Hochsensibilität

Hochsensibilität und Empathie sind, glaube ich, nicht immer ganz einfach voneinander zu trennen. Der übersichtskeithalber haben wir das jetzt trotzdem einmal gemacht. Heute versuchen wir also erst einmal die Hochsensibilität auseinander zu klamüsern und nächste Woche schauen wir uns dann das Thema Empathie näher an.

Was ist Hochsensibilität eigentlich?

Hochsensibilität ist weder eine klinische Diagnose, noch wird sie als Störung angesehen. Man könnte sie vll eher als Eigenschaft oder Persönlichkeitsmerkmal betrachten.

Hochsensible Menschen reagieren dabei viel stärker auf äußere, sensorische Einflüsse. Also d.h alles was über die Sinne wahrgenommen werden kann.

In gewisser Weiße ist sie da der Hypervigilanz recht ähnlich und wird daher auch oft mit ihr verwechselt oder über einen Haufen geworfen, da es bei beiden z.B schnell zu einer Reizüberflutung und Überlastung des Nervensystems kommen kann. Hochsensible Menschen nehmen äußere Reize ebenfalls sehr stark und in hohem Maße auf, weshalb sie sich in einer reizüberfluteten Umgebung nicht wohl fühlen und schnell „überladen“. Das ist bei der Hypervigilanz ähnlich, nur das die Reizüberflutung meist aus dem permanenten Abscannen der Umgebung und der ‚Hab-Acht‘ Stellung kommt, was das Nervensystem einfach irgendwann überreizt. Das permanente ‚Angespannt sein‘, die ständige Befürchtungs-, sowie Angsthaltung oder das schnelle Überkochen der Emotionen, sind also eher der Hypervigilanz zuzuordnen und kommen bei der Hochsensibilität nicht zwangsläufig vor.

Weiter liegt ein wichtiger Unterschied darin, dass die Hypervigilanz durch Trauma entsteht, wo hingegen jedoch die Hochsensibilität bereits angeboren sein und auch ohne Trauma existieren kann. Beides kann aber selbstverständlich auch gleichzeitig vorhanden sein.

Arten der Hochsensibilität

Ich persönlich weiß nicht, ob man das immer so genau einteilen muss. Manchen jedoch hilft es zu wissen, was genau wie mit ihnen los ist. Daher gehen wir auf die möglichen Unterschiede trotzdem einmal näher ein. Die meisten Hochsensiblen finden sich übrigens in mehreren Gruppen wieder. Bei wem nur eine zutrifft, der ist wahrscheinlich nicht hochsensibel.

Sensorische Hochsensibilität

Betroffen sind dabei meist nur 1-3 Sinnesorgane. Es können im Ausnahmefall aber auch alle betroffen sein. Zudem können die Ausprägungen (von – bis) auch total unterschiedlich auftreten.

  • Akustische: Die Lärmempfindlichkeit kommt sehr häufig vor. Dabei ist aber nicht gemeint, dass laute Musik, Baulärm o.ä an sich für schlimm empfunden und gemieden wird. Viele können das asogar problemlos „überhören“. Eher hört man viel leichter und schneller Geräusche und stört sich daran, als nicht-hochsensible Menschen. Das Brummen des Kühlschranks z.B oder das Surren einer Lampe. Besonders bestimmte Frequenzen stellen für viele auch ein großes Problem dar.
  • Taktile: Dabei ist die Haut unheimlich empfindlich. Jede noch so kleine Kleinigkeit, wie ein Haar auf dem Arm, eine Wimper auf der Wange, die Nähte der Kleidung, ein Krümel im Bett (,,Die Prinzessin auf der Erbse„), Stückchen im Essen (gerade bei Kindern) oder sogar Luftbewegungen werden extrem deutlich wahrgenommen und als unheimlich störend empfunden. Auch ein erhöhtes Schmerzempfinden gehört dazu, sodass nicht nur ärztliche Untersuchungen, sondern sogar auch das Nägel und Haareschneiden Schmerzen bereiten können. Sogar Bewegungen im Körper können von einigen wahrgenommen werden. Auch Hitze und Kälte werden z.B viel stärker registriert. Bereits kleine Temperaturunterschiede können da z.B schon zum Problem werden. Es gibt sogar Menschen die Tumore, wie bspw. Brustkrebs, ertasten können.
  • Olfaktorische: Hier ist der Geruchssinn unheimlich gut ausgebildet. So können manche Ärger, Stress und sogar Angst beim Gegenüber riechen. Sie nehmen körpereigene Gerüche viel stärker wahr und können Personen dadurch problemlos allein an der Kleidung auseinanderhalten, usw.
  • Gustatorische: Die feinsten Geschmäcker werden wahrgenommen. Ich schmecke z.B sofort, wenn etwas nur im geringsten Maße Schimmelsporen enthält, während andere jenes noch problemlos essen, da sie überhaupt nichts bemerken. Den rieche ich z.B auch viel eher als andere.
  • Visuelle: Besonders Licht spielt hierbei eine große Rolle. Entweder kann z.B besonders viel (Sonnen)Licht, für eine ausgeglichene Stimmung, notwendig sein oder umgedreht wird versucht grelle Lichtquellen zu meiden. Was ich z.B auch gar nicht abkann ist flackerndes Licht. Da könnte ich ausrasten.

Geistige Hochsensibilität/Hochsensitivität

Eigentlich reden wir hier schon vom sogenannten „6. Sinn„. Alles was in den Bereich der übersinnlichen Wahrnehmung fällt, läuft unter diese Kategorie und auch hier gibt es wieder Ausprägungen von bis. Einige haben z.B prophetische-/Wahrträume, also Träume von der Zukunft, die sich dann auch erfüllen. Ich sehe zwar keine Aura, nehme sie bei manchen Menschen aber sehr deutlich wahr, also vom Fühlen her. Wesenheiten, Schwingungen aus der Umgebung und von den Mitmenschen, magnetische Felder, etc. können wahrgenommen werden, uvm.

➡️ Ich persönlich halte eine übersinnliche Wahrnehmung übrigens auch nicht für „Möchtegern-Esoterischen Schwachsinn“ o.ä. Alles was wir kennen, was die Physik kennt, ist auf Energie, Schwingung und Frequenzen aufgebaut. Ich wüsste keinen logischen Grund, warum einige Menschen diesbezüglich nicht eine feinere Wahrnehmung haben sollten. Man denke da nur an die unterschiedliche Wahrnehmung zwischen einigen Tieren und Menschen z.B.

Ethische Hochsensibilität

Dabei geht es um ein starkes Gerechtigkeitsempfinden und ein sehr gutes Gespür für richtig und falsch. Viele sind auch sehr pflichtbewusst und neigen leider zur Selbstaufgabe. Zudem wird viel schneller wahrgenommen, ob jemand die Wahrheit sagt oder nicht.

Kognitive Hochsensibilität

Ich finde den Begriff: ,,Holistische Denkweise“ da besser. Es wird also nicht nur einem Gedankengang linear gefolgt, sondern an diesen einen Gedanken werden viele andere angeknüpft. Alte, abgespeicherte Informationen werden damit verbunden und dieser eine Gedanke teilt sich wie ein Prisma in viele verschiedene Richtungen auf. Situationen und Themen werden ganzheitlich (holistisch) und von oben gesehen, statt wie in einem Tunnel.

Emotionale Hochsensibilität

Gefühle werden viel stärker und auch länger wahrgenommen und empfunden. Auch die Gefühle aus der Umgebung und von anderen Wesen schwappen auf einen über. Und hier kommen wir dann auch in den Bereich der Empathie. Darum gehts dann nächste Woche.

Bin ich Hochsensibel?

Die Psychologin Elaine Aron entwickelte speziell dazu einen Test, welcher sich auch bis heute durch viele wissenschaftliche Studien stützen ließ. Ich habe auch schon mal so einen Test gemacht (25 treffen zu 😅), allerdings finde ich den nicht unbedingt notwendig. Meistens spürt man ja, das irgendetwas mit einem anders ist und man stärker auf manche Dinge reagiert, als andere. Wenn mehr als 14 Aussagen zutreffen oder aber auch wenn weniger zutreffen, diese dafür aber in besonders starken Ausmaß, ist es wahrscheinlich hochsensibel zu sein. Übrigens sind ca. 15 – 20 % der Bevölkerung Hochsensibel.

Zum Test

  1. Ich fühle mich leicht überwältigt durch starke Sinneseindrücke.
  2. Offenbar habe ich eine feine Wahrnehmung für Unterschwelliges in meiner Umwelt.
  3. Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich.
  4. Ich reagiere eher empfindlich auf körperlichen Schmerz.
  5. Ich habe an geschäftigen Tagen das Bedürfnis, mich zurückzuziehen – entweder in ein dunkles Zimmer oder an einen anderen Ort, wo ich allein sein und mich von der Stimulation erholen kann.
  6. Auf Koffein reagiere ich heftiger als viele andere Menschen.
  7. Ich fühle mich schnell überwältigt von Dingen wie grelle Lichter, starke Gerüche, raue Textilien auf meiner Haut oder Martinshörner in meiner Nähe.
  8. Ich besitze ein reiches, vielschichtiges Innenleben. (könnte man so sagen😂🙈)
  9. Laute Geräusche bereiten mir Unbehagen.
  10. Kunst oder Musik bewegen mich tief.
  11. Manchmal liegen meine Nerven derart blank, dass ich nur noch alleine sein möchte.
  12. Ich bin ein gewissenhafter Mensch.
  13. Ich bin schreckhaft.
  14. Es bringt mich leicht aus der Fassung, wenn ich in kurzer Zeit viel erledigen muss.
  15. Wenn andere Menschen sich in einer Umgebung unwohl fühlen, weiß ich eher als manche andere, was notwendig ist, um Wohlbefinden herzustellen (zum Beispiel durch eine Veränderung der Beleuchtung oder der Sitzordnung).
  16. Ich werde ärgerlich, wenn man von mir erwartet, zu viele Dinge gleichzeitig zu tun.
  17. Ich gebe mir große Mühe, Fehler zu vermeiden oder Dinge nicht zu vergessen.
  18. Fernsehsendungen und Spielfilme mit Gewaltszenen meide ich.
  19. Ich fühle mich unangenehm erregt, wenn sich um mich herum viel abspielt.
  20. Hungergefühle stören nachhaltig meine Konzentration und beeinträchtigen meine Stimmung.
  21. Veränderungen in meinem Leben treffen mich sehr heftig.
  22. Ich bemerke und genieße feine Düfte, Geschmäcker, Klänge oder Kunstwerke.
  23. Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen muss.
  24. Für mich ist es sehr wichtig, mein Leben so zu organisieren, dass ich Situationen vermeide, in denen ich mich ärgern muss oder die mich überwältigen.
  25. Laute Geräusche, chaotische Szenen und ähnliche starke Reize stören mich.
  26. Wenn ich mit anderen Menschen konkurrieren muss oder beobachtet werde, während ich eine Aufgabe erfülle, macht mich das so nervös und unsicher, dass ich weitaus schlechter abschneide, als ich eigentlich könnte.
  27. Als Kind haben meine Eltern und Lehrer mich als sensibel oder schüchtern angesehen.

Hochsensibilität – Fluch oder Segen?

Wenn äußere Reize stärker wahrgenommen werden, werden sie logischerweise auch schneller zum Problem. Was andere Leute überhaupt nicht stört, treibt einen selbst in den Wahnsinn. Große Veranstaltungen? – ,,Bäh, bitte. Viel zu stressig!„. Hochsensible Menschen sind zudem auch auffallend häufiger Introvertiert, so richtig der „Partycrasher“ wird man also auch nicht. Ständig mit diesen starken Reizen und Erleben konfrontiert zu sein, kann also extrem anstrengend und problematisch sein. Leider kann das sogar zu sozialer Isolation führen, welche dann wiederum anfängt krank zu machen.

Dennoch glaube ich, wenn man gelernt hat annähernd damit umzugehen, ist die Hochsensibilität eher eine wundervolle Gabe als ein Fluch. Eigentlich eher wie eine Superkraft bei den Avengers 😅. Ich meine, Hallo? Es gibt Menschen die das Innenleben ihres Körpers spüren oder Elektrizität in der Luft riechen können. Oder man läuft quasi als menschlicher Lügendetektor oder Schimmelfrüherkennungs-Warnsystem herum. Ziemlich geil ist das doch schon, oder nicht?

Hochsensibilität und Trauma

Henne oder Ei? Was war zuerst da?

Es ist schon richtig, dass Hochsensibilität (gerade z.B das sensorische Empfinden) oft bereits angeboren ist. Dennoch finde ich die Verbindung von ihr und Trauma sollte nicht unter den Tisch fallen. Wirklich aussagekräftige Studien habe ich dazu leider nicht gefunden, da sich die Ärzte und Forscher diesbezüglich sehr widersprechen. Hier geht es jetzt also eher um meine persönliche Meinung.

Nehmen wir erstmal die angeborene Sensibilität: Sensible Kinder reagieren viel schneller auf äußere Einflüsse, als andere. Verletzungen, und nichts anderes ist ein Trauma ja (= eine seelische Verletzung), spielen bei diesen Kindern eine viel größere Rolle, da sie tiefer und intensiver erlebt werden. Ich bin also der Meinung, dass ein von Geburt an sehr sensibles Kind schneller traumatisiert ist, als andere. In Folge dieser stark erlebten Verletzung prägt sich die Hochsensibilität in einigen Bereichen, bei dem endsprechenden Kind, jetzt zudem vll auch sogar noch mehr aus. Das soll aber nicht heißen, dass das Erlebnis einer nicht hochsensiblen Person deshalb weniger schlimm o.ä ist!

Entwickelte Sensibilität: Wenn wir bei den letzten 3 Kategorien von oben schauen, dann hat das für mich eher etwas damit zu tun, das es früher notwendig war, diese Bereiche zu stärken und besser auszuprägen, z.B weil man in einem sehr toxischen Umfeld aufwuchs. Dort kann es nur vom Vorteil gewesen sein, bestimmte Sinne stärker auszuprägen. Ich denke also schon, dass die Übergänge zur Hypervigilanz da manchmal ziemlich fließend sein können. Menschen denen zudem selbst einmal schmerzhaftes Leid widerfahren ist, neigen eher zu einem sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Wie ich generell darüber denke

Ich persönlich muss für mich zuhause jetzt jedoch nicht genau ausklamüsern, was nun angeboren ist und was sich danach herausgebildet hat oder wo die haargenauen Unterschiede zwischen Hochsensibilität, Empathie und Hypervigilanz liegen. Ich weiß das ich in vielen Bereichen sehr sensibel auf viele Dinge reagiere und manches sehr stark wahrnehme und eigentlich reicht mir persönlich das.

Hochsensibilität ist aber übrigens kein:

  • wehleidig sein
  • sich zu sehr anstellen
  • selbst schuld sein, wenn man so überempfindlich ist o.ä!!!

Ganz ehrlich?

Gegenfrage: ,,Warum bist du nicht so empfindlich? Warum spürst du nicht, was ich spüre? Wenn du dir ein bisschen mehr Mühe mit dem Fühlen geben würdest, hättest du keine Probleme in unserer Kommunikation. Selbst schuld, was stellst du dich auch so an? Wie schrecklich, so unempfindlich zu sein!“ – Man kann sowas auf tolle und ironische Weiße, auch wunderbar umdrehen 😉

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