Angelehnt an die Gefühle, resultierend aus meinem letzten Traum:
Erstmal gilt: Das ist nicht zu verallgemeinern. Es gibt überall auf der Welt tolle Menschen, die nicht so reagieren und diese schätzen wir bitte richtig doll.
*Was ich hier nenne, gilt im Übrigen genauso für alle anderen Arten von Traumata
Es gibt aber schon so einen gemeinsamen Konsens, wie mit traumatisierten Opfern umgegangen wird. Am Anfang gibt es (manchmal) eine kurze Karenzzeit, wo man dir die Zeit einräumt wieder klar zu kommen, aber danach:
- Kehrst du bitte zum Alltag zurück
- Tu einfach so, als wäre nichts passiert, denn das macht es leichter für uns
- „Die Vergangenheit ist vergangen, hör einfach auf daran zu denken“ – Ja, genau so funktioniert das auch. Das wir hier von 2 verschiedenen (aktiven) Gehirnbereichen sprechen, besonders in Bezug auf Flashbacks, das ignorieren wir einfach mal
- Geh bitte deiner Arbeit weiterhin nach, denn nur wer fleißig ist, ist ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft, ansonsten bist du ein „Sozialschmarotzer“ – „Für solche Leute wie dich, muss ich also arbeiten?!“ (Genauso gesagt bekommen)
- Zeig bitte, wie traumatisiert du bist, denn sonst glauben wir dir nicht
- Zeig aber bitte nicht zu viel, denn sonst denken wir, du schauspielerst und dann glauben wir dir erst recht nicht
- Ein echtes Opfer zeigt Gefühle
- Zeig aber bitte nicht zu viel Gefühle, denn damit können und wollen wir nicht umgehen, deshalb sagen wir, dass jeder der ( „unerwünschte“ ) Gefühle zeigt, „schwach“ ist
- Wenn du gar keine Trigger zeigst, glauben wir dir dein Trauma nicht
- Wenn du aber deine Trigger zulässt und offen zeigst/kommunizierst, fühlen wir uns davon überfordert und das wollen wir gar nicht, deshalb sagen wir, „du übertreibst“ – „Stell dich nicht so an„
- Bitte geh mit all deinen Gefühlen und Problemen allein um, denn wir wollen in unserer Illusion bleiben, wo alles immer toll ist und niemand Leid erfährt und das bisschen Leid, das jeder hat: „Damit muss man eben umgehen können“ = „Ich bin auch manchmal schlecht drauf und steh trotzdem auf“ . Deine Probleme wollen wir gar nicht wissen
- Aber bitte zeig uns auch deine Gefühle, denn wie sollen wir denn glauben, dass es dich schlimm getroffen hat (und dein Erzähltes echt ist) , wenn du rational und ohne Emotionen darüber sprichst?
- Bitte sei immer zuvorkommend und rücksichtsvoll und hör IMMER zu, egal wie es dir geht
- Wir müssen das dagegen nicht, denn unser Befinden geht gerade vor (Du hat es nicht so schön emotional wie wir erzählt, deshalb ist deins bestimmt weniger wichtig)
- Wie? Du willst jetzt was erzählen? Hä? Was? Ne?! Ich hab doch zu tun?! Für sowas hab ich keine Zeit. Komm damit bitte alleine klar
- Respektiere bitte all meine Probleme und Triggerpunkte, auch wenn ich sie dir vorher nicht sagte. Ich erwarte Gedankenlesen von dir und wenn du das nicht hinbekommst, bist du ganz schön scheiße
- Was, ich? Ne, ich muss das bei dir nicht. Auch nicht, wenn du mir vorher sagtest, was dich triggert. Das ist mir egal, denn ich will ja leben wie ich will. Wo kommen wir denn da hin? Wenn dich was triggert, musst du schon selbst damit klar kommen. Bin ich dein Psychiater, oder was?! (Das wurde mir tatsächlich auch einmal exakt so gesagt)
- Bitte hab eine normale Sexualität. Nicht zu wenig (denn dann bist du verklemmt), aber auch nicht zu viel (denn dann bist du eine Schl*mpe) – [beide Varianten sind übrigens absolut normal bei se*uell traumatisierten Menschen)
- Bitte zeig Spaß am Leben, sei fröhlich, denn wir mögen nur fröhliche Menschen (auch wenn wir das selbst nicht bieten und dich damit selbst weiter herunterziehen)
- Wie du lachst? Dann kannst du kein Trauma erlebt haben! Traumatisierte oder psychische kranke Menschen lachen doch nicht – Du willst nur Aufmerksamkeit!
- Wir erwarten, dass du deine Angelegenheiten alleine regelst und ja nicht um Hilfe fragst, aber da du ja nie um Hilfe fragst, kann es doch auch nicht so schlimm sein, oder?!
- Bitte such dir psychologische Hilfe, aber wenn du dir psychologische Hilfe suchst, dann stufen wir dich als „Psycho“ ein, mit dem wir nichts zu tun haben wollen
- usw.
Ich muss dabei auch immer an Natascha Kampusch denken, da ihr bzw. durch die Gesellschaft leider öffentlich genau das gezeigt wurde, was von einem Opfer erwartet wird: Es ist nie perfekt genug, dass man dir glauben kann. Es ist nie genug, was dir geschehen ist. Immer kommt jemand, der sagt: „Mir erging es aber schlimmer!“ oder „Eigentlich wolltest du das ja!“ (Wie bei Natascha z.B, wo behauptet wird, sie hätte sich mit 9 Jahren freiwillig dazu entschieden, zu diesem Mann zu ziehen und sich von ihm missbr*uchen zu lassen – Jap, genau so läuft das ab… Glaubt ihr das eigentlich selbst? )
Und genauso ist es auch. Es wird IMMER jemand geben, den es schlimmer geht/ging als dir. Wisst ihr warum? Weil der menschlichen Abscheulichkeit und Gewalt keine Grenzen gesetzt sind. Es geht IMMER einen Ticken schlimmer, aber macht DAS das Leid des Einen weniger schlimm? Tut dein Schnitt durch ein Küchenmesser weniger weh, nur weil ein anderer einen Arm verloren hat? Nein, oder?
Kann ein Opfer immer gleich sein?
Nein. Punkt.
Weil jeder ein Trauma anders erlebt. Weil jeder eine andere Emotionslage dazu hat und einen anderen Schutzmechanismus, wie er damit umgeht. Ich sage permanent, dass für mich nicht die körperlichen Schmerzen das Schlimmste waren. Ginge man davon aus, müsste man ja sagen, dass emotionaler Missbrauch viel schlimmer als körperlicher wäre. Aber ist das so?? Hat ein Mensch, dem die körperliche Gewalt mehr zusetzte, damit unrecht? Ist er deswegen weniger traumatisiert? Wenn er sagt, die körperliche Gewalt setzte ihn mehr zu, als die psychische, was soll ich dann sagen?: „Hast recht, ich habe mir den Rest nur eingebildet“ ? Nein, denn meine Erfahrungen waren so schlimm für mich, wie sie eben waren. Egal was ein anderer erlebte. Und genauso waren die Erfahrungen des Anderen schlimm, auch wenn dessen Schwerpunkte nicht meine waren.
Wir lachen viel. Das ist unsere Art auf Schmerz und unaushaltbare Dinge zu reagieren. Sind wir deswegen weniger Opfer der Taten, die begangen wurden? Die Taten blieben doch dir Gleichen, oder? Jemand der weniger lacht, ist er deswegen weniger Opfer, weil „Man kennt das doch so, von Traumatisierten, dass sie lachen“ ? Nein, er ist ebenso genau das Gleiche Opfer der Taten.
Resultat
Lasst uns bitte (🙏) darauf scheißen, was andere Menschen sagen. Nee, ich kann das auch nicht einfach so. Im Gegenteil, ich kann das nur sehr schwer. Und das ist auch keine Aufforderung im Sinne von: „Wenn selbst ich das kann, kannst auch du das“ – Viele vor mir konnten das auch, deshalb kann ich trotzdem nicht einfach auf andere scheißen. Als ginge das so einfach…
Aber ich versuche mich mehr darauf zu konzentrieren, dass es Menschen gibt – ich habe sie kennengelernt – die mich so nehmen, wie ich bin. Egal ob du lachst oder traurig bist. Sie glauben dir trotzdem. Und ich würde das auch. Besonders weil ich selbst nicht so bin, aufgrund von Oberflächlichkeiten zu verurteilen, muss es doch auch andere geben, die es genauso sehen. Also warum sollte ich mich auf Menschen konzentrieren, die anders sind? Warum sollte ich Menschen überzeugen wollen, die nicht überzeugt werden wollen? Warum sollte ich mir Mühe geben, Menschen, die nicht mein wahres Ich sehen wollen, mein wahres Ich zu zeigen?
Geht es mir dadurch besser? Nein. Die permanenten Ängste vor Menschen und ihren Reaktionen – wenn du nicht so funktionierst wie du sollst – sind trotzdem ständig da.
Aber der Kampf, jedem irgend etwas beweisen zu wollen, wird weniger. Ich hasse Kampf und ich will endlich da raus, mein Leben nur als Kampf anzusehen. Besonders die Erkenntnis, dass ich so lange versucht habe, es jedem Recht zu machen und das trotzdem nichts brachte, andere trotzdem ständig etwas auszusetzen hatten/haben, hilft mir, mich mehr auf mich zu konzentrieren. Wie gesagt: Das funktioniert nicht gut, aber besser als früher. Weiten besser, als früher. Und darüber lerne ich auch Scham abzubauen. Ein Gefühl, was sehr stark in meinem Leben vorhanden ist.
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