Spaß. Bitte nehmt sowas ernst! Indem ihr das lächerlich macht, wird alles nur noch viel schlimmer. Es hat z.B auch einen Grund warum so wenige Menschen sich trauen, über ihre Traumata zu sprechen.

1. haben wir da die Täter-Opfer-Umkehr, auf die Menschen irgendwie unglaublich stehen.

2. gibt es dann noch das „Na willst wieder Aufmerksamkeit? “ – Ding.

Was denkt ihr, wie oft traumatisierte Menschen nicht sprechen, weil sie immer wieder genau das gehört haben? Mich übrigens eingeschlossen.

Warum Menschen diese beiden Punkte immer wieder sagen/machen…

Ich glaube, weil es dann leichter ist, das Leid von sich wegzuschieben. Wenn der Betroffene selbst Schuld ist, muss kein Täter gesucht werden. Niemand muss sich ansehen, zu welchen Bestialitäten wir Menschen fähig sind. Jeder kann weiter in seiner heilen Welt bleiben. Niemand muss sich kümmern. Der Verantwortliche ist ja bereits gefunden und der soll auch zusehen, wie er das wieder hinbekommt. Zudem denken viele, ihnen könnte sowas nie passieren. Der andere war nur zu dumm oder ungeschickt („Warum ziehst du auch so einen kurzen Rock an?“ ) und wenn man selbst klüger ist, kann einem das ja auch nicht passieren. Da ist wieder der Glaube: „Wenn ich für alles verantwortlich bin (Kontrolle), kann das das nächste Mal nicht passieren“ – Der Wunsch das Ohnmachtsgefühl auszugleichen (was wir eben auch gesellschaftlich gegenüber Gewalt haben).

Und etwas Ähnliches ist es, meiner Meinung nach, mit dem Aufmerksamkeit-Ding. Wenn derjenige nur mal wieder Beachtung braucht und all das aus dem Grund sagt, „überdramatisiert“ usw., dann ist das ja auch nicht wirklich real. Und um das, was nicht real ist, muss sich auch keiner Gedanken machen.

Es ist ein Schutzreflex. Es ist so ähnlich, wie wir als Einzelne Angst haben unseren Traumata und Schatten ins Auge zu sehen und wie die Psyche allerhand Möglichkeiten findet, dem aus dem Weg zu gehen. So geht es uns gesellschaftlich, meiner Meinung nach, auch.

Missbrauch erkennen (und helfen)

Des Öfteren erreichen mich Anfragen, wie man Missbrauch bei Kindern erkennen und was man, im Falle des Falles, als Außenstehender überhaupt tun kann. Missbrauch hat leider unglaublich viele Facetten und ist auch für nahestehende Personen nicht immer leicht zu erkennen. Bitte macht euch also nicht fertig, wenn so etwas in der nahen Umgebung passiert (ist) und ihr es nicht mitbekommen habt!

Es gibt Anzeichen, definitiv. Aber das Erkennen und danach auch erfolgreiche Einschreiten ist nicht immer ganz so einfach. Wir wollen heute also einmal darüber sprechen auf was man achten kann und welche Möglichkeiten der Hilfeleistung einem bleiben. Natürlich werde ich dem Thema –sexueller Missbrauch– eine besondere Aufmerksamkeit widmen, allerdings ist und bleibt Missbrauch Missbrauch. Wir werden also auch über emotionalen und physischen Missbrauch reden, zumal auch wirklich vieles in seinen Auswirkung haargenau gleich ist. Wir müssen aufhören Missbrauch in weniger oder mehr schlimm einzuteilen! Ich erwähnte schon einmal das nicht die sexuelle Gewalt für mich das Schlimmste war, sondern das emotionale und psychisch zugefügte Leid viel tiefer sitzt, als das was mit dem Körper angestellt wurde, oder?

Weiterführende Infos zum Thema emotionaler und sexueller Missbrauch findet ihr hier 👇:

Wer sind die Täter?

Es gibt keine klare Beschreibung eines Täters. Das ist das perfide und das müssen wir uns wirklich hinter die Ohren schreiben. Man sieht es den Tätern nicht an.

In den Medien und Filmen bekommen wir oft suggeriert, Täter wären auffällige, schräge Psychopathen alá Hannibal Lecter. In der Realität schaut es jedoch so aus, dass der nette Nachbar oder der aufmerksame Lehrer, der engagierte Trainer oder auch der immer zu einem Schwätzchen aufgelegte Haus- oder Kinderarzt genauso missbrauchen können, wie der alkoholabhängige, arbeitslose Typ im verdreckten Rippshirt. UND ☝ es sind vor allem nicht nur Männer! Auch Frauen missbrauchen! Nicht zu selten sogar.

Täter findet man zudem in JEDER Bevölkerungsschicht. In der armen Unterschicht genauso oft, wie in der reichen Oberschicht. Anwälte, Ärzte, Polizisten, Politiker, Schauspieler, Lehrer, Trainer, Babysitter, Busfahrer, Verkäufer, Putzkräfte, usw. Wir müssen uns aus dem Kopf schlagen, dass sowas nur eine „reiche Elite“ oder auf der anderen Seite nur irgendwelche verarmten Irren machen. Weiter wird gerade beim sexuellen Missbrauch von Kindern oft von Pädophilie gesprochen.

Allerdings ist es von Pädophilie bis zum tatsächlichen Missbrauch ein sehr weiter Weg. Und beides hängt nicht automatisch zusammen. Die meisten Täter sind noch nicht einmal pädophil, sondern missbrauchen aus dem Gefühl der Macht heraus. Schätzungen zufolge sind gerade einmal 40% der Täter wirklich pädophil. Wenn wir solche Taten nur auf pädophile Menschen begrenzen, tun wir erstens denen unrecht, die mit dieser Neigung geboren wurden, aber alles dafür tun sie niemals auszuleben. Und auf der anderen Seite ignorieren wir damit den großen Teil der anderen Täter. Die, die Pädosexualität ausüben, ohne sich tatsächlich zu Kindern hingezogen zu fühlen.

Strategien der Täter

Die ersten beiden Punkte beziehen sich vor allem auf sex. Missbrauch. Die letzten beiden jedoch auf alle Formen des Missbrauchs.

  • Vertrauen aufbauen: Im Großteil der Fälle werden sexuelle Übergriffe langfristig geplant. Täter werden sich meist zuerst das Vertrauen der Bezugspersonen/Umgebung und des Kindes selbst sichern. Sie treten also durchaus vertrauenswürdig, liebevoll, fürsorglich, aufmerksam und empathisch auf. Die Umgebung will den Missbrauch so nicht sehen/glauben und Kinder sind, durch die emotionale Abhängigkeit zum Täter, leichter manipulierbar. Bei einer engen Täter-Opfer-Bindung bleibt der Missbrauch meist viel länger unendeckt. Es ist also wichtig auf das Kind zu achten und nicht darauf ob derjenige wie ein Täter aussieht/wirkt oder nicht.
  • Gelegenheit schaffen: „Unbeabsichtigte“, intime Berührungen. Anzügliche Bemerkungen. Oder das Zeigen pornografischer Bilder und Videos, was wiederum für sexuelle Handlungen empfänglich und offen machen soll. Abschottung des Kindes (Isolation – auch „alle anderen sind böse„). Ausnutzen des kindlichen Spielwunsches oder des Bedürfnisses nach Nähe und Liebe. Verharmlosen von Missbrauch (generell) als Autoritätsperson. Manche greifen aber auch als Bekannte (z.B der Familie) oder Fremde plötzlich/überraschend an, wenn sie mit dem Opfer alleine sind.
  • Schweigen sichern: Das Opfer wird z.B unter Druck gesetzt oder bedroht: ,,Wenn du was erzählst, dann bricht die Familie auseinander. – Dann gehe ich ins Gefängnis und das willst du doch nicht? – Dir wird sowieso keiner glauben, schließlich wolltest du es doch/ hast mich verführt/hast doch mitgemacht/es provoziert (das fällt besonders oft, wenn das Bedürfnis nach Nähe ausgenutzt wurde). – Wenn du etwas erzählst, dann passiert jemand den du liebst etwas ganz schlimmes (z.B Haustiere, Geschwister, usw.). – Wenn jemand erfährt was für eine kleine Schlampe/Hure/etc. du bist, wird dich keiner mehr mögen. – usw. “ . Aber es kann auch zu körperlicher Gewalt kommen.
  • Unglaubwürdig machen: Sobald das Opfer doch ansatzweise über den Missbrauch spricht oder Erwachsene Verdacht schöpfen, wird das Opfer lächerlich oder unglaubwürdig gemacht: ,,Er/sie hat so eine rege Fantasie. – Das hat er/sie im Fernsehen gesehen/gehört. – Er/sie lügt in letzter Zeit ständig. – Er/sie tut einfach alles für Aufmerksamkeit. – Er/sie erzählt und macht ständig Sachen um mir zu Schaden. – Er/sie ist so überempfindlich. Das war doch nur Spaß/ein Klaps/ein lustiges Spiel, usw.

Mögliche Anzeichen von Missbrauch

Anzeichen die bei jeder Form des Missbrauchs (emotional/physisch / sexuell) auftreten können:

  • Psychosomatische Beschwerden: Unterdrückte und ungehörte Gefühle und Emotionen äußern sich irgendwann über den Körper. Typisch sind meist (chronische) Bauchschmerzen oder Magen-Darm Beschwerden. Kopfschmerzen oder Hautkrankheiten. Auch die vermehrte Anfälligkeit für Krankheiten (da das Immunsystem durch den psychischen Stress lahmgelegt ist). Plötzliches Stottern oder Schweigsamkeit (Mutismus). (Chronische) Blasenentzündungen, etc.
  • Emotionale Veränderungen: Sozialer Rückzug (still und verschlossen sein/werden, Kontaktschwierigkeiten oder -abbrüche) oder umgedreht plötzliches soziales „aufgedreht sein“ (z.B im Teenageralter). Starke Stimmungsschwankungen, u.a auch Wutausbrüche/Aggressionen/Reizbarkeit oder plötzliche Weinattacken. Auch extremes Ausüben von Kontrolle/Macht. Schuldgefühle. Negatives Selbstbild. „Opferverhalten“. Vertrauensprobleme/starkes Misstrauen.
  • Seelische Veränderungen/averbale Signale: Aufälige Ängste, plötzliche Tics/Spasmen, Zwänge, Depressionen. Schlafstörungen wie häufige Alpträume, Nachtschweiß, häufiges Aufwachen oder Einschlafprobleme. Selbstverletzungen (z.B Ritzen, Nägelkauen, Haare ausreißen, usw.) oder Selbstmordgedanken/-handlungen. Süchte. Auch Essstörungen, Konzentrationsprobleme, chronische Erschöpfung oder Drogenkonsum. Plötzlicher schulischer Leistungseinbruch oder aber auch -steigerung. Regressives Verhalten (Daumenlutschen, Einnässen, usw.). Stehlen, Brandstiftung, Tiere quälen. Weglaufen von Zuhause und aber auch vermehrtes Lügen. Malen untypischer oder düsterer Bilder. Erhöhtes Sicherheitsbedürfnis oder auffälliger Rückzug in Fantasiewelten. Ungewöhnliches Hygieneverhalten (ungepflegtes Äußeres oder übertriebenes/zwanghaftes Hygienebedürfnis). Meiden bestimmter Orte oder Personen/Personentypen. Zwanghafte Kinderspiele (Wiederholen des Traumas, siehe auch Hier).

Bei physischem und/oder sexuellen Missbrauch kann hinzukommen:

  • Körperliche Auffälligkeiten: Quetschungen (auch innere Blutungen), Brüche (Arme, Rippen, usw.), Verbrennungen, Stiche, Schnitte. Hämatome vor allem an den Oberschenkeln, im Rippenbereich, Unterarme (durch festhalten z.B) und im Genitalbereich. Besonders Blutungen im Genital- und Rektalbereich (auch Urin) sollten besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch wenn sich dort Bisse, ungewöhnliche Dehnungen, starker Juckreiz oder andere Verletzungen (und Schmerzen) vorfinden. Probleme und Schmerzen beim sitzen oder gehen. Geschlechtskrankheiten oder auch Schwangerschaften (die oft durch weite Kleidung oder vermehrtes Essen versucht werden zu verstecken). Gerade was das betrifft: Wir müssen aufhören andere als Schlampe etc. zu verurteilen. Wir wissen nie was wirklich dahinter steckt!
  • Sexualisiertes Verhalten: Stark sexualisiertes und dem Alter unangemessenes Verhalten (auserhalb der normalen Neugierde). Normale Doktorspiele fallen da z.B nicht mit rein. Übermäßige (vllt. sogar öffentliche) Mastrubation z.B. oder das stimulieren anderer Geschlechtsteile fiele da eher darunter. Das Wiederholen des Missbrauchs z.B mit Puppen (die Puppen untereinander oder das Kind „missbraucht“ die Puppe oder sogar andere Kinder), etc. Berühren, Reiben an den Geschlechtsteilen Erwachsener oder versuchen diese zu stimulieren. Das zur Schaustellen der eignen Genitalien. Übermäßige Gedanken/Beschäftigung mit dem Thema Sex in bereits seeehr jungen Alter (drüber reden, Pornografie, untypisches Wissen, …). Basteln von Figuren oder Anfertigen von Zeichnung mit expliziten Inhalten (Penise, Brüste, Vagina, nackten Körpern, vom Akt selbst, usw.). Oder aber auch verschachtelt, wie z.B viele Hände. Blut. Monster am Bett. Viele düstere Farben, usw. Im Teenageralter kann es vor allem auch nicht selten zu sehr promiskuitiven Verhalten kommen bis hin sogar zur „freiwilligen“ Prostitution.

Wie reagiere ich, wenn ich solches Verhalten entdecke?

Ganz wichtig ist!: All das da oben KÖNNEN Verhaltensweisen sein, die auf Missbrauch hinweisen. Müssen aber nicht! Es gibt keine definitiven Symptome, die darauf schließen lassen. Zudem, wenn z.B bereits eine dissoziative Störung vorliegt, kann es für Außenstehende teilweise fast unmöglich werden Missbrauch tatsächlich zu erkennen. Generell lässt sich aber sagen das jede Verhaltensauffälligkeit oder -veränderung des Kindes beobachtet werden sollte. Und dann:

  • Bewahrt bitte Ruhe und beobachtet das Kind erst einmal ganz aufmerksam weiter. Unüberlegte und überstürzte Handlungen können nämlich eher zu einer Verschlimmerung der Lage führen. Als Beispiel könnte dem Vater überstürzt Missbrauch unterstellt werden und das Kind kommt zur Mutter oder den Großeltern. Während diese in Wirklichkeit die wahren Täter sind. Oder es schadet anderweitig dem Kind, siehe unten
  • Sprecht bitte das Kind an und niemals zuerst die Eltern/Bezugspersonen! Denn wenn sie tatsächlich Täter sind, werden sie logischerweise nicht die Wahrheit sagen. Zudem besteht dann wirklich erhöhte Gefahr, dass das Kind bestraft wird. Missbrauch soll geheim bleiben und es reicht vollkommen, wenn das Kind Außenstehende nur ansatzweise auf die Idee bringt, da könnte was sein. Strafen können von Essenentzug über schwere körperliche/sexuelle Misshandlungen zu sogar schlimmen Gewalttaten gegenüber der (vom Kind) geliebten Mutter, Geschwistern, Haustieren (foltern oder töten vor den Augen des Kindes z.B.), etc. führen. Sprecht direkt mit dem Kind. Aber keine direkten oder suggestiven Fragen. Wenn ihr fragt ob das Kind missbraucht wird, weiß es entweder gar nichts mit diesem Begriff anzufangen oder versucht den Täter zu schützen. Fragt eher immer wieder nach wie sich das Kind fühlt. Ob es jemand (oder besser etwas) gibt, das Dinge tut was es nicht möchte oder ihm wehtut, usw.

Was kann ich noch tun?

  • Drängt Betroffene zu Nichts! Missbrauch welcher Art auch immer nimmt dir jegliche Kontrolle und Selbstbestimmung. Wenn Helfer jetzt weiter die Selbstbestimmung nehmen, indem z.B zum drüber reden gedrängt wird. Oder Anzeige zu erstatten, usw., dann hält dass das Gefühl der Ohnmacht weiter aufrecht. Seid für Betroffene da (alleine schaffen sie das nicht) und erklärt ihnen auch was man tun kann, aber lasst sie bestimmen wann, was, wie. Vertrauen und Sicherheit sind extrem wichtig.
  • Glaubt den Kindern! Wenn ein Kind sagt Papa oder der Onkel stecken ihnen komische Sachen in den Bauch oder tun ihm weh, dann nehmt das ernst!
  • Erklärt dem Kind, dass es KEINERLEI Schuld trifft. Egal wie es sich verhalten hat oder was ihm erzählt wurde. Macht bitte auch keine Schuldzuweisungen (,,Warum hast du denn nie etwas gesagt?“ ). Die Verantwortung für jeglichen Missbrauch liegt IMMER beim Täter. Und macht euch auch selbst keine Vorwürfe, dass bringt niemand etwas. Nutzt diese Energie lieber um eine Veränderung herbeizuführen.
  • Selbst wenn ihr nichts gegen weiteren Missbrauch tun könnt, seid für das Kind da! Die Auswirkungen von Missbrauch (jeglicher Art) werden umso schlimmer, umso weniger Bezugspersonen (die Sicherheit, Liebe und Akzeptanz vermitteln) das Kind hat. In sehr vielen Fällen entwickelte sich z.B bei Betroffenen mit fast identischen Traumahintergrund eher eine Dis, wenn keinerlei sichere Bezugsperson vorhanden war. Dort wo mindestens eine echte Bezugsperson vorhanden war, wirkten sich die Symptome des Traumas später weit geringer aus. Immer noch extrem schlimm, natürlich. Aber das Kind hatte so die Möglichkeit zumindest eine gewisse Form von Resilienz aufzubauen. Leider finde ich diese blöde Studie dazu nicht mehr, sonst hätte ich wenigstens noch ein paar Zahlen dazu parat 😅. Ist aber auch Wurst, so oder so: Auch wenn ihr wirklich nichts an der Situation verändern könnt, solange ihr für das Kind da seid ist das 50.000x besser, als wenn es ganz allein mit allem zurecht kommen muss.
  • Und noch ganz wichtig: Achtet bitte auch auf euch und eure eigene Gesundheit! Nehmt Beratungs- oder therapeutische Hilfe in Anspruch. Redet auch als Helfer mit jemand. Das ist extrem wichtig. Wenn ihr zum psychischen Frack werdet, habt ihr damit niemand geholfen! (Damit meine ich allerdings nicht: ,,Das belastet mich total, also nehme ich lieber Abstand/ignoriere es und überlass das Kind mal seinem Schicksal. !!)

Soll ich die Polizei oder das Jugendamt einschalten?

Pro : Eine Anzeige um potenziellen weiteren Missbrauch zu verhindern und für das Opfer Gerechtigkeit zu erzielen ist enorm wichtig und oft auch sehr sinnvoll! Wenn nichts passiert, geht der/die Täter ungestraft aus und kann unbehelligt weiter machen. Auch ist eine Anzeige wichtig, um bspw. Opferhilfe zu erhalten. Weiter ist es oft schwierig, ein Kind aus einer missbräuchlichen Familie zu befreien, solange der Missbrauch nicht rechtskräftig oder zumindest von öffentlicher Stelle (z.B Jugendamt, etc.) bestätigt/nachgewiesen wurde.

⛔Contra: Denkt darüber vorher bitte genau und ausführlich nach.

  • Die Aussage bei der Polizei kann für das Opfer sehr schlimm sein. Ganz zu Schweigen davon, wenn es in einer Gerichtsverhandlung noch einmal befragt wird oder dieser sogar beiwohnen muss. Macht nichts ohne Absprache mit den Betroffenen!
  • Und dann stellt sicher, ob ihr der Polizei und/oder dem Jugendamt trauen könnt. Hört sich erstmal nach Verschwörungsblabla an, allerdings könnte tatsächlich die Möglichkeit bestehen, dass bspw. ein Polizist ein enger Freund des Täters ist. Auch ist es z.B im Bereich der organisierten Gewalt nicht gerade unüblich, dass involvierte Täter u.a. auch bei der Polizei sitzen. Logischerweise um mögliche Indizien oder Anzeigen gar nicht weiter zu verfolgen, zu verfälschen, Bericht zu erstatten sobald das Opfer redet, usw. Zum Kreis der Teilnehmer „besonderer Veranstaltungen“ meines (…) gehörten z.B ein hochrangiger Polizist, Richter und Amtsarzt … Die Komplikationen solch einer Anzeige dürften erkennbar sein. Und auch das Jugendamt kann schwierig werden, wenn persönliche Beziehungen/Freundschaften mit den Tätern gepflegt werden. Manchmal reicht es bereits aus, dass diese den Täter(n) Nahe stehen und deshalb von dessen Unschuld überzeugt sind. ➡ Geht die Sache bei Institutionen vorsichtig an. Teilt Informationen langsam und mit Bedacht mit und achtet besonders darauf, wie das Gegenüber reagiert. Sobald relativiert wird oder sogar eine Art von Täter-Opfer-Umkehr stattfindet, werdet hellhörig! Achtet auch darauf ob das Kind sich danach schlagartig verändert. Plötzlich alles abstreitet. Die Täter extrem in Schutz nimmt. Frische Blessuren hat, etc. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass die zu Rate gezogene Institution möglicherweise (!) entgegen der Sicherheit des Opfers handelt. Nehmt dann von dieser evtl. Abstand, sucht neue Wege um Hilfe leisten zu können und glaubt bitte weiterhin dem Opfer!

Beratungsstellen:

  • Jugendamt
  • Kirchliche Beratungsstellen
  • Erziehungsberatungsstellen
  • Psychologische Beratungsstellen (z.B der Sozialpsychiatrische Dienst)
  • Gesundheitsdienste
  • Opferhilfeeinrichtungen
  • Kinderkliniken/-ärzte

Q&A Teil 1 (+ DisDing +SeelenNetzwerk)

Sooo, es ist soweit 🥳.

Den 1. Teil des Q&A findet ihr auf YouTube bei dem Kanal von DisDing. (Link)
Dort beantworten wir eure Fragen aus der Perspektive von 3 Systemen, was ich ehrlich gesagt echt ganz cool fande.
Ich entschuldige mich allerdings gleich vorab: Unsere Kamera ist echt furchtbar, wir haben für die Aufnahme das Tablet genutzt und… naja😅. Uuund wir haben teilweise echt schon wieder Spasmen im Gesicht. Das passiert meist bei viel Stress und so mega angenehm die Gespräche für die Videos auch waren, war das vorher echt Hochstress für uns. Also gerade der Entschluss sich mit Gesicht im Video zu zeigen und so über diese Themen zu sprechen. Außerdem zappeln wir echt viel rum.
Naja, aber ihr werdet das schon überleben 😅.
Die Fragen im Video liste ich euch gleich auf.

Weiter geht’s dann mit einem 2. Video auf dem Kanal von SeelenNetzwerk. (Link)
Dort kommentieren wir Dis-Memes und quatschen über unsere Erfahrungen diesbezgl. Schaut dort auch unbedingt einmal vorbei!

Wir hatten auf jeden Fall mega viel Spaß bei den Videos und fanden die Gespräche echt klasse!

Die Fragen zum Q&A Teil 1

#1 – Wie macht sich ein Wechsel bemerkbar?

#2 – Wie wirken sich Depressionen bei euch aus?

#3 – Wie geht ihr mit Zweifeln um?

#4 – Habt ihr Probleme mit Angststörungen?

#5 – Kann eine Dis/pDis auch „nur“ durch emotionalen Missbrauch entstehen?

#6 – Strebt ihr eine Fusion an?

#7 – Was macht ihr in eurer Freizeit?

#8 – Wie kann ich klären ob ich eine Dis habe? Wurdet ihr schon mal fehldiagnoztiziert?

#9 – Wie groß ist euer System?

#10 – Wer geht in die Therapie? Bringt sie euch etwas?

#11 – Habt ihr/Familie/Freunde vor der Diagnose etwas bemerkt?

#12 – Woran metkst du das du dissoziierst?

#13 – Werden innere Stimmen manchmal zu bestimmten Zeiten konkreter? Kannst du sie von deinen Gedanken unterscheiden?

Finanzielle Hilfen: Fonds für sexuelle Gewalt

Vor einiger Zeit wies mich meine Therapeutin noch einmal darauf hin, nun vll doch endlich einmal einen Antrag beim Fonds für sexuelle Gewalt zu stellen. Da ich deshalb also damit konfrontiert war, mich doch endlich mal damit auseinanderzusetzen, möchte ich euch heute erzählen was es da für Hilfsmöglichkeiten gibt und wie ihr das alles am besten anfangt.

Fonds für sexuelle Gewalt

Der Fonds ist eine richtig tolle Sache. Wer sexuelle Gewalt im familiären Bereich oder durch nahestehende Aufsichtspersonen (aus dem familiären Umfeld) erlitten hat, kann daraus bis zu 10.000 € schöpfen. Dazu stehen dem Fonds bundesweit bis zu 62 Mio. Euro zur Verfügung.

Die aktuelle Bearbeitungszeit dauert, nach Angaben des Fonds für sexuelle Gewalt und nach neusten Reglungen nur 3 – 4 Monate. Mein Antrag wurde nach ca. 2 Monaten genehmigt.

Wer kann Gelder aus dem Fonds beantragen?

Alle die zur Tatzeit minderjährig und auf deutschem Boden gemeldet waren. Zudem muss die Tat zwischen dem 23. Mai 1949 (Gründung der BRD) bzw. dem 7. Oktober 1949 (Gründung der DDR) und vor dem 30. Juni 2013 (Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs – StORMG) begangen wurden sein.

Das Opfer muss zudem in irgendeinem nahen Verhältnis zum Täter gestanden haben. Darunter fallen die (Stief-)Eltern, Großeltern, Onkel, Tante, (Stief-)Geschwister, enge Freunde der Familie, Babysitter, Aufsichtspersonen, usw.

Ergänzendes Hilfesystem für Opfer sexueller Gewalt im institutionellen Bereich

Hierrunter fallen alle öffentlichen und privaten Einrichtungen, Träger und Vereinigungen denen Minderjährige, dauerhaft oder vorübergehend, zum Zeitpunkt des Missbrauchs, anvertraut waren (z.B Vereine, Sozialverbände, Kirchen, usw.).

Zu beachten gilt dabei eigentlich nur, dass bei diesem Antrag lediglich eine Empfehlung vom Fonds an die entsprechende Institution geht und die Gelder dann auch von dieser Institution bezahlt werden. Diese kann daher selbstständig, unabhängig der Empfehlung, entscheiden ob sie dem Antrag zustimmt oder nicht.

Welche Leistungen kann man beantragen?

Es sind bis zu 10.000 € in Form von Sachleistungen möglich. Menschen mit Behinderung können zudem einen Mehraufwand von bis zu 5000 € zusätzlich beantragen, sofern dieser notwendig ist (z.B durch Assistenz, erhöhte Mobilitätskosten, usw.). Bargeld wird allerdings nicht ausgezahlt, ebenso lassen sich keine Schulden davon tilgen.

Beantragen kann man dafür aber:

  • Weitere Psychotherapiestunden (die nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden)
  • Komplementär- und Fachtherapien (zum Beispiel Kunsttherapie, Maltherapie, Reittherapie, Tanztherapie, Musiktherapie, Körpertherapie, usw.)
  • Fahrkosten zu den Therapien, zum Ort des Missbrauchs (zur individuellen Aufarbeitung), Beratungsstellen, …
  • Aufarbeitung im Rahmen von Selbsthilfeorganisationen
  • Hilfe bei Heil- und Hilfsmitteln (z.B Physiotherapie, Ergotherapie, Bäder, Massagen, Zahnbehandlung, Rollstuhl, etc.)
  • Individuelle Unterstützung, z.B im Haushalt, Begleitung zu Gerichtsterminen, Betreuung, usw.
  • Unterstützung beim Nachholen eines Schulabschlusses, einer Fachausbildung, der Aufnahme eines Studiums oder was sonst in den Bildungstechnischen Rahmen fällt – Mir wurde z.B die Übernahme der Kosten für den Führerschein genehmigt
  • Individuelle Unterstützungen (im Härtefall), wie z.B einen Assistenzhund, Wohnung und Möbel (bspw. bei Obdachlosigkeit o.ä), Sachen die den Mobilitätsbereich betreffen, usw.

Wichtig ist dabei eigentlich nur, dass die beantragte Leistung in einem Zusammenhang mit den Folgen des Missbrauchs steht. Ich hab z.B Massagen mit angegeben, wegen der dauerhaften Anspannung in meinem Körper. Auch sämtliche anfallende Kosten für einen Sport können da übernommen werden. Bei mir z.B Wing Tsun (ein Selbstverteidigungssport).

Aber auch wenn Hilfeleistungen aus dem bestehenden Sozialrechtssystem unangemessen verzögert werden, kann der Fonds in Vorleistung treten. Voraussetzung ist, dass eine Übernahme der Kosten durch den betroffenen Kostenträger erwartet wird.

Die Antragsstellung

Antrag familiärer / institutioneller Bereich: Link

Die Anträge haben jeweils um die 20 Seiten. Ihr braucht keine Täternamen angeben, müsst keine Anzeige stellen und ihr benötigt auch keine vollständigen Erinnerungen. Das fand ich persönlich unglaublich erleichternd. Ihr müsst dort, soweit es eure Erinnerungen zulassen, nur auf ungefähr 4 Seiten kurz angeben oder ankreuzen was passiert ist. Da bei mir z.B so gut wie gar keine Erinnerungen existieren, habe ich halt auch nur die Bruchstücke aus Flashbacks genommen, die da sind. Zudem Dinge die mich sehr stark triggern, Kameras in einem bestimmten Kontext z.B. Ihr seht das dann auf dem Antrag, wie ich das meine.

Der Großteil des Antrags besteht dann aber eigentlich aus den gewünschten Leistungen. Ihr tragt dort ein, was ihr euch wünscht, legt die entsprechenden Nachweise mit bei und fertig.

Senden könnt ihr den Antrag dann als Scan per Email an kontakt-fsm@bafza.bund.de oder per Post an:

Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben
Referat 505 – Geschäftsstelle FSM
Auguste-Viktoria-Str. 118
14193 Berlin

Falls ihr Fragen habt gibt es auch eine Hotline: 0800 400 10 50

Viele Fragen werden aber auch direkt schon auf der offiziellen Website geklärt unter Fragen & Antworten.

Was braucht ihr für die gewünschten Leistungen?

  • eine Kostenaufstellung (bspw.: Wieviel kostet eine Stunde bei euer/m Therapeutin/en? Beim Führerschein habe ich einen Kostenvoranschlag benötigt oder bei dem Sport z.B die monatlichen Kosten, usw.)
  • evtl. Qualifikationsnachweise der entsprechenden Ärzte oder Therapeutin (z.B für die Kunsttherapie – Ich hab da einfach angerufen und dann haben die mir eigentlich alles notwendige zugeschickt)
  • evtl. einen Nachweis, das die beantragten Leistungen nicht oder nicht mehr von der Krankenkasse, Jobcenter o.ä Trägern übernommen werden (z.B weil euer Therapiestundenkontingent aufgebraucht ist oder die Stunden anderweitig nicht übernommen werden, oder bei einer Wohnungseinrichtung übernimmt ja z.B auch oft das Jobcenter sowas in Form einer Erstausstattung – Am besten fragt ihr bei den Trägern nach und lass euch das kurz schriftlich per Mail o.ä geben)
  • eine kurze Erklärung, inwieweit die beantragte Leistung mit dem Missbrauch in Verbindung steht bzw inwieweit sie den Schaden mindern kann (z.B bei Massagen wegen der Anspannung, Selbstverteidigung für mehr Selbstvertrauen und Selbstsicherheit, usw.)
  • ein aktueller Bericht eueres Therapeuten oder ein aktueller (bzw. der letzte) Klinikbericht – Ist glaube ich, aber kein Muss

Das hört sich erstmal nach total viel an, war aber letztendlich gar nicht so wild. Ich habe mir im Voraus überlegt, was ich machen möchte. Dann die passende Stelle im Antrag dazu gesucht (da ist alles schön und übersichtlich beschrieben) und dann rausgeschrieben, was ich dazu brauche. Und mit dieser Liste dann die einzelnen Stationen abtelefoniert.

Emotionale Belastung

Da ich ja normalerweise gar nicht so leicht triggerbar bin, habe ich die Auswirkungen etwas unterschätzt, wenn ich ehrlich sein soll. Als ich den Antrag angeklickt und die ersten paar Seiten überflogen habe, musste ich erstmal heulen wie ein Schlosshund🙈, weshalb ich das Ding dann auch beiseite legen musste. Beim nächsten Anlauf ging es dann schon ein bisschen besser, zumindest was das Geheule anging 😅. Körperlich machte mir das Ganze allerdings schon dezent zu schaffen. Die Haut juckte wieder überall, der Kopf tat weh, der Bauch schmerzte. Der Rücken fühlte sich total steif an und machte Ärger, Schwindel usw..

Dazu kam das Emotionale. Zuerst die starke Abneigung überhaupt weiter zu machen. Der Gedanke damit die Familie zu verraten. Etwas falsches zu tun.

Und dann gab es ein paar Probleme mit einer Freundin. Also da waren vorher schon ein paar Punkte die mich sehr störten, ich aber nichts sagte. Es gab dann einen ähnlichen Fall und das war, in diesem ganzen Kontext, einfach zu viel. Mir war aber schon bewusst, dass ich gerade total getriggert bin und ich deshalb so stark reagierte. Ich fühlte mich einfach total benutzt. Also nicht per se von ihr, sondern allgemein. Komplett. Wie ein dreckiger Gegenstand, der nur aus dem Schrank geholt wird, wenn er seinen Zweck für andere erfüllen soll. Die Konstellation von diesem Antrag, bzw. dessen Thema, und dann noch das, war einfach zu viel für mich und das hat einige Tage ganz schön reingehauen. Ich habe mich total eingekapselt und auf nichts und niemanden mehr reagiert.

Hilfe suchen

Unterschätzt das also nicht unbedingt. Holt euch ruhig Hilfe zur Seite, wenn ihr den Antrag ausfüllt. Muss ja nicht jeder so dickköpfig sein, wie ich 😅. Dazu könnt ihr in eine Beratungsstelle vor Ort gehen. Wo überall welche sind, findet ihr in diesem Link.

Meist kennen sich aber solche Stellen wie der Opferhilfe, Opferberatung, Wildwasser, Karo e.V, Beratungsstellen für Frauen (die Gewalt erlitten) oder LARA e.V gut damit aus und können euch weiterhelfen.

Dann könnt ihr euch bei generellen Fragen auch wieder an die oben genannte Nummer wenden oder bei konkreten Fragen erreicht ihr dienstags bis donnerstags von 09:00 bis 15:00 Uhr telefonisch jemand unter:

030 18555-1988

Was gibt’s noch dazu zu sagen?

Wenn euch der Antrag einmal genehmigt wurde, könnt ihr auch später nochmal Leistungen daraus beziehen (bis zu den max. 10.000€ eben). Also wenn ihr jetzt 20 Therapiestunden beantragt und später feststellt: ,,Huch, da könnte ich aber nochmal 10 brauchen.“ ist das kein Problem. Ihr erhaltet ein Zeichen (z.B „HFT64J“) und das gebt ihr bei weiterem Schriftwechsel einfach mit an. Ich hab jetzt auch nirgendwo rauslesen können, dass der Anspruch nach einer bestimmten Zeit verfliegt oder so. Also keine Panik, wer nicht alles innerhalb von einem Jahr verbraucht.

Weiter könnt ihr dann entscheiden, ob der Fonds die jeweils angefallene Rechnung direkt an der Empfänger zahlt (dazu müsst ihr eine Einverständniserklärung abgeben) oder ob ihr in Vorleistung geht und danach das Geld vom Fonds zurückerhaltet. Ich finde es jedoch ganz angenehm, dass z.B meine Therapeutin das direkt mit dem Fonds abrechnen kann und das nicht erst über mich laufen muss.

Letztendlich: 

Hatte ich riesen Bammel davor und fühlte mich im ersten Moment, so vor dem Antrag sitzend, auch mega überfordert. Dazu kam die Angst, dass wieder was abgelehnt oder unnötig in die Länge gezogen oder kompliziert gemacht wird. Aber es gab keine unangenehmen Fragen, kein Hick-Meck oder sonst was nerviges. Ich war wirklich positiv überrascht. Auch wurde mir alles genehmigt, ohne lange Diskussionen o.ä Ich kann von meiner Seite aus, es also nur jedem empfehlen.

Empathie

Was ist Empathie?

Das Wort Empathie leitet sich aus dem altgriechischen „empátheia“ ab und bedeutet soviel wie „Mit-leiden“ oder „Mit -fühlen„.

Als mögliche Erklärung dafür werden übrigens unsere Spiegelneuronen in Betracht gezogen, welche im Stirnlappen des Gehirns dafür sorgen, dass wir die selben neuronalen Aktivitätsmuster zeigen, sowohl wenn wir eine Handlung ausführen, als auch wenn wir sie nur bei anderen beobachten. Und bei Emotionen ist das ebenso möglich, da die Spiegelneuronen dabei genauso aktiviert werden.

Empathie ist etwas unglaublich wundervolles und wertvolles, da sie uns die Möglichkeit eröffnet uns in andere Wesen hineinzuversetzen, hineinzufühlen und mit ihnen mit zu fühlen. Aber nicht nur andere können wir dadurch besser verstehen, sondern sogar auch uns selbst (wenn wir uns objektiv aus der Meta-Ebene betrachten).

Dennoch ist Empathie nicht gleich Empathie…

Welche Formen der Empathie gibt es?

Emotionale Empathie

= emotionale Sensitivität (affektiv)

Hier liegt das Hautaugenmerk beim Mitfühlen. Du siehst und verarbeitest die Gefühle eines anderen nicht nur, sondern du fühlst sie auch selbst. Es ist fast ein bisschen als würde man davon „angesteckt“.

Das kann soweit gehen, dass wenn z.B jemand in den Raum reinkommt und schlecht drauf ist, ich sofort spüren kann, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist. Oft kann ich nicht genau zuordnen was es ist. Ich glaube das liegt aber oft auch an den konfusen Emotionen des anderen. Wir selbst empfinden ja schließlich auch nur selten ausschließlich Wut oder Trauer etc, sondern es ist oft ein Mix aus mehreren Gefühlen gleichzeitig. Oder wenn ich z.B Tiere in Gefangenschaft sehe, dann empfinde ich ihren Schmerz. Das Gefühl gefangen zu sein. Die Angst. Die Wut. Deshalb gehe ich z.B auch nicht gerne in Zoos oder Tierparks.

Die emotionale Empathie macht es uns möglich, sanfter und passender auf andere einzugehen, weil wir spüren was der andere braucht. Wenn jemand gerade total geladen ist oder traurig und du spürst das, dann kannst du deine eigenen Reaktionen ganz anders anpassen. Gleichzeitig kann sie aber auch unheimlich belastend wirken, da wir ständig allen möglichen Emotionen ausgesetzt sind, die wir gar nirgends richtig zuordnen können und dabei sogar noch denken, es wären unsere Gefühle. Wir fühlen uns dabei dann z.B plötzlich grundlos schlecht und wissen gar nicht warum.

Kognitive Empathie

= Perspektivenübernahme

Bei der kognitiven Empathie versteht und erkennt man die Emotionen des anderen, aber man fühlt sie nicht. Ich sehe also z.B dann das du gerade traurig bist, könnte aber nicht mit dir mitfühlen. Das hört sich so banal an, so nach: „Na das sieht ja aber jeder“ – Ja, ne 😅. Es gibt so Menschen, vor denen kannst du tränenüberströmt sitzen und die checken trotzdem nicht das es dir gerade nicht gut geht.

Aber es geht dabei nicht nur um das sehen der Gefühle, sondern auch um das Nachvollziehen der Gedanken(gänge), Absichten und Motive eines anderen. Seine Perspektive einnehmen zu können und zu sehen, was denjenigen antreibt. Auch die Körpersprache wird deshalb sehr gut lesen gelernt.

Die kognitive Empathie ist nicht angeboren, sondern erlernbar und ist, glaube ich, für den richtigen Umgang mit der emotionalen Empathie ungemein wichtig. Einfach weil man dann diese ganzen fremden Gefühle zuordnen und anders damit umgehen kann. Ich halte sie also für extrem wichtig, wenn man mit der Gabe des Mitfühlens richtig umgehen lernen möchte. Also so, dass sie man sie positiv einsetzen kann, statt sich davon beherrschen zu lassen. Wenn ich zuordnen kann, woher das alles kommt, übermannen mich die fremden Gefühle nicht mehr so stark.

Die kognitive Empathie wird z.B auch oft von Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung erlernt und benutzt. Meist zur Manipulation, dennoch halte ich sie da auch im Therapiesetting sehr wertvoll. Wenn sie richtig erlernt wird, dann gibt das Menschen, die zu keiner emotionalen Empathie fähig sind (z.B durch Trauma, eine PS, usw.), eine unglaublich wichtige Ressource im sozialen Alltagsleben.

Soziale Empathie

Diese Form der Empathie bezieht sich auf ganze Gruppen und nicht nur auf Einzelwesen. So hat man z.B ein recht sicheres Gespür dafür, wie sich eine Gruppe verhalten wird oder warum sie etwas tut. Das wiederum gibt auch die Möglichkeit diese Gruppen zu beeinflussen. Gerade im Job, in Führungspositionen bspw., ist das eine sehr wichtige Gabe.

Das sowas aber gleichzeitig auch wunderbar zur Manipulation, wie z.B zu Propagandazwecken eingesetzt werden kann, muss ich jetzt nicht extra erwähnen, oder 👉👈😶🙈?

Sie hilft uns aber auch uns z.B in fremde Kulturen, Religionen, Geschlechter oder auch Weltanschauungen hineinzufühlen und diese verstehen zu können. Ich möchte mal behaupten, das ist uns großflächig (von allerlei „Seiten“) aber vll ein bisschen dezent abhanden gekommen? 🙊 (ich bin schon still jetzt😅)

Wie kann ich Empathie erlernen?

Es gibt verschiedene Wege, einige stelle ich hier jetzt einmal vor:

  • Nr. 1 – Achtsamkeit: Das A und O, egal bei was. Beobachte deine eigenen Gefühle wenn sie kommen: Was fühlst du gerade? Wieso ist dieses Gefühl da, was war der Auslöser? Wie fühlt es sich an? Wie äußert es sich? Wenn sich jetzt jemand ähnlich verhält, du eine ähnlich Emotion wahrnehmen kannst, dann versuche daran zu denken wie du dich gefühlt hast und was dir guttat oder was du dir in dem Moment gewünscht hast und versuche das in diesen Moment mit hineinzubringen.
  • Nr. 2 – Aufmerksamkeit: Ohne den anderen zu beobachten klappt das aber natürlich nicht. Deshalb sei aufmerksam! Schaue dir andere Leute genau an. Wie verhalten sie sich? Wie reagieren sie in bestimmten Situationen? Und wie interagieren sie miteinander? Welche Körperhaltung nehmen sie z.B ein, wenn jemand etwas in einem bestimmten Ton sagt? usw.
  • Nr. 3 – Beobachten: Beobachte dich selbst in der Interaktion mit anderen. Wie reagiert dein Gegenüber auf etwas von dir? Wie reagierst du? Welche Körperhaltung nimmst du ein? Wo stehen deine Füße oder die deines Gegenüber (weg von dir? will er lieber gehen?) ? Unterbrichst du andere oder wirst du unterbrochen? Wie reagierst du dann? Wie reagiert dein Gegenüber?
  • Nr. 4 – Hinterfragen: Wenn wir jemand in eine Schublade packen wollen, dann passiert das meist aufgrund unserer eigenen Gedanken, die wir auf den anderen projizieren. Bevor du also jemand verurteilst, hinterfrage erst einmal seine Absichten. Warum hat er so reagiert? Warum das gesagt? Was könnte das für einen Hintergrund haben? Welche Anzeichen deuten auf den möglichen Hintergrund hin? Da ist wieder genaues zuhören wichtig. Versuch dabei objektiv zu bleiben und dich nicht von deinen eigenen Emotionen übermannen zu lassen.
  • Nr. 5 – Rollentausch: Stell dir vor, wie es wäre im Körper und Denken des anderen zu stecken. NICHT in seinem Körper, aber mit deinem Denken (das führt zu Verurteilung). Sowas kann z.B über Theaterspiele sehr gut funktionieren. Du bist jetzt nicht mehr Petra z.B, sondern du schlüpfst in die Rolle von Hans-Werner. Du ziehst nicht nur seine Kleidung an, sondern du musst die ganze Theateraufführung lang Hans-Werner SEIN und dich so verhalten. So etwas erlaubt dir aus deiner Perspektive/Sichtweise herauszukommen und den anderen besser verstehen zu lernen.

Gibt es ein Gegenteil von Empathie?

Türlich, es gibt doch für alles ein Wort 😂.

Ekpathie.
Ekpathie bezeichnet dabei aber nicht die Gefühlskälte oder Gleichgültigkeit gegenüber anderen, sondern kann eher als eine Art Schutzmechanismus bezeichnet werden. Dabei geht es darum sich nicht so leicht ausnutzen oder missbrauchen zu lassen.

Wie schon erwähnt, kann uns Empathie auch ganz schöne Probleme bereiten. Stell dir einen Kollegen oder meinetwegen auch Partner vor, der herausfindet das du plötzlich viel mehr Rücksicht auf ihn nimmst, selbst mehr zurücksteckst oder alles mögliche für ihn tust, sobald du merkst das es ihm schlecht geht. Dieses Verhalten ist eine wundervolle Sache und ich mache das auch ständig, aber es ebnet eben auch den Weg für Manipulation und Missbrauch. Der andere kann seine Emotionen so nach Belieben einsetzen und dich für seine Zwecke ausnutzen.

Bei der Ekpathie lassen wir uns weniger auf die Emotionen anderer ein. Wenn der andere also gerade einen Wutanfall bekommt, dann grenzen wir uns davon emotional ab, statt uns davon mitreißen zu lassen. Es geht nicht darum, nicht mehr mit dem andern mitzufühlen, sondern darum eine Grenze zwischen sich selbst und dem anderen zu ziehen.

Empathie und Trauma

So, ich hatte das bei der Hochsensibilität ja schon angeschnitten und wollte heute noch einmal näher drauf eingehen, warum es z.B für komplex traumatisierte Menschen wichtig war, Empathie, vor allem die kognitive, so gut auszubilden. Ich versuche das wieder mit Beispielen näher zu erklären:

Unberechenbarkeit

Als Kind brauchen wir vor allem Sicherheit. Wir haben keinerlei Ressourcen, aus denen wir schöpfen könnten, sollten die Zeiten einmal unsicher werden. Und wenn wir nun in einer Umgebung aufwachsen, die absolut unvorhersehbar ist, dann ist es für uns ungemein wichtig sie irgendwie vorhersehbar zu machen. Zumindest das Gefühl von Kontrolle zurückzuholen.

Meine Mutter war z.B nie wirklich gut einzuschätzen. Sie saß am Tisch und machte Scherze und im nächsten Moment flippte sie völlig aus oder wurde sehr gemein. Was der Grund war, wusste man nie wirklich. Mal wars ein falsches Wort (das vorher noch nie störte), ein „falscher“ Blick, mal war ich zu fröhlich, mal zu schlecht drauf. Mal war ich falsch weil ich keine Freunde hatte, dann wiederum sollte ich bloß keine mitbringen, usw. Wie ihr die Laus halt gerade über die Leber gelaufen ist. Dafür habe ich sie früher gehasst. Für diese Unvorhersehbarkeit. Meist hatte ich auch das Gefühl es ist mehr meine Existenz die sie stört und all die anderen Gründe waren nur ein Vorwand. Aber auch wenn [ich] keine Erinnerung daran habe, weiß ich, dass sie durchaus auch sehr nett sein konnte.

Interessanterweise habe ich jedoch gar keine Erinnerung an irgendwelche Strafen. Nicht eine einzige. Meine Eltern habe ich eher sehr desinteressiert in Erinnerung. Ich habe jedoch Szenen im Kopf, wo ich versucht habe mir selbst Strafen geben, wenn ich was angestellt habe, in der Hoffnung das ich dann keine von ihnen bekomme. Und heute noch habe ich furchtbare Angst vor einer möglichen Strafe wenn ich etwas falsch mache, was mir irgendwo sagt, dass es dann wohl doch welche gegeben haben muss.

Eine Szene ist mir da z.B in Erinnerung: Ich muss noch sehr klein gewesen sein. Höchstens 3-4 Jahre alt. Ich saß in meinem Zimmer, an so einer Kinderschminkkommode und ich weiß noch, dass es vorher einen Streit gab bzw. ich Ärger bekam. Ich zog eine der Schubladen an dieser Kommode auf und die war voller kleiner Papierschnipsel. Von einem Blatt Papier in meiner Hand riss ich weiter Stückchen ab und freute mich dabei unheimlich, weil ich dachte jetzt keine Angst haben zu müssen, dass ich verhungere, falls sie mir jetzt nichts zu essen geben sollten. Ich dachte ihnen mit dem Papier ein Schnippchen geschlagen zu haben.

Keine Ahnung wies weiter ging oder was vorher war. Ich schätze aber nicht, dass ein Kind in diesem Alter auf so einen Gedanken kommt, ohne das es dazu bereits einen Hintergrund gab …

Sich anpassen

Wenn du jetzt also ständig Angst haben musst, dass der kleinste Fehler eine schlimme Strafe zur Folge hat, dann versucht du alles um das zu vermeiden. Das betrifft ja nicht nur die Kindheit. Dieses Phänomen lässt sich auch in Beziehungen zu stark narzisstischen Partnern beobachten oder z.B bei Geiselnahmen, usw.

Es ist wichtig zu lernen, wie dein Gegenüber gerade drauf ist. Welche Emotionen er hat, um dich darauf einstellen zu können. Es ist wichtig seine Körpersprache lesen zu lernen oder seine Absichten schnellst möglich zu erkennen, um für dich am sichersten darauf reagieren zu können. Wenn du ein kleines Detail übersiehst, kann das für dich schlimme Konsequenzen haben. Also beobachtet man und lernt. So kann man versuchen die Gefahr schon von vornherein zu neutralisieren oder wenigstens zu minimieren.

Bewusst ist uns das eher selten. Wir stellen uns darauf ganz unterbewusst ein und merken meist erst irgendwann später, dass wir wirklich gut im lesen anderer Leute sind. Das schützt uns nicht automatisch vor erneuten Missbrauch, kann aber tatsächlich die Gefahr, noch mehr Leid erdulden zu müssen, enorm reduzieren.

(Subtiler) sex. Missbrauch

Wir kennen natürlich alle mehr oder weniger die Definition von sexuellen Missbrauch. Meist verbinden wir allerdings eine direkte, sexuelle Handlung, in Form einer Penetration, damit.

Sexueller Missbrauch hat jedoch sehr viele Gesichter und dennoch können die Folgen haargenau die Gleichen sein.

Ab wann ist es sexueller Missbrauch?

Generell gilt als Ziel/Absicht des Erwachsenen, eine sexuelle Erregung oder mehr, bei sich und/oder dem Kind, zu erreichen. Zufälliges Berühren oder normale Kuscheleinheiten, ohne sexuelle Gedanken und Empfindungen/Absichten dahinter, fallen daher natürlich heraus. Also kein Elternteil, das mit seinem Kind ganz normal kuschelt oder es zufällig am Oberkörper streift, weil man vll nebeneinander steht o.ä, missbraucht sein Kind.

Aber genau deshalb ist es eben auch so schwer zu erkennen (für einen selbst, wie auch für Außenstehende) wann die Grenze überschritten wird, denn die wenigsten Erwachsenen benennen ihren Missbrauch auch klar als diesen. Weder vor sich noch natürlich dem Kind gegenüber. Meist wird ja alles als normal oder sogar als Liebeseinheiten deklariert.

Formen von sex. Missbrauch

  • Vaginale, anale oder orale Penetration (durch das mänl. Glied, Finger oder aber auch durch Gegenstände, etc.)
  • Sexualisiertes Streicheln, Kuscheln, Umarmen und anderweitiges kurzes, „zufälliges“ Berühren, z.B des Po´s, der Brust usw (durch den Stoff), auf den Po klapsen oder aus „Spaß“ wird kurz zwischen die Beine gefasst oder die Hose runter gezogen, etc.
  • Erotische Massagen beim Kind, an der Brust, den Gliedmaßen, Oberschenkeln, am Po oder den Genitalien oder das Kind soll diese Massagen beim Erwachsenen vornehmen ➡ Das Kind begreift all das selten als das, was es ist bzw. was der Erwachsene erreichen will, sondern erstmal viel mehr nur als Nähe, Kuscheln und Wohlgefallen
  • Sexualisierte Körperreinigung der Kinder ➡ z.B regelmäßiges, intensives und ausgiebiges Waschen der Intimregion von Kindern (die dies aber eigentlich auch schon selbst könnten). Oder auch ausgiebiges Absuchen von Zecken, überprüfen auf Ekzeme o.ä im Intimbereich des Kindes. Gemeinsames Baden, mit „zufälligen“ Berührungen, ausgiebigen einseifen und streicheln, Ejakulation des Erwachsenen usw.
  • Sexualisierte Küsse mit Zunge, auf die Lippen oder an anderen Körperstellen. Lecken an Zunge, Lippen, an Körperstellen usw. Auch das Saugen an der Brust/Brustwarzen.
  • Doktorspiele und andere sexualisierte Spiele, wobei sich der Erwachsene sex. erregt oder versucht das Kind zu erregen ➡ Sowas passiert durchaus meist angezogen. Mit dem Kind wird z.B viel Hoppereiter gespielt, wobei das (angezogene) Kind fest auf den Schoß des Vaters gedrückt und auf und ab bewegt wird (das ist ein an sich völlig normales Spiel und wird erst bedenklich, wenn der Erwachsene dies zur sex. Stimulation tut!), oder es wird gespielt man sei ein Tier und muss sich gegenseitig überall abschlecken, usw.
  • Exhibitionismus vor dem Kind, mit dem Ziel sich sex. zu erregen. Ständiges nackt sein, in Verbindung anzüglicher Sprache z.B, oder das zeigen des steifen Glieds, der Vagina, oder auch das Verlangen vom Kind, dass es sich selbst nackt zeigen soll ➡ auch Voyeurismus (heimliches beobachten oder filmen/fotografieren des nackten Kindes, beim duschen, umziehen, baden, auf dem Klo, beim schlafen, usw.)
  • Berührungen der Intimregion vor dem Kind. Erotisches Reiben von Penis, der Vagina, den inneren Oberschenkeln oder der Brust. Selbstbefriedigung (mit oder ohne Stöhnen und Höhepunkt) oder das Kind auffordern, sich vor den Eltern selbst im Intimbereich zu berühren oder zu befriedigen.
  • Zeigen oder gemeinsames schauen pornografischer Filme oder Bilder, mit dem Kind .
  • Anzügliche und/oder sexualisierte Sprache (offen oder aber auch diskret), Dialoge oder Blicke („mit den Augen ausgezogen werden„), …

Warum dieser Missbrauch genauso schlimm ist

Wenn der Erwachsene seine ganz eigene, andere Form der Sexualität dem Kind überstülpt. Es für seine sex. Bedürfnisse ausnutzt, missbraucht, dann spielt nicht die Art des Missbrauchs die entscheidende Rolle, sondern nur dass das Kind überhaupt mit dieser ungewollten (denn das Kind will etwas ganz anderes, als der Erwachsene!) und ausnutzenden Art der sex. Nähe konfrontiert wird, ohne das es flüchten kann. Ausnutzend ist sie auch dann, wenn der Erwachsene das Kind ebenfalls sexuell stimuliert! Es geht nicht um die Stimulanz (ob es das Kind angeblich auch „genießt“), sondern darum, ob er egoistisch handelt oder nicht.

Das Grundtrauma beim sex. Missbrauch sind nicht die Schmerzen, sondern der gewaltsame (was es wird, sobald der Erwachsene das Kind für seine Zwecke benutzt – egal in welcher Form) Ein- und Übergriff in seine so empfindlichen Grundfeste.

Die Folgen solcher ,,unscheinbaren“; angeblich „nicht so wilden“ Sachen können genauso schlimme, pschische Folgen haben, wie die direkte Penetration. Depressionen, Essstörungen, (chronische) Suizidalität, Persönlichkeitsstörungen, usw. Um nur mal einige Beispiele zu nennen.

Auch Kinder haben eine Sexualität, das ist richtig. Dennoch zielt diese nicht auf Genuss und Triebbefriedigung ab, so wie bei dem Erwachsenen, sondern auf Nähe, eigene Körperwahrnehmung und Sicherheit. Kinder entdecken und sollten das auf ihre Art und in ihrem Tempo tun dürfen. Nichts, absolut gar NICHTS, aus der Sexualität eines Erwachsenen, hat bei einem Kind etwas zu suchen!

Missbrauch durch eine Frau

,,Ne, also das kann es nicht geben. Sexuell missbrauchen, das tun nur die Männer.“ – Die Wahrheit sieht jedoch ganz anders aus. Auch Frauen und Mütter missbrauchen!

Offizielle Zahlen gibt es nicht wirklich dazu. Statistiken gehen von einem Anteil weiblicher Täter von bis zu 10% aus. Der Psychologe Alexander Homes, der sich gegen sexuellen Kindesmissbrauch einsetzt und weltweit darüber recherchiert hat, spricht eine Vermutung von sogar bis zu 50% aus, was genau die Hälfte aller Täter wäre. Selbst wenn die Zahlen allerdings nicht so hoch liegen, ist es dennoch klar, dass auch Frauen ebenso am Missbrauch beteiligt sind, wie Männer. Und indem wir diesen Fakt verschweigen und weiterhin so tun, als gäbe es das nicht, nehmen wir den Opfer die Chance darüber laut und ernstgenommen zu werden!

Auffällig dahingehend ist zumindest, dass viele Frauen und Mütter ihren Missbrauch anders tarnen und weniger gewalttätig vorgehen, als Männer (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel!). Oft deckeln sie den Missbrauch als liebevolle Nähe, gründliches waschen usw. Das intensive Berühren und Stimulieren der Intimregion des Kindes, ist jedoch ein klarer Übergriff! Egal wie man es vor sich selbst oder vor anderen schön reden möchte.

Kindesmissbrauch in Zahlen

Im Jahr 2020 sind die Missbrauchsfälle um 6,8% zum Vorjahr angestiegen.

16.686 Fälle wurden gemeldet. Gemeldet heißt, dass dies die Fälle sind, welche auch tatsächlich zur Anzeige gebracht wurden. Statistisch gesehen werden jedoch hauptsächlich Übergriffe aus dem nicht direkten Umfeld angezeigt. Sprich: Übergriffe welche in Vereinen, durch Babysitter, Nachbarn, entferntere Familienmitglieder wie Onkel, Großonkel usw. geschehen. Die Eltern können so als sichere Basis dienen und das Kind steht in keinem direkten Abhängigkeitsverhältnis zum Täter, was eine Anzeige viel wahrscheinlicher macht. Sind nahe Verwandte o.ä Bezugspersonen die Täter, wird der Missbrauch viel häufiger „vergessen“/verdrängt. Das Kind erhält ja keine Unterstützung dabei sich zu wehren oder möchte durch eine Anzeige nicht die Familie auseinanderreißen etc. Für entsprechende Schuld- und Schamgefühle wird immerhin auch nicht selten gesorgt.

Die WHO schätzt die Zahl, der in Deutschland missbrauchten Kinder, währenddessen auf mindestens 1 Million ein.

Laut einer Hamburger Studie, aus dem Jahre 1993, gaben 23% der befragten Frauen und 4% der Männer an, sexuell missbraucht worden zu sein. Weiter gaben 28% der Frauen und 14% der Männer an, körperliche Misshandlungen erlitten zu haben

Laut einer MiKADO-Studie (Missbrauch von Kindern, Aetiologie, Dunkelfeld, Opfer) wurden mindestens 8,5% der Deutschen sexuell missbraucht. Weiter berichten 11,6% der Frauen und 5,1% der Männer von mindestens einer sexuellen Missbrauchserfahrung in der Kindheit. Laut Schätzungen dieser Studie, werden aber gerade mal ca. 1% der Fälle überhaupt den Jugendämtern oder Behörden gemeldet. Die tatsächliche Dunkelziffer scheint also enorm hoch zu sein!

↪ Von der niedrigsten Schätzung ausgehend (der MiKADO-Studie) wurde fast jeder 10. Deutsche sexuell missbraucht. In jeder Schulklasse säßen demnach ungefähr 2-3 Kinder, die missbraucht wurden oder noch werden. Ausgehend von Statistiken größerer Studien, aus den 90ern (KFN, Bange, Raupp/Eggers, Burger/Reiter, Richter-Appelt, Bange/Deegener), würden in jeder Schulklasse sogar durchschnittlich 3-6 Mädchen mit Missbrauchserfahrung sitzen.

Warum ist die Dunkelziffer so hoch?

  • Mehr als die Hälfte der Missbrauchsopfer leiden bzgl. der Tat an einer (dissoziativen) Amnesie. Bei manchen tauchen die Erinnerungen irgendwann wieder auf, viele erinnern sich (kognitiv – psychische und körperliche Symptome treten trotzdem auf) jedoch höchstwahrscheinlich bis zu ihrem Tod nicht an den erlebten Missbrauch. Und bei wem die Erinnerung wiederkommt, tut sie dies nicht selten nur in Bruchteilen. Nichts was für eine Anzeige wirklich ausreicht.
  • Wer sich spät im Alter erinnert, bei dem ist der/die Täter wahrscheinlich schon tot. Oder es besteht schon lange kein Kontakt mehr und dieser soll, durch Auslassen einer Anzeigestellung, auch weiterhin vermieden werden.
  • Oder die Opfer fühlen sich schuldig und mitverantwortlich. Schämen sich oder glauben man würde ihnen eh nicht glauben. Oder haben schlicht einfach keine Energie für den Prozess. Manchen wurde auch vom Täter gedroht oder sie zeigen nicht an, weil es sich ja noch immer um die eigene Familie handelt.

Die „Normalität“ mal genauer unter die Lupe nehmen

Der Missbrauch kann auch so subtil gewesen sein, dass man ihn niemals als Missbrauch ansehen und demnach auch nicht anzeigen würde.

Im Leben wäre ich z.B nicht von selbst darauf gekommen, dass es nicht normal ist, dass meine Eltern stets nackt waren. Und auch ich ständig nackt sein sollte. Irgendwann setzte meine Scham ein und ich wollte einfach nicht mehr, daraufhin gab es regelmäßig den Spott meiner Eltern, ich wurde mit Ignorieren beatraft usw. Oder das es nicht normal war, dass meine Mutter eigentlich im Dauerlauf, nackt auf dem Sofa, an sich rumspielte, vor mir oder sämtliche Wände mit Nacktfotos von ihr gepflastert waren. Das es nicht normal ist, wenn Eltern vor ihrem Kind Sex haben oder diesem die intimsten Details, aus dem Sexleben mit dem anderen Elternteil, erzählen oder Sachen über deins wissen wollen. Und das es damals doch seine Berechtigung hatte, das ich lüsternen Blicke und diese anzüglichen Sätze meines Vaters komisch fand, wollte ich erst gar nicht glauben. Immerzu dachte ich, ich hätte mir was eingebildet. Mich reingesteigert. Ihm mit diesem inneren Gefühl der Abneigung unrecht getan. 100% klare Bilder bestehen schließlich nicht.

Und der Rest war ja immer normal. Alltag. Also was sollte daran falsch sein? ,,Und weil das so normal war, hätte auch NIEMALS jemand mehr gemacht. Völlig ausgeschlossen! War doch immer alles normal!“ Heute versuche ich manche Erinnerungen wie etwas zu betrachten, dass mir eine Freundin über sich erzählt. Aus der Sicht eines „Außenstehenden“ erscheinen einige Dinge dann plötzlich auch in einem ganz anderen Licht…

Auch Sachen wie gemeinsames Pornogucken oder -zeigen, zwischen die Beine fassen, Bespannen etc. ist beim restlichen Teil meiner Familie stets völlig Gang und Gebe gewesen. Auf Ansprache hieß es immer: „Da ist doch nichts dabei“ oder „Das war doch nur ein Spaß 🙄. Sei nicht immer so ernst!“ oder „Wir haben doch nur mal kurz geguckt„…. Wenn ich das heute als nicht okay betiteln möchte, kommt in mir dementsprechend auch immer sofort etwas auf wie: ,,Mein Gott, du machst auch aus jeder Mücke einen Elefanten! Das war alles völlig normal. Hör mal auf dich so anzustellen!„.

Das Schwierigste…

All das also ernst nehmen. Wenn manches zum normalen Alltag zuhause gehört, dann wird das für dich auch normal. Nichts dem du Beachtung schenkst.

Und ohne den Input von Außen, der dich einmal abgleichen lässt, denkst du ewig, da war doch nix wildes. Du merkst wie du so überhaupt nicht funktionierst, aber kannst es nicht zuordnen oder verstehst überhaupt warum. ,,Es war doch schließlich immer alles ganz normal.

Steter Tropfen höhlt auch den Stein

Vll war es das aber gar nicht? Vll dachtest du nur es wäre normal, weil es eben Alltag war? Und nun stell dir vor, an diesen doch nicht ganz so normalen Alltag, war vll doch ein winziger Teil toxisch. Diese Toxizität hätte dann jeden Tag, dauerhaft stattgefunden. So regelmäßig, dass du sie einfach nur als normal angesehen hast.

Ich erzählte mal einer recht neutralen Person eine Anekdote darüber, was für Spinnereien meine Eltern oftmals rausgehauen haben: Das eine Mal wollte uns angeblich der und der umbringen, das nächste Mal gabs wilde Vergewaltigungstorys über die Familie. Mal gabs Auftragskiller, als Polizisten getarnte Geldeintreiber (beauftragt von dem und dem), innerfamiliäre Verschwörungen usw.

Der „Fantasie“ waren quasi keine Grenzen gesetzt – Ich erzählte ihm das, weil ich die Geschichten irgendwie witzig fand, also heute. Schließlich benahmen sich meine Eltern nie den Geschichten entsprechend paranoid. Sie sperrten keine Türen ab oder versteckten sich irgendwo. Nein, diese Geschichten waren nur für mich bestimmt. Sie teilten stets nur mir ihre tiefsten Geheimnisse mit, wie böse die Welt doch ist. ,,Alle wollen deinen Eltern und dir nur böses. Du kannst niemand vertrauen und glauben!“ – Das war immer die Kernbotschaft.

Für mich war das damals nicht offensichtlich schlimm. Ich kann mich an keine bewusste Angst erinnern (irgendwo war sie aber natürlich bestimmt da), obwohl ich diese Geschichten als Kind, natürlich für bare Münze nahm. Ich fühlte mich halt nur dauerhaft wie im Krimi. Das alles (meine Umgebung, Umwelt, usw.) empfand ich eh nie als wirklich real, weshalb ich (oder zumindest ein Teil von mir) all diese Geschichten wohl eher spannend und unterhaltsam wahrnahm, als sie als dauerhaft schädlich anzusehen. Ich mein, wir waren ja eh immer allein. Es kamen keine Freunde zu Besuch. Selten die Familie. Sonst niemand. Und wenn wir weggingen oder -fuhren, bis in die Teenagerzeit hinein, fast nur mit den Eltern. Die angeblich drohende Gefahr durch andere, war also ja nicht wirklich direkt greifbar nahe. Vll erinnere ich mich deshalb nicht an direkte Angst.

Wie gute-Nacht-Geschichten erinnere ich die Storys daher eher und die witzigsten erzählte ich da eben. Derjenige fragte mehrfach nach und erst nach einer ganzen Weile begriff er, dass ich mir diese Geschichten nicht ausdachte und das sie ein Dauerzustand in meiner Kindheit waren. Was sein Problem damit war, wusste ich allerdings immer noch nicht. Warum wird man da so ernst? Das es in anderen, „normalen“ Familien nicht einmal annähernd solche Geschichten gab, wusste ich nicht.

,,Echt? Dir wurde nicht gesagt, dass der Opa zu dem du hin abgeschoben wirst, erst eben die Cousine vergewaltigt hat (nach dem Motto: Wir wollen dich jetzt nicht, geh mal zu denen, aber sei SEHR vorsichtig) ? Oder das die Oma Auftragskiller losschickt, die deinen Papa töten, wenn du ihr private Sachen erzählst? Ist ja krass.“ Und ich wusste auch nicht, was daran schlimm sein sollte. Witzig. Witzig war das doch! Nun lach doch auch endlich! Schließlich lachte mein Vater früher auch immer. Er lachte dabei, weil sie ja immer schlauer, als die bösen Leute, waren. Die konnten ihnen nix anhaben, aber vorsichtig musste man sein! ICH musste vorsichtig sein.

Wir unterhielten uns ein ganzes Stück und er konnte mir begreiflich machen, wie diese Storys auf ihn wirken, als Erwachsener. Das habe ich verstanden.

Das sie für ein Kind demnach noch viel schlimmer gewirkt haben müssten, also für mich. Das sickert bis heute nicht wirklich in mein Hirn ein. Vll war dieses „im Krimifilm leben“, mit stets neuer, unvorhersehbarer Geschichte, am Ende aber dafür verantwortlich, dass ich mein Leben und meine Existenz noch heute dauerhaft unreal finde. Who knows 🤷‍♀️

Ich wollt damit nur sagen, dass es sich manchmal lohnt, die „Normalität“ genauer unter die Lupe zu nehmen. Manches war am Ende davon nämlich gar nichts so „normal“ … 😉

Freud´s Verführungstheorie

Die meisten dürften Freud’s Psychoanalyse kennen oder zumindest einmal davon gehört haben, zumal die Psychiatrie des letzten Jahrhunderts stark auf seinen Erkenntnissen aufbaut.

Doch wusstet ihr das diese erst viel später entstand?

Zuerst ging Freud in seiner „Verführungstheorie“ davon aus, dass jene damaligen hysterischen bzw. neurotischen Störungen aus einem Inzest-Trauma resultierten, welches durch den eigenen Vater als „Verführer“ ausgelöst wurden.

Diese, damals als Hysterie diagnostizierten Symptome, ähnelten 1:1 den heutigen Symptomen der Dissoziativen Störungen wie u.a auch der Dissoziativen Identitätsstörung (früher: Multiple Persönlichkeitsstörung <– IMMER hervorgerufen durch wiederholte, SCHWERSTE Traumata in frühster Kindheit) oder dissoziativen Krampfanfällen, dissoziativen Amnesien, ect.

Als Freud jedoch feststelle wie VIELE Menschen, überwiegend Frauen, unter Hysterie litten meinte er falsch zu liegen, da er davon ausging das der Missbrauch junger Kinder, in solch einem Ausmaß, unwahrscheinlich sei.

Gucke ich mir heute Meldungen wie z.B über Lügde, Bergisch Gladbach, das Forum Elyssium usw. an, wo teilweise über 5 Perabyte (1PB =1000 Terabyte!!!) kinderpornografisches Material gefunden wurden (wozu es ja nicht nur Produzenten, sondern auch Konsumenten und vor allem Opfer geben muss!), dann glaube ich, Lieber Herr Freud, lagen sie mit ihrer Vermutung gar nicht so falsch.

Ausschlaggebend dafür, seine Theorie zu verwerfen, waren am Ende übrigens (offiziell) seine eigenen Geschwister, die ebenfalls unter Hysterie litten und anfingen Geschichten vom Missbrauch durch den eigenen Vater zu berichten.

Freud hielt dies für unmöglich und verwarf daher seine „Verführungstheorie“ um 1900 und entwarf daraufhin die uns bekannte Psychoanalyse. Diese beruhte u.a darauf, dass jene hysterischen Symptome und inzestuöse Schilderungen aus innerpsychischen Konflikten entstanden. Ausgelöst durch unterdrückte Triebe, Wünsche und Einbildungen des Unterbewusstseins. Traumatische Erinnerungen wurden so nicht selten als unterdrückte sexuell Triebe gegenüber dem Vater betrachtet.

Und so wertvoll ich die Psychoanalyse und Arbeit Freud´s auch finde, hat sie uns eingebracht das solch schreckliche Traumafolgestörungen bis ins Jahr 2000 fast völlig ignoriert und teilweise sogar belächelt wurden. Noch heute gibt es Psychiater und Psychologen die u.a die Dis abstreiten, obwohl sie längst im offiziellen Diagnosehandbuch aufgenommen wurde. Und das was heute endlich Beachtung findet, darüber wurde schon vor weit über 100 Jahren gesprochen. Nicht nur von Freud…Und es wurde ignoriert und verworfen…Ja, traurig wenn man sich das überlegt…

Der, durch seine Inzest-Theorie vorher von der Fachwelt ausgeschlossene und belächelte Freud, fand nun übrigens schnell wieder Anschluss an die Welt renommierter Wissenschaftler, welche sich 1908 sogar seinen Theorien, der unterdrückten Einbildungen und Triebe anschlossen….
Kann man ja mal drüber nachdenken 😉