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Was ist eine Traumareaktion?
Unsere Wahrnehmung beginnt im Hirnstamm (auch Reptiliengehirn genannt). Dieser gilt als ältester Teil des Gehirns und ist für unser Überleben zuständig. Er kümmert sich um unsere Atmung, unseren Blutdruck oder Herzschlag. Aber auch unsere Reflexe (Schlucken, Husten, Niesen, etc.) und Instinkte (Flucht, Kampf, sexueller Trieb, usw.) steuert er. Trifft nun eine Information auf den Hirnstamm, die als problemlos gilt, wird sie weiter in das Großhirn geleitet, wo sie verarbeitet und abgespeichert wird. Erst wenn sie dort landet, werden wir uns darüber bewusst und fangen an über sie nachzudenken.
Signalisiert die Information jedoch Stress und damit eine Gefahr, geht der Körper in den Autopilot-Modus und übernimmt für uns. Ab hier wählt unser Reptiliengehirn aus welche Reaktion für uns gerade am besten zum Überleben geeignet ist. Darüber haben wir keine bewusste Kontrolle mehr.
In der frühen Zeit der Menschheit waren die biologischen Stressreaktionen eine überlebenswichtige Art und Weise auf eine drohende Gefahr zu reagieren. Tauchte ein Säbelzahntiger vor uns auf, war schließlich keine Zeit große Pläne zu schmieden. Wir mussten augenblicklich handeln, wenn wir überleben wollten. War die Gefahr gebannt, ließ auch das Notfallprogramm in unserem Körper wieder nach.
Das Problem dabei
An sich gibt es erstmal überhaupt kein Problem. Wie gesagt, dient all das unserem Schutz. Leider, würde ich behaupten (das ist also nur mein Gedankengang) , befindet sich der Großteil der Menschen heute regelmäßig im Überlebensmodus und reagiert demnach mit einer der (gleich folgenden) Stressreaktionen.
Leistungsdruck („Wer nichts leistet, ist nichts wert“ ), Konkurrenzdenken und (emotionale) Oberflächlichkeiten machen es möglich. Trauma ist nicht immer eine Vergewaltigung oder ein misshandeltes Elternhaus. Trauma fängt da an, wo wir bereits als kleine Kinder lernen, dass wir nicht gut sind, wie wir sind. Das wir so nicht reichen. Dahingehend, würde ich behaupten, ist der Großteil der Menschen traumatisiert, was sie wiederum dauerhaften Stress aussetzt und zu einer (unkommunikativen) Gesellschaft wie der derzeitigen macht.
Wenn wir aus den Stressreaktionen nicht mehr herauskommen, befinden wir uns zudem in und mit unserer Umwelt nicht nur in einem dauerhaften Überlebenskampf, sondern die mobilisierte, freigesetzte Energie (durch die Stresshormone) kann sich auch nicht mehr entladen. Sie speichert sich im Körper und kann dadurch zu allerhand chronischen (körperlichen wie psychischen) Beschwerden und Krankheiten führen.
Die 4 Traumareaktionen
Kampf (Fight)
= Wir versuchen fehlende Sicherheit und Kontrolle (Ohnmachtsgefühl) durch Dominanz und Macht wiederzuerlangen – Nach dem Motto: ,,Angriff ist die beste Verteidigung“
Zum Beispiel:
- Impulsivität
- Verbale Verteidigung
- Aggressionen, Konfliktsuche
- Kontrolle
- Wutausbrüche (auch schreien, beleidigen, diskriminieren, …)
- Um sich schlagen wollen
- Die Fäuste ballen
- Körperliche oder psychische Gewalt
- Schnell „hochkochen“
- Selbstverletzung (nach innen gerichtete Wut/Aggression)
Flucht (Flight)
= In Stresssituationen flüchten wir vor Konflikten, Verantwortung, Gedanken und Gefühlen – Nach dem Motto: ,,Was ich nicht sehe, ist auch nicht da“
Zum Beispiel:
- Perfektionismus („wenn ich perfekt bin, werde ich geliebt und bekomme Sicherheit“ )
- Sucht
- Workaholic (chronische Beschäftigung)
- Ängste/Zwänge
- Nicht still sitzen können – „Weglaufreflex“
- Sich verstecken wollen
- Aus Konfliktsituationen fliehen (sich der Gefahr entziehen)
- Kontakte abbrechen (Verlassensangst)
Erstarrung (Freeze)
= Wenn Kampf oder Flucht unmöglich sind, erstarren wir, als letzte Schutzmaßnahme, um Schmerz oder Gefahr nicht mehr zu spüren – Nach dem Motto: ,,Wenn ich nicht hier bin, kann man mir auch nichts tun“
Zum Beispiel:
- Dissoziation (⬇)
- Sich von der Welt abgetrennt fühlen/Umwelt als unwirklich wahrnehmen „Wie in einem Traum“ (Derealisation)
- Den eigenen Körper nicht mehr spüren (Depersonalisation)
- Tagträume (sich in Traumwelten zurückziehen)
- Den Körper nicht mehr bewegen können (Stupor)
- Sich wie blockiert fühlen
- Nicht mehr sprechen können
- „Ins Leere starren“
- Nichts mehr fühlen können (Gefühle sind abgespalten)
- Taubheit
- Selbstisolation
Unterwerfung (Fawn)
= Wir versuchen Sicherheit zu gewinnen, indem wir uns den Anforderungen, Bedürfnissen und Wünschen des anderen anpassen – Nach dem Motto: ,,Wenn mich der Feind mag, verletzt er mich nicht“
Zum Beispiel:
- Sich unterordnen
- Es allen recht machen wollen
- People Pleasing (innerer Drang die Erwartungen anderer zu erfüllen, um diesen zu gefallen)
- Drang von anderen gemocht werden zu wollen (Wunsch nach Sicherheit in zwischenmenschlichen Beziehungen)
- Die eigenen Bedürfnisse und Grenzen ignorieren/übergehen (lassen)
- Von eigenen Emotionen getrennt sein (Je weniger eigene Bedürfnisse, Grenzen und Emotionen man hat, desto leichter kann man sich an die des anderen anpassen – In der Kindheit war das vllt notwendig, um potenziellen Zorn oder Misshandlung zu vermeiden)
- Das Bedürfnis sich ständig zu entschuldigen
- Angst die eigene Meinung zu vertreten
- Co-Abhängigkeiten
- Konfliktvermeidung, Ja-sagen
- Selbstkritik, Selbsthass (und daraus resultierende Selbstverletzung)
- Eigene Wünsche, Gefühle und Gedanken nicht äußern können
- „Helferkomplex“ (auch sich ausnutzen lassen oder ausgenutzt fühlen)
- Sich einschmeicheln
- Konfliktvermeidung
- Selbstwertprobleme (sich nicht gut/ausreichend genug zu fühlen)
- Sich für die Reaktionen anderer verantwortlich fühlen
- Die Absichten oder Taten des anderen entschuldigen/relativieren
Wie gehe ich mit einer Trauma-Antwort um?
Mache dir zuerst einmal bewusst, dass deine Reaktion gerade nicht rational entschieden wurde. Ein altes Trauma, eine ungeheilte Wunde in dir wurde angetriggert!
Wenn dir das bewusst wird, kann es dir helfen dich von der Situation etwas zu distanzieren und deinen Blick wieder auf die Meta-Ebene zu richten. Du (bzw. dein Inneres) wiegst dich aktuell in Lebensgefahr. Schaue was ist es, das dir solche Angst macht. Welche Angst kommt durch die momentane Situation wieder hoch?
Mache dir bewusst wo und wann du dich aktuell befindest (Zeitcheck). Wenn deine körperliche Versehrtheit gerade nicht akut gefährdet ist, dann kann dir keiner etwas tun. Du bist in Sicherheit! Es fühlt sich nur nicht so an, weil eine Wunde aus einer Zeit wieder aufgerissen ist, als für dich allein sein, ignoriert werden, keine Liebe zu erhalten, usw. wirklich lebensbedrohlich war. Du warst darauf angewiesen! Aber heute sind wir erwachsen, heute sind wir nicht mehr so auf die anderen angewiesen wie früher. Auch wenn es sich anders anfühlt, ist unser Leben dadurch nicht mehr in akuter Gefahr.
Achte auf deine Atmung. Ist sie sehr flach und/oder schnell? Dann versuche tiefer und ruhiger zu atmen, das reduziert den Ausschuss von Stresshormonen. Wenn jemand mit involviert ist, schaue ob du mit demjenigen darüber sprechen kannst. Sage ruhig das zu angetriggert bist, deshalb sind deine Gefühle zur derzeitigen Situation noch genauso echt und ernst zunehmen. Versuche dich wieder zu erden, lenke dich erstmal ab und schlafe eine Nacht darüber, bevor du eine Entscheidung triffst oder z.B eine wütende Mail schreibst. Weitere Möglichkeiten um wieder etwas herunterzufahren, findet ihr auch im Beitrag: 1.Hilfe bei Flashbacks.
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