Als ich klein war, gab es einen Moment, wo ich ausgelassen und fröhlich die Treppe hochhüpfte. Ich dachte mir nichts dabei und war einfach gut gelaunt.
Meine Mutter stauchte mich daraufhin zusammen, weil sie mein Verhalten sehr störte.
An sich ist diese Szene nicht wirklich nennenswert, war sie schließlich keine Ausnahme. Aber ich erinnere mich noch so genau an das Gefühl, was in diesem Moment damals in mir aufkam. Diese Überraschung, die Angst und der Schmerz, hatte ich doch keine bösen Absichten gehabt. Es war nur ein kurzer Moment der Freude, der jedoch nicht sein durfte.
Ich erinnere mich daran, weil diese Szene so sinnbildlich für mein ganzes Leben ist. Nicht weil mir jemand kein Glück vergönnt, sondern dieses Gefühl ist es, was mich stets begleitet. Der Wunsch einfach nur glücklich und ausgelassen zu sein und die furchtbare Angst vor den Folgen, wenn ich mir dies zugestehe. Die Angst vor diesem inneren Schmerz.
Es ist auch so ein Gefühl, als würde das Gute direkt hinter der nächsten Tür warten. Als wäre es gerade mal einen Wimpernschlag entfernt. So nah, dass ich es fast greifen kann. Und ich wünsche es mir so sehr, also versuche ich mich dafür zu öffnen. Mich meinen Ängsten zu stellen und meine Mauern abzubauen. Ich gestehe mir sogar den Hauch einer Vorfreude zu, weil ich es wirklich zulassen will.
Aber kurz bevor ich das Glück berühren kann, tritt an seine Stelle das Gegenteil. Und wieder ist er dann da: der Schmerz. Und der Ärger darüber, die Deckung fallen gelassen und sich der Illusion auf Änderung hingegeben zu haben.
Ich integriere Traumata, baue dissoziative Barrieren ab, lerne den Kontakt zu meinem Körper zurückzufinden, mich selbst zu lieben und für mich zu sorgen. Grenzen zu setzen, konfrontiere mich mit meinen Ängsten, reflektiere ohne Ende, hinterfrage alles, decke Glaubenssätze auf und wandele sie um, löse Gefühlsblockaden auf. Sorge für meinen Körper und meine Seele, öffne mich gegenüber Menschen, versuche bewusst und achtsam mit meinen Gedanken umzugehen, versuche meinen Blick auch auf die schönen Dingen zu legen, verstehe die Mechanismen der psychologischen Vorgänge und weiß mittlerweile in sehr vielen Fällen, wie ich mich beruhigen und mit Situationen umgehen kann. Ich versuche es, ich gebe mir wirklich Mühe und trotzdem … Trotzdem sitze ich noch in „Täglich grüßt das Murmeltier“ fest.
Langsam fehlt mir die Motivation.
Mir ist auch durchaus bewusst, dass es mich wieder volle Kanne in die Depression gekickt hat und diese Sinnfragen und meine Gefühle daher kommen. Aber da sind wir schon beim nächsten Punkt: In den letzten Monaten konnte man dabei zu sehen, wie ich mich immer weiter aus der Depression herauskämpfte.
Mein Ziel für dieses Jahr war: endlich Schuss mit der Depression. Ich will endlich leben!
Mir ist auch bewusst, dass es immer wieder Rückschläge gibt. Das gehört dazu. Mir ist sogar bewusst, was ich tun könnte, um aus den jetzigen Gefühlen wieder herauszukommen. Schließlich habe ich das immer und immer wieder getan. Und ich weiß auch, dass ich das kann. Daran habe ich keinerlei Zweifel.
Vor einigen Tagen gab es eine Situation, die für sich gesprochen nicht wirklich schlimm war. Nicht auf der objektiven Ebene, aber sie hat meinen (DEN) großen Haupttrigger getroffen. Logisch also, dass es mich jetzt so weggekickt hat. Die Sache ist beseitigbar und das wahrscheinlich sogar ohne enorme Anstrengung. Mir ist sogar bewusst, in welche gute Richtung das weiter gehen könnte.
Alles ist da in meinem Kopf.
Die Lösung, die notwendige Handlung und auch das wahrscheinliche Ergebnis.
Alles vorhanden.
Ich brauche nichts lesen oder mich mit jemand darüber austauschen. Ich bin auch nicht verzweifelt, wütend, traurig oder blockiert.
Ich bin einfach nur müde.
Ich weiß gerade nicht mehr, was ich überhaupt noch bereit bin, zu tun. Es ist nicht so, dass mir die Hindernisse in meinem Leben unüberwindbar erscheinen. Ganz im Gegenteil. Ich weiß nur nicht, wie viel Sinn es überhaupt macht, meine Energie dafür noch aufzuwenden, wenn das Ergebnis am Ende eben doch stets das Gleiche bleibt. Wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen. Aber das ist auch der Knackpunkt: Nur weil der eine Dreck weniger stinkt, als der andere, will ich mich damit zufriedengeben?
Ich denke auch nicht (mehr), dass das Leben mich bestrafen will, ab und an vllt. noch. Aber das ist es alles nicht.
Ich frage mich stattdessen, warum ich immer wieder aufstehe und weiter kämpfe, wenn das letztendlich ein Nullsummenspiel bleibt?
Ich bin nicht hoffnungslos in dem Sinne. Mir ist bewusst, dass ich auch aus dem Trigger wieder herauskomme. Dass das Gefühl nachlässt, dass ich sogar wunderbar mit diesem Trigger demnächst arbeiten könnte. Aber ist das der Sinn vom Leben? Aufstehen und kämpfen, nur um wegen jeder Kleinigkeit wieder an den Anfang des Weges zurückgeworfen zu werden? Um dann wieder aufzustehen und zu kämpfen, nur das dann alles wieder von vorn los geht?
Warum sich aus der Depression kämpfen, wenn das kleinste Ding bereits ausreicht, sie wieder vollends hervorzuholen?
Will ich wirklich ständig darum kämpfen, aus den psychischen Leiden herauszukommen? Einfach nur glücklich sein zu dürfen? Oder ein normales Leben zu leben? Oder gesehen und gehört zu werden? Oder mich frei zu fühlen? Oder Liebe zu erfahren? Oder akzeptiert zu werden? Oder ich sein zu dürfen? Oder oder oder
Ist das das Leben? Ein einziger Kampf? Jeden Tag aufs Neue?
Wofür kämpfe ich denn aber? Um weiter kämpfen zu dürfen?
Ich weiß nicht, ich denke, das entspricht nicht meiner Vorstellung vom Leben.
Mir ist alles bewusst, was ich tun muss, um meine jetzige Situation zu verändern. Ich weiß auch, dass ich das hinbekomme. Locker. Aber ich will nicht mehr ständig nur handeln. Ich bin allmählich zu müde zum Kämpfen. Mir fehlt einfach der Sinn dahinter. Wofür denn? Dass es mit den Menschen stets gleich ausgeht? Für das Gefühl eh nie dazuzugehören? Oder für die Isolation und Einsamkeit, die sich wie ein roter Faden durch mein Leben zieht? Oder doch eher für die ständigen Trigger oder dem Realisieren, was einem eigentlich alles angetan wurde? Wofür?
Guck dir Welt doch mal an. Wo soll denn hier irgendwas Positives um die Ecke kommen?
Mir ist auch bewusst, dass ich gerade völlig im pessimistischen Denken drin bin. Natürlich sind Dinge nicht „Immer“ und „stets“ so. Auch das ist mir alles bewusst und das weiß ich sogar vom Gefühl her. Aber ich WILL daran gerade gar nichts ändern. Ich möchte so fühlen. Hört sich merkwürdig an, aber ich will gar nicht zurück in diese Scheinillusion von „Alles wird gut“ . Denn: wozu?
Für mein Kind stehe ich auf. Natürlich. Aber auch dieses zu sehen ist seit Jahren ein einziger Kampf. Sich auf die gemeinsame Zeit zu freuen, ist schwer, sitzt mir doch ausnahmslos dabei etwas anderes mit im Nacken. Und mittlerweile plant er seine Zukunft auch bereits um seine Familie dort vor Ort, 800 km entfernt von mir. Ich denke, die Hoffnung, dass er irgendwann zu mir zurückkommt, geht Jahr um Jahr weiter gen Null.
Es fühlt sich an, als wäre mein Leben im Dauerausnahmezustand und das hört nicht wirklich auf. Vllt. tut es das doch und es fühlt sich nur für mich so an, käme aber so oder so auf das Gleiche heraus. Ob es nun wirklich so ist oder nur mein Gefühl nicht aufhört … Gehupt wie gesprungen.
Ich könnte weiter Faktenchecks machen und meinen Blickwinkel ändern, jop. Kostet aber auch wieder Kraft und lohnt es sich wirklich, diese in scheinbar sinnlose Unternehmungen zu investieren? Oder für ein Leben aufzuwenden, das ich so eigentlich gar nicht will? Ein Leben im Dauerkampf?
Keine Ahnung, wer weiß das schon.
Ich möchte bitte auch keine aufmunternden oder andere Worte hierzu. Ich brauch’ gerade und will momentan auch mit niemand reden, aber ich möchte mir Dinge von der Seele schreiben.
In den nächsten Wochen geht’s erstmal noch mit den Beiträgen weiter, die ich vor der Sommerpause geschrieben habe und dann gucke ich mal, wie ich mit dem Blog und dem ganzen Zeug weiter verfahre. Ich schätze mal, ich finde „meine“ Motivation wieder und dann geht das Ganze wieder von vorn los. Klug geschissenes Blabla, Selbstarbeit und kämpfen, bis dann irgendwann hoffentlich auch endlich mal die letzte Kraftreserve aufgebraucht ist. Ist mir sowieso ein Rätsel, woher immer wieder diese Drecks-Kraftfunken kommen. Es ist, als würde dich jedes Mal, wenn du gerade einschlafen willst, jemand erneut mit etwas wach halten.