Abwehrmechanismen der Psyche (Teil 2)

Schaut gerne im 1. Teil vorbei ➡ Abwehrmechanismen der Psyche (Teil 1)

(Alle Namen und Beispiele sind ausgedacht)

Identifikation

Bei der Identifikation nehmen wir beängstigende Einflüsse in uns auf und machen sie zu einem Teil unseres Selbst, um sie besser ertragen zu können.

Bsp.: Johanna hat eine sehr dominante Mutter, die stark ausländerfeindlich und homophob ist. In ihrem Verhalten ist sie eher sehr aggressiv und brüllt alles nieder, was nicht ihrer Meinung und Vorstellung entspricht. Ein Verhalten, welches für Johanna zutiefst beängstigend ist. Unbewusst übernimmt sie nun also die Einstellung der Mutter und identifiziert sie später als ihre eigene. Denn würde sie offen mit einer anderen Einstellung ihrer Mutter gegenübertreten, böte sie dieser damit eine enorm große Angriffsfläche.

Ein anderes Bsp. der Identifikation wäre Marianne, die früh Missbr*uch erlebte. Um damit umgehen zu können, nahm ihre Psyche die Lust, das Verhalten und das Denken des Täters in sich auf. In der Folge sah Marianne den Missbr*uch und auch später folgende, gegen sie gerichtete Gewalt, nicht als schlimm an, da sie glaubt diese Gewalt verdient zu haben. Das sie so richtig sei. Im Gegenteil kann sie sogar Lust an z.B gewaltvoller Porn*grafie oder Praktiken finden. Hier gehen wir dann in den Bereich der Täterintrojekte. Statt etwas zu projizieren, also das Innerste auf eine gegenüberliegende Leinwand zu werfen, nimmt unsere Psyche etwas vom Gegenüber und integriert es in die eigene Ich-Struktur.

Abwertung

Vor allem wenn wir uns kleiner fühlen, als der Gegenüber, greift die Psyche zu dieser Taktik. Wir nehmen unbewusst ein Ungleichgewicht wahr und versuchen dieses durch die Abwertung wieder auszugleichen.

Als Bsp.: Klaus wurde in seiner Kindheit immer wieder gesagt er sei ein sehr dummer Mensch, der es kaum zu etwas bringen wird. Infolgedessen verfestigte sich in ihm ein schlechtes und verändertes Selbstbild. Im späteren Leben kommt es nun dazu, dass er Situationen wahrnimmt wo er sich z.B belehrt fühlt. Das alte Gefühl wird angetriggert und es entsteht für ihn ein Ungleichgewicht. Der andere scheint sich in seinem Wissen, Können und Wesen über ihn zu erheben. Dabei ist es tatsächlich völlig unerheblich ob dieserjenige das wirklich (und absichtlich) macht oder ob dieses Gefühl nur in Klaus‘ Kopf stattfindet.

Er selbst empfindet sich (wieder) ganz unten und den Gegenüber ganz weit oben. Die logische Schlussfolgerung der Psyche ist hier also, den Gegenüber durch abwertende Worte (und Taten) von diesem Podest wieder herunterzuholen und mindestens auf die gleiche Stufe zu stellen. Am besten aber eine Stufe unter Klaus. Das spannende ist hierbei, dass Klaus bzw. sein Unterbewusstsein den Gegenüber selbst auf dieses Podest erhoben hat.

Wer abwertet fühlt sich eigentlich also, in den meisten Fällen, unterlegen.

Reaktionsbildung

Wenn wir eigene Wünsche, Verhalten oder Bedürfnisse als unpassend empfinden, z.B weil wir bei dessen Auslebung Angst haben verlassen oder bestraft zu werden, entwickeln wir ein genau entgegengesetztes Verhalten. Kennzeichnend ist dabei die Starrheit in der (neu angenommenen) Denkweise. Jede Flexibilität würde einen ja schließlich auch direkt wieder zurück an die tiefsitzenden Ängste, die überhaupt erst dazu führten, bringen.

Das Bsp., welches vielen bekannt sein dürfte, ist homophobes Verhalten, obwohl in Wirklichkeit selbst homosexuelles Interesse besteht. Es ist noch gar nicht so lange her, und in vielen Ländern ist es leider noch heute der Fall, da wurde Homosexualität teils sogar mit dem Tod bestraft. Und auch in vielen streng gläubigen Familien ist es noch heute kaum denkbar Homosexualität offen zuzugeben. Gefühle wie Scham, Schuld und Angst entstehen im Inneren und führen dazu, eine diametrale Denkweise anzunehmen. Wenn meine Umgebung Homosexualität schlecht findet und mich aufgrund dessen bestrafen würde, erscheint es logisch Homosexualität ebenfalls abzulehnen, um die Konsequenzen zu vermeiden.

Ein anderes Bsp. wäre hyperempathisches Verhalten gegenüber Menschen, obwohl eigentlich ein tiefsitzender Groll und Hass existiert. Groll, Wut und Hass ist jedoch nicht gerne gesehen und könnte wieder Ablehnung (die vllt erst zu diesem Hass führte) zur Folge haben. Also springt das Verhalten zum anderen Extrem = Diametral sind sich zwei gegenüberliegende Punkte im Kreis. Statt zu hassen, verhalte ich mich extrem fürsorglich, bis hin zur Selbstaufgabe.

Verleugnung

Bei der Verleugnung weigern wir uns die Realität anzuerkennen, die schmerzhafte Gefühle auslöst.

Bsp.: Siegbert hat eine Katze, die er über alles liebt. Wenn niemand sonst auf ihn zuhause wartete, war sie für ihn da. Wenn er einsam war, schmiegte sie sich an ihn und schnurrte beruhigend. Eines Tages klingelt sein Nachbar an der Tür und überbringt ihm die schreckliche Nachricht, dass die Katze überfahren wurde. Für Siegbert bricht eine Welt zusammen. Das einzige Wesen, dass ihm Liebe schenkte, ist nun fort. Er kann das nicht akzeptieren, weil die Konfrontation mit seinen Gefühlen unaushaltbar wäre. Seine Psyche lehnt die Realität, wo seine Katze nicht mehr da ist, ab und hält weiter an der alten fest. Dort wo die Katze noch am Leben und alles gut ist. Er stellt ihr jeden Tag Futter hin und macht regelmäßig ihr Katzenklo sauber, als wäre sie noch da. Auf Fragen seiner Umgebung sagt er, dass die Katze gerade draußen sei oder gerade nur nicht so gut isst.

Auch die Weigerung eine traumatische Vergangenheit und daraus entstandene (nachweisbare) Symptome anzuerkennen, ist ein Fall von Verleugnung. Der Schmerz der dahinter steht ist so groß, dass er lieber nicht gesehen werden will.

Fixierung

Diese Form des psychischen Schutzes geht sehr eng mit der Regression (dem Zurückfallen auf einen frühkindlichen Entwicklungsstaus) einher.

Unter der Fixierung versteht man das Festhalten an bestimmten Denk- oder Verhaltensmustern. Aber auch auf der Beziehungsebene findet sowas oft statt. Eine Fixierung auf den Partner oder dem Therapeuten, welcher hier die Mutter oder Vater-Rolle einnimmt. Gerade im Bereich der Traumatherapie kommt sowas oft vor, weil innere, kleinere, verletzte Anteile eine Sehnsucht zum Therapeuten (oder Partner) suchen (und finden), die sie in früher Kindheit vermisst haben. Die Rolle, die z.B die Mutter übernehmen sollte, Nähe, Liebe, Verbindung aufzubauen (und das versaut hat -auf gut deutsch), „soll“ (das passiert nicht absichtlich!) hier der entsprechend nähste Part übernehmen.

Wie geht man mit Abwehrmechanismen um?

Selbstreflexion.

Das nimmt dich nicht davon aus, selbst eine dieser Strategien (meist wirklich unbewusst!) anzuwenden. Und wir dürfen unsere Psyche dafür auch nicht verurteilen. Sie agiert, wie es in dem Moment am sinnvollsten für uns ist. Sie reagiert einfach nur. Erst da kommen wir ins Spiel, denn wir sind ja weder Opfer unserer Psyche, noch unserer Umstände. Bzw., das ist mir an dieser Stelle wichtig zu sagen: Wir sind Opfer, ganz oft, der Taten anderer. Dagegen können wir nichts tun. Aber diese Leute oder Umstände haben nur Macht über uns in der jeweiligen Situation. Danach nicht mehr.

Unsere Erfahrungen prägen uns und sie prägen unser Handeln. Aber unsere Handlungen, ob wir ein Arschloch uns oder anderen gegenüber sind, das ENTSCHEIDEN WIR selbst. Demnach können wir also auch, durch Selbstreflexion, über unsere psychischen Abwehrmechanismen entscheiden. Ja manchmal geht etwas in die Hose. Manchmal verletzten wir Menschen und oft sind es die, die es gar nicht verdient haben. Und dafür gibt es keine Rechtfertigung. Egal wie viel Trauma wir erlebt haben. ABER wir können unsere Handlungen reflektieren, optimieren und damit verbessern. Wir können es besser machen und damit nicht genauso handeln, wie die Menschen, die uns verletzt haben.

Auf der Seite des Angehörigen

Musst du nichts entschuldigen! Ich persönlich finde es unglaublich wichtig zu wissen, welche Hintergrundgeschichte hinter jedem einzelnem steckt. Damit kann ich denjenigen verstehen, auf ihn eingehen. Aber sind wir mal ehrlich, nur weil ich vieles verstehe, muss ich nicht alles entschuldigen. Ich habe ja auch meine Gefühle und Bedürfnisse und es ist vollkommen okay, wenn jemand anderes, andere Bedürfnisse hat oder Dinge anders sieht. Dann connecten wir eben einfach nicht. Ich glaube, dass ist mehr als okay. Das muss auch nicht mit jedem klappen. OHNE das der andere deswegen schlecht ist.

Und ich kann noch so viel Abwehrmechanismen des anderen verstehen, aber jeder hat seinen Punkt, wo er sagt: „Schön und gut, aber bis hier hin und nicht weiter“ . Und es gibt da auch einen Unterschied von: „Boar du äußerst gerade ein Gefühl, deshalb wirst du mir zu viel und ich will nix mehr mit dir zu tun haben.“ – und – „Ich verstehe dich, aber so wie du dich mir gegenüber verhältst, empfinde ich es wirklich als verletzend und das möchte ich nicht (mehr).“

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