Erlernte Hilflosigkeit („Opferhaltung“) vs. Opfer sein

TriggerwarnungIm Beitrag könnte einiges Triggern, im fortlaufenden Text erkläre ich alles aber näher

Opferhaltung ist ein sehr negativ konnotiertes Wort und ich muss zugeben, dass auch ich damit auf Dauer nur schwer umgehen kann.
Mich strengt es besonders an, wenn entweder ausschließlich anderen die Schuld und die Verantwortung auf Änderung zugeschoben wird oder/und das Menschen ihre Leidspiralen immer und immer wieder durchkauen, was ich als Angehöriger bzw. Gesprächspartner sehr anstrengend finde, da es keine Veränderung gibt. Und wenn sich Leid immer wieder im Kreis dreht und dem scheinbar nicht entkommen werden kann, triggert das auch bei mir alte Ohnmachtsgefühle wieder an. Zudem kostet es auch unglaublich viel Kraft, die ich ehrlich gesagt nicht zur Verfügung habe. Daher ziehe ich mich meist zurück, sobald ich merke, dass derjenige (auf Dauer) in so etwas feststeckt und auch nicht vor hat, daran etwas zu verändern.

Dennoch ist es aber so, dass Menschen sich nicht aus Bösartigkeit oder „Faulheit“ so verhalten, sondern dahinter steckt ein Störungsmuster und zwar die erlernte Hilflosigkeit.
Weiter gibt es zudem auch noch einen Unterschied zwischen Opferhaltung und Opfer-sein, was leider viel zu oft durcheinander geworfen wird.
Schauen wir uns das alles einmal näher an …

Wichtig: Es ist absolut normal, sich auch einmal in die „Opferhaltung“ fallen zu lassen. Sich zu fragen was das alles soll und warum es ausgerechnet einem selbst so geht. In einem geordneten Maß hat dies m.E. sogar etwas Gesundes an sich. Heilung ist ein Prozess, ein Spektrum auf welchen man solche Gedanken und Gefühle nicht über Nacht ausstellen kann. Diese zuzulassen ist sogar sehr wichtig, denn jedes Gefühl gehört zu uns und es kann zudem dazu beitragen, Mitgefühl für sich selbst zu empfinden.

Gemeint ist heute also eher die generelle Denkeinstellung und nicht phasenweises Mitgefühl oder auch Hoffnungslosigkeit (u.a ein Symptom bspw. der Depression) mit und bei sich selbst. Es geht eher darum, ob derjenige generell mehr auf die Probleme in seinem Leben konzentriert ist, für deren Änderung er aber auf andere wartet. Oder ob er sich eher auf der Suche nach Lösungen befindet, denn jene Denkweise lässt uns (unveränderbares) akzeptieren und umwandeln lernen. Sie lässt uns zurück ins Leben finden. Stagnation dagegen ist der T*d.

Und auch hierbei geht es nicht um das Verurteilen, sondern darum zu verstehen, was dahinter steht. Manchmal kann ein Mensch nicht anders, als er gerade handelt. Und das ist okay.

Erlernte Hilflosigkeit

Der Begriff ‚erlernte Hilflosigkeit‘ beschreibt einen Zustand, bei dem der Betroffene glaubt seine Situation nicht verändern zu können und dafür auch selbst verantwortlich zu sein.
Zurückzuführen ist dieser Begriff auf Dr. Martin Seligman, der jenen, unterstützt durch Tierversuche, im Jahre 1967 prägte.

Ursachen

Betroffene gelangten früher meist in eine oder mehrere Situationen, in der sie tatsächlich handlungsunfähig und ohnmächtig waren. Beispiele können dafür Gewalttaten sein, aber auch Verluste oder schwere Krankheiten und Behinderungen.
Die Unkontrollierbarkeit der Situation prägte sich so stark ein, dass sich ihre Selbstwahrnehmung veränderte. Sie haben nicht mehr das Gefühl handeln zu können. Sie fühlen sich unfähig dazu, was zur Folge hat, dass sie ihre Selbstwirksamkeit verlieren. Was früher so war, wird noch heute als Realität angesehen (weil es auch noch immer die innere Realität ist = die alten Verletzungen sind noch nicht überwunden).

Auch Fehler, wiederholte Rückschläge oder bspw. ständige Abwertung und zu hohe (nicht erfüllbare) Erwartungshaltungen der Bezugspersonen können die erlernte Hilflosigkeit begünstigen.

„Die Grundaussage der Theorie über die erlernte Hilflosigkeit ist: Wenn Menschen oder Tiere in einer Situation die Erfahrung machen, dass sie ein bestimmtes Ereignis nicht kontrollieren können, entwickeln sie die Erwartung, in anderen ähnlichen Situationen auch keine Kontrolle zu haben“ 

(Fincham & Hewstone 2001, S. 252).

„[…] unkontrollierbare Konsequenzen verringern die Motivation, willentlich Verhalten auszulösen […]“.

(Seligman 1999, S. 34)

Symptome

Tritt heute eine ähnliche oder generell stressige Situation auf, reagieren sie (unterbewusst) wieder mit Hilflosigkeit. Sie nehmen sich als Opfer ihrer Umstände wahr, gegen die sie nichts ausrichten können. Das auch, wenn sich die Realität eigentlich ganz anders gestaltet und veränderbar wäre.
Zur Folge hat das, dass sie in der Situation verharren bleiben, keinen Ausweg sehen und oft immer tiefer in Depressionen und Angstzustände abrutschen.

Typische Denkweisen sind oft:

  • – „Es bringt doch sowieso nichts
  • – „Ich kann mir nicht selbst helfen
  • – „Ich kann das einfach nicht und werde es nie können“ (manche Dinge kann man wirklich nicht, der Unterschied liegt da, es zumindest zu versuchen und/oder sich stattdessen auf das zu konzentrieren, was man kann)
  • – „Es wird sich niemals etwas verändern/Das wird für immer so bleiben
  • – „Es trifft immer mich
  • – „Ich kann eh nichts tun. Was soll ich schon ausrichten?“
  • – „Es ist ausweglos
  • – „Selbst wenn ich mich anstrenge, ich versage sowieso

Folgen

Die erlernte Hilflosigkeit führt dazu, nicht aus dem Leid ausbrechen zu können. Sei es aus toxischen Beziehungsmustern oder auch aus dem eigenen destruktiven Denken. Zum Beispiel: Gedankenspiralen, Selbstabwertung, Trauer, Schwarz-Weiß-Denken, Ohnmachtsgefühle, usw.
So können auch keine Glaubensmuster verändert werden, was alles beim Alten belässt.

Wie in der Einleitung bereits angesprochen, führt die erlernte Hilflosigkeit aber auch zu Problemen im sozialen Feld. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen und da finde ich es sehr anstrengend, wenn jemand darin feststeckt. Denn mit der Zeit dreht sich mehr oder weniger alles nur noch um sein Problem und dieses wird hoch und runter durchgekaut. Und das meist, weil derjenige sich (logischerweise) unglücklich damit fühlt.

Es wird viel geklagt (generell oder situationsspezifisch), aber kein Versuch unternommen, etwas zu verändern (oft fängt diese Veränderung in uns an, bei Blockaden, Glaubenssätzen, usw.), weil auf Veränderung vom Außen gewartet wird ( „das Außen hat dafür gesorgt, dass ich mich so fühle und nur, wenn sich das wieder verändert, kann ich mich auch wieder besser fühlen“ ). Dieses Außen ist aber eben meistens wie es ist, sonst wäre die Situation ja auch nicht die, die sie ist.


Es ist sehr wichtig, über Probleme sprechen zu können. Nur ist niemanden damit geholfen, wenn es sich nur noch darum dreht und kein Ausweg in Sicht ist.


Eine Variante davon ist auch die Selbszverurteilung: „Hätte ich mich anders verhalten, dann wäre XY anders zu mir gewesen/bei mir geblieben“ – Nein, XY hat sich dir gegenüber verhalten, wie er es freiwillig entschieden hat, sonst wäre eine Vergew*ltigung ja auch gerechtfertigt, weil die Frau den Mann mit einem kurzen Rock“provoziert“ hat. Jeder entscheidet selbst, wie er sich verhält. Mag sein, dass dein Verhalten dazu geführt hat (z.B. übertriebene Eifersucht führt zur Trennung). Dann hat es aber nicht gepasst. Du bist ja gerade so, aus Gründen. Du kannst dich doch nicht verstellen (kannst du schon, aber dann ist der Andere eben auch nicht mit dir, sondern irgend einem Trugbild zusammen – und ob das so fair ist?), du musst diese Gründe doch erstmal anschauen und integrieren und wer weiß, ob dieser Partner dann überhaupt noch der Richtige wäre.

Wenn dir etwas an deinem Verhalten nicht gefällt: Schau dir die Hintergründe an und ändere es dadurch demnächst. Beschwere dich aber nicht nur darüber, dass XY deshlab ZX getan hat, weshalb es dir jetzt schlecht geht. Solange du den anderen nicht gerade psychisch missbr*uchst, ist sein Verhalten, SEINE freie Wahl. Lass diese Verantwortung also auch bei ihm und übernimmt du nur Verantwortung für deine Punkte.

Tipp:

Kommuniziert deutlich was ihr braucht. Manchmal will man das innere Leid einfach nur verbalisieren und jemand bei sich wissen, der einem zuhört. Das ist nicht nur okay, sondern auch mehr als wichtig.

Findet die Konversation in dieser Form statt: „Ich weiß nicht was ich tun soll … Was soll ich nur machen?… Was denkst du/Hast du einen Rat für mich?…“ , dann kommuniziert ihr damit, dass ihr auf der Suche nach Lösungen und Veränderung seid. Oft ist es jedoch so, dass das aber (noch) gar nicht wirklich „gewünscht“ wird (weil innere Blockaden das verhindern). Solange der Blick auf das Außen gerichtet ist, ist Veränderung auch nur schwer möglich, da Veränderung aus einem selbst kommen muss.

Diese Diskrepanz zwischen dem Gesagten und eigentlich Gewünschten führt daher schnell zu Konflikten mit anderen Personen, die das Gefühl bekommen (und dann Aussagen treffen wie): „Der will ja gar nichts verändern! – Der will doch Opfer bleiben!“ – usw.

Was man tun kann

Selbstverantwortung.
Nicht umsonst spreche ich in jedem 2. Beitrag davon. Ohne Selbstverantwortung,  bleibt man nämlich in der Opferhaltung gefangen.

Ich habe klein angefangen. Immer mal wieder Kleinigkeiten im Alltag, die mir zeigten, dass ich eben doch handlungsfähig bin.


Selbstreflexion ist auch unglaublich wichtig.
Denn darüber konnte ich z.B. herausfinden, warum ich mich manchmal so gelähmt fühle. Meist steckt meine Angst dahinter und herauszufinden woher diese Angst kommt und was mit ihr zusammenhängt, war da der Knackpunkt für mich.

Irgendwann kam auch der Moment, wo ich dachte, dass ich sowieso nichts mehr zu verlieren habe. Wenn ich ins Handeln komme und scheitere, was soll dann schon passieren? Es ist doch sowieso alles so unerträglich, dass ich es nicht mehr aushalte. – Ich schaue immer, dass ich eine Lösung finden kann. Irgendwo einen winzigen Schritt, der mir hilft, den Blick nicht dauerhaft auf das Leid zu richten, sonst würde ich kaputt gehen. Das würde ich nicht aushalten. Vieles im Leben sind Schutzstrategien der Psyche und meine dauerhafte Lösungssuche ist definitiv eine davon. Das ist die einzige Möglichkeit für mich, nicht in meinem Schmerz zu ertrinken. Das einzige, was mir aufgezeigt hat, dass das Leben doch lebenswert sein kann.

Das ist leider auch ein Grund, warum mir deshalb manchmal fiese Gedanken in den Sinn kommen, wenn jemand so felsenfest in seiner erlernten Hilflosigkeit steckt und sich weigert, einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Weil ich mir dann denke: „So schlimm kann es dann ja doch noch nicht sein“ (natürlich ist es das trotzdem – solche Gedanken kommen meist aus dem Gefühl der eigenen Hilflosigkeit – Es geht bei sowas nicht ums Wollen, sondern um innere Blockaden, die man aufspüren und auflösen muss – Eins ist aber trotzdem wichtig:).

Denn das ist der wichtigste Punkt:
Der Wille zur Veränderung muss da sein (ist dieser nicht offensichtlich, gilt es sich den Sekudärgewinn anzuschauen, der ebenfalls das Überleben sichert – bspw. kann jemand nicht einfach mit dem Rauchen aufhören, weil das sein bisher einziger Weg ist Stress zu lindern).

„Das richtige Mindset“

Da kommen wir daher auch zu einem Thema, was ich sehr kritisch beäuge, weil es oft nicht differenziert genug betrachtet wird.
Im Prinzip ist das mit dem „richtigen Mindset“ nicht falsch. Es liegt nämlich in meiner Entscheidungsgewalt, wie ich über etwas denke.


Ein Bsp.: Ich saß bereits schon 9h im Zug. Alles hatte Verspätung, überall waren Leute und nervige, laute Kinder. Ich war sehr schlecht drauf und im innerlichen Hochstreß. Dann hielt der Zug in einem Bahnhof und zwar genau so, das gefühlt der einzige, dicke Sonnenstrahl mir ins Gesicht schien: „War ja klar. Irgendjemand hasst mich doch da oben“ war mein Gedanke. – Dann kam mir in den Sinn: „Obwohl, eigentlich mag ich doch die Sonne 🤔. Über was rege ich mich gerade auf?“ . Ich schloss die Augen und genoss die warmen Sonnenstrahlen, kam ein Stück zur Ruhe und hatte schon weniger das Gefühl, dass ich für irgendetwas bestraft werde. Ich hatte zwar nicht die Kontrolle über die äußeren Umstände, aber darüber, ob ich denke alles hasst mich oder denke: „Cool, wenigstens ein Lichtstrahl“ – im wörtlichsten Sinne. Die Umstände konnte ich nicht beeinflussen, wohl aber wie mit ihnen umgehe.

(Das heißt aber NICHT!, dass wir jede für uns negative oder problematische Situation rational beeinflussen können. Bei einer Depression, Angstzuständen, etc. hilft es oft tatsächlich wenig, nur „positiv“ zu denken. Ebenso kannst du dir auch keine Flashbacks einfach positiv umdenken. Wir sprechen hier nämlich von unterschiedlichen Hirnarealen. Kommt die Angst, kommt sie aus der Amygdala. Der rationale Verstand ist jedoch im Neokortex beheimatet, welcher heruntergefahren wird, sobald die Amygdala aktiviert ist. Es geht also nicht bei allem um eine bewusste Entscheidung, weil wir nicht auf jeden biologischen Vorgang in uns einen direkten, bewussten Einfluss nehmen können. – Stichwort: Differenzieren!)

Also ja, es liegt schon an uns, wie wir etwas betrachten und bewerten. Uns zu entscheiden anders zu denken, bringt uns auch aus der Ohnmacht und Opferhaltung.

Jedoch funktioniert das nicht auf der Ebene: „Du musst es nur genug wollen“ – Daran liegt es nicht und solche Aussagen machen Menschen nur Schuldgefühle und noch mehr das Gefühl, es nicht hinzubekommen. Das verstärkt zudem die Hilflosigkeit letztendlich nur noch weiter. Viele wollen eine Veränderung, aber schaffen es trotzdem nicht (solange innere Blockaden unentdeckt sind, sabotieren sie die Veränderung auch weiterhin). Es liegt also nicht direkt am: „Du willst es nur nicht genug“ , sondern m.E. daran, dass der Betroffene erst lernen muss, aufzuhören auf eine Veränderung der äußeren Umstände zu warten.

Warum ich Dinge „positiv“ sehe

Vor einiger Zeit beschwerte sich jemand im System darüber, ich wäre eine: „Eso-Tussi, die alles immerzu positiv sieht“ – Das fand ich ja schon fast ein bisschen beleidigend 😅.
Ich sehe Dinge nämlich nicht positiv, ich suche nach dem, was nützlich sein könnte. Positiv denken halte ich für Augenwischerei. Es nützt niemand etwas, wenn man sich Illusionen hingibt. Es ist wichtig die Realität so zu nehmen, wie sie ist.
Aber Probleme müssen eben nicht nur Probleme sein. Was passiert oder wie es einem geht, ist, kann und darf trotzdem Mist bleiben. Aber wenn ich bspw. mit jemand aneinander gerate, dann ist es doch sinnvoller zu schauen, was ich für mich nützliches aus der Situation ziehen kann, als mich nur darüber zu beschweren, oder?

Man kann an allem wachsen.
Nein, negative Situationen sind dazu nicht nötig und „müssen deshalb geschehen“ (wie im New-Age weit verbreitet). Aber manchmal geschehen sie eben einfach. Die äußeren Einflüsse haben wir nicht unter Kontrolle und wenn sie geschehen, dann kann ich mich entweder von ihnen überrollen lassen oder schauen, was ich letztendlich damit anfange.
Ich muss mich keinem Schicksal hingeben, ich lege mehr Wert darauf, mein Leben selbst zu gestalten. Auch wenn es manchmal sehr schwer ist. Das ist Freiheit für mich. Und die fängt für mich im Kopf, mit einer Entscheidung an. Der Entscheidung, ob ich Opfer bleiben will oder nicht.

Opfer sein

Jetzt ist das zwar alles so schön gesagt, aber nur weil man sich dazu entscheidet, ist man weder die Täter noch andere schreckliche Umstände los. Deshalb sage ich: Man muss da sehr differenziert ran gehen. Destruktive Beziehungen, Täterkontakt, Armut, Traumafolgen, etc. hängen noch mit vielen anderen Faktoren zusammen. Der erste Schritt muss jedoch irgendwann einmal gemacht werden und dieser beginnt im Kopf, bei mir selbst.

Dennoch bleibe ich Opfer meiner Erlebnisse. Ich bleibe ein Opfer von Gewalt. Auch würde ich ein Opfer eines Autounfalls bleiben, usw. Ich wurde ein Opfer der Umstände bzw. Anderer, als geschah, was geschah. Ich trage auch weiterhin die Folgen. Die Symptome und Narben.
Und ich werde auch immer sagen, dass ich ein Opfer von Gewalt war und bin. Opfer von einer Tat oder einem Umstand zu sein, ist etwas anderes, als erlernte Hilflosigkeit. Denn Opfer war/bin ich in der Situation. Ich kann danach aber entscheiden, ob ich (innerlich) auch weiterhin das Opfer bleiben möchte. Ob ich den Tätern/der Situation auch in meinen Gedanken weiterhin die Macht über mich gebe, sie als allmächtig betrachte oder nicht. Für meine Heilung heute, bin ich nämlich alleine zuständig. Das ist weder fair noch spaßig – ja – eine (produktive) Alternative dazu wüsste ich aber leider nicht.


Natürlich kann (und darf und sollte) ich mir Hilfe suchen. Auch geht es mir bspw. stets darum zu verstehen, warum bin ich so und oft möchte ich auch, dass andere diese Gründe verstehen. Nicht, um sie als Entschuldigung zu nutzen, sondern um Verständnis aufzubauen und dadurch den Druck herausnehmen. Das ist vollkommen okay. Finde Strategien, die dir den Weg erleichtern, solange du dich nicht auf Entschuldigungen ausruhst ( „Ich verhalte mich so, weil… und deshalb kann ich daran auch nichts verändern“ ).

Denn die grundsätzliche Heilung findet in uns selbst statt. Diese Arbeit kann mir keiner abnehmen, mich dabei höchstens begleiten und unterstützen.

Und wenn morgen jemand bei mir einbricht oder mich beleidigt o.Ä., dann war ich auch ein Opfer davon. Für diese Taten trägt derjenige, der sie begangen hat, die Verantwortung. Da helfen mir auch keine positiven Gedanken. Es ist und bleibt, was es ist. Ich darf traurig, wütend und verzweifelt sein. Das sind alles normale menschliche Reaktionen. Aber dann muss ich schauen, wie ich damit umgehe. Muss ich nicht, ist aber förderlich. Verzweifle ich daran oder arbeite ich mit der Situation und suche Lösungen heraus? Denke ich problem- oder lösungsorientiert?

Traum – Meine Eltern (Gaslighting, Rechtfertigungszwang & Oversharing)

Heute Nacht hatte ich einen spannenden Traum, in welchem ich meinen Eltern mit meinem heutigen Bewusstsein entgegentreten konnte, statt wie früher in den Träumen, mit meinem Kind-Ich.

Ich habe schon lange keine Träume mehr niedergeschrieben, wenn gleich ich viele spannende hatte. Vllt. trage ich die irgendwann einmal nach, wenn ich die Muse dazu finde.

Traum

Er begann, dass meine Schwester aus dem Wasser kam. Womöglich waren wir am Strand o.Ä.
Sie war sehr nass und ihr war kalt, weshalb sie sich anziehen wollte. Meine Eltern sagten jedoch „Nein“ dazu.
Zwischen mir und meinen Eltern war eh schon schlechte Stimmung, und ich wollte nur meiner Schwester zuliebe noch einmal mit ihnen sprechen. Mir stieg dieses, wieder einmal scheinbar sinnlose, Verbot jedoch sehr in die Nase. Ich meinte zu ihnen, dass sie sich natürlich anziehen darf, schließlich sei ihr kalt. Daraufhin entgegneten sie, dass der Schrank, in dem sich ihre Kleider befänden, abgeschlossen wäre und es deshalb jetzt nicht ginge. Ich glaubte ihnen allerdings nicht und ging zum Schrank, zog an den Türen und der Schrank war offen.
Ich meinte in einem lauteren Ton zu meinen Eltern:
„Seht ihr, der Schrank ist überhaupt nicht abgeschlossen. Warum lügt ihr schon wieder? Warum durfte sie sich nicht anziehen?!“
Und meiner Schwester sagte ich, dass es mir leidtäte und ich es ihr zuliebe wirklich versucht habe, aber genau wegen so etwas geht der Kontakt einfach nicht.

Etwas später sitzen meine Eltern in der Küche, in unserem damaligen Haus.
Ich suche derweil eine große Reisetasche, um meine Sachen zu packen und zu meiner Oma zu ziehen. Ich wohnte wohl schon länger nicht mehr fest da, da ich schon erwachsen war, zum Teil waren aber auch immer noch meine Sachen dort [analytisch gesehen, könnten mein Teil der Sachen, die noch immer dort waren, auch bedeuten, dass es der Teil meiner Gedanken und inneren Realität ist, der noch immer bei ihnen in der Vergangenheit lebt – Was quasi noch nicht abgeschlossen ist].

Sie saßen am Tisch und nahmen mich, wie immer, nicht ernst. Hier übernahm besonders mein Vater die Führung, während meine Mutter im Traum zwar mit am Tisch saß und mitmachte, ich sie jedoch nicht sehen konnte.
Ich sagte zu ihnen, dass sie ständig nur zu ihrem Vorteil lügen würden und ob sie das überhaupt selbst merken.
Woraufhin mein Vater spöttisch lachte und meinte, dass ich „mal besser bei dem ausziehen“ sollte. Womöglich meinten sie einen Freund o.Ä. und sahen das als Grund dafür an, dass ich ihnen das nun entgegnete (und damit nicht mehr ihr Spiel mit spielte) und endgültig ausziehen wollte. Sich selbst zogen sie als Grund gar nicht in Betracht. Das regte mich im Traum sehr auf, weil wieder nur die anderen Schuld hatten. [Ich kann mich auch wirklich nicht erinnern, dass meine Eltern einmal für etwas die Verantwortung übernahmen]

Ich entgegnete, dass ich überhaupt nicht „bei dem“ wohnen würde und genau, dass das Problem wäre. Dass sie sich, ohne einmal nachzufragen, irgendeine Meinung bilden und diese dann einfach als Realität betrachten. Egal ob es stimmt oder nicht.

Nach dem Aufwachen…

…. fielen mir dabei viele Parallelen, besonders zu meinem ersten Ex-Freund ein, aber auch zu vielen anderen Menschen, die ich in meinem Leben kennenlernte.
Und es ist eigentlich wirklich krass, wenn ich mir überlege, dass ich so aufwuchs. In einer Umgebung, die ihre eigene, zusammengeschusterte Realität einfach mir überstülpte [allerdings machten sie das so auch bei anderen Menschen, nicht nur ich fiel dem zum Opfer] .

Meine Eltern (ebenso wie mein Ex-Freund) bildeten sich eine Meinung, nur anhand ihrer Informationen, denn sie fragten nie nach. Diese nahmen sie als Realität an und konfrontieren mich damit. Und wenn jemand davon ausgeht, dass du etwas Schlimmes gemacht hast, dann wirst auch dementsprechend bestraft, egal ob es wirklich stimmt oder nicht, denn in dessen Realität stimmt es ja bereits.

Sie ließen von ihrer Meinung auch nicht mehr ab.
Ganz im Gegenteil, sobald ich sagte, dass es nicht stimmt (mich also begann zu rechtfertigen), fühlten sie sich nur noch mehr im Recht.

Sie lachten auch früher, natürlich darüber, dass ich sie schon wieder anlügen würde. Dabei waren sie es, die die ganze Zeit logen.
Absurd, oder? Aber leider ist es sehr oft so, dass die Menschen exakt das selbst machen, was sie dir vorwerfen.

Das Absurde dabei ist, dass du bei solchen Menschen keine Möglichkeit mehr hast, da herauszukommen. Widersprichst du, bestätigt sie das nur in ihrem Bild von dir, dass du sie nur anlügen würdest und demnach ein schlechter Mensch bist. Stimmst du ihnen zu, bestätigt sie das auch in ihrem Bild von dir, dass du ein schlechter Mensch bist. – Versteht ihr das Prinzip? Diese Menschen konstruieren ein Bild von dir und werden davon nicht abzubringen sein, egal was du tust. Alles, was du dem versuchst entgegenzusetzen, wird sie in ihrem Bild nur noch mehr bestätigen. Daher entferne ich mich mittlerweile von Menschen, die mir partout nicht zuhören wollen. Ich kann es nur jedem, für das eigene Seelenheil, empfehlen.

Rechtfertigungszwang und Oversharing

Früher neigte ich unheimlich stark dazu, mich ständig und sofort für alles mögliche zu rechtfertigen. Auch dazu, Situationen bis in letzte Detail zu schildern, was andere Menschen manchmal völlig irritierte. Denn 1. ist es nicht nötig, sich ständig zu rechtfertigen und 2. gab ich viel zu viele Informationen, die oft gar nicht notwendig waren.

Mit dem Wissen heute, ist mir das aber nur nachvollziehbar.
Wenn jemand ständig jemanden aus dir macht, der du überhaupt nicht bist (indem er dir seine Realität von dir uberstülpt) und dich anhand dieser falschen Realität bestraft, dann versucht du dem aus dem Weg zu gehen, indem du alles sofort bis ins letzte Detail schilderst. In der Hoffnung, dass der andere von seinem falschen Bild von dir ablässt, sieht wie die Wirklichkeit ist.

Auch der Rechtfertigungszwang ist nur nachvollziehbar. Ich war es ja gewohnt, dass man mir irgendetwas unterstellte. Also begann ich auch später direkt schon im Vorne herein mich zu rechtfertigen, alles zu erklären.
Bis heute ist mein erster Gedanke oft, dass mein Gegenüber mir nicht glaubt. Denkt, ich würde lügen. Dass es heute nicht mehr so ist, irritiert mich noch oftmals.

Bis heute reagiere ich jedoch unheimlich allergisch darauf, wenn ein Mensch mir etwas unterstellt und nicht davon ablassen möchte. Auch dieses Lachen, wenn ich sage, dass es nicht stimmt, hallt mir von verschiedenen Menschen im Kopf wieder. Dieses Lachen, das ausdrücken soll, dass man durchschaut hätte, dass ich mich gerade herausreden und lügen würde.
Ehrlich gesagt, ist da mittlerweile bei mir das Gespräch sofort vorbei. Und auch im gesamten Verhältnis zu demjenigen gibt es dann einen sehr großen Knacks. Das hat im ersten Atemzug sehr einsam gemacht. Im Großen und Ganzen konnte ich so aber all diese giftige Umgebung aussortieren.

Ich bin so müde geworden, gegen alles Mögliche anzukämpfen, daher lasse ich sehr vielen mittlerweile einfach ihr Bild über mich, was sie sich von mir zusammengebastelt haben. In vielen Fällen hat das nicht im Geringsten etwas mit meinem echten Ich gemein. Ihr Blick, wenn ich sage: „Ja stimmt, du hast recht“ ist dabei aber oft göttlich, denn meistens rechnen sie nicht damit. Sie rechnen mit Gegenwehr. [Was übrigens bedeutet, dass sie zumindest in ihrem Unterbewusstsein bereits wissen, dass sie nicht richtig liegen]

Scheinbar brauchen sie dieses falsche Bild von mir, um sich ihre eigene Scheinrealität weiter aufrechterhalten zu können. Genau betrachtet, eigentlich sehr traurig für diese Menschen. Und mit etwas emotionalem Abstand finde ich sogar einen Brocken Mitgefühl für diese Leute.

Körper: Feind oder Freund?

Körpergefühl und Symptome

Viele, besonders se*uell traumatisierte, haben ein sehr schlechtes Körpergefühl. Teilweise fühlt sich der eigene Körper an, wie dein größter Feind. Unter anderem kommt es bei chronisch traumatisierten Menschen auch oft zu somatoformen Beschwerden. Man läuft von Arzt zu Arzt, aber es gibt einfach keine klare Diagnose. Und selbst wenn: Man bekommt Tabletten, aber es verändert sich entweder nicht wirklich viel oder der Schmerz tritt an einer anderen Stelle zu Tage.

Ich sehe da auch ein großes Mango in der derzeitigen Schulmedizin, welche dem heutigen Zeitgeist der Symptomunterdrückung mehr folgt, als der Ursachenerforschung/-behebung. Symptome können teilweise so schlimm werden, dass Tabletten bzw. eine Symptomlinderung (z.B. auch im psychischen Bereich die Skills) absolut notwendig ist. Symptomlinderung ist nicht falsch, sondern teilweise sogar sehr wichtig.

Was ich als problematisch ansehe ist jedoch, dass wir uns nur noch darauf konzentrieren. Symptome sind aber nicht der Feind, sie sind ein wichtiger Indikator dafür, dass etwas nicht stimmt. Wenn wir uns nicht der Ursache annehmen, werden sie demnach nie verschwinden. Im Gegenteil, werden sie sogar schlimmer. Entweder an der gleichen Stelle oder an einer anderen.

Beispiel:

Als ich mich vor 7 Jahren das erste Mal zum Psychiater traute, bekam ich direkt im ersten Gespräch Medikamente aufgeschrieben. Darunter waren Anti-Depressiva und erst ein Neuroleptikum, was müde machen sollte (da ich Sui*idgefährdet war, fielen herkömmliche Schlaftabletten für den behandelten Arzt heraus). Ich hatte große Schlafschwierigkeiten und mit vielen Alpträumen zu kämpfen. Nach ungefähr 1,5 – 2 Monaten wurde die Dosis der Anti-Depressiva auf das Doppelte (die Höchstdosis) erhöht. Und auch von den Medikamenten, die mir beim Schlafen helfen sollten, bekam ich mittlerweile 3 verschiedene. Kurz darauf verschrieb man mir andere Anti-Depressiva und kurz darauf die Nächsten, weil keine anschlugen.

Nach ungefähr einem 3/4 Jahr setzte ich diese ab, da ich sowieso nichts spürte. Ich machte das von heute auf morgen, macht das aber bitte nicht nach! So etwas sollte man ausschleichen lassen. Ich bin da manchmal etwas stur und wenn ich etwas nicht mehr will, will ich etwas nicht mehr. Das kann aber erneute (schwere) depressive Schübe zur Folge haben, sowie Sui*idpläne und Umsetzungen. Ärzte haben mit dem Ausschleichen also nicht Unrecht ….

Das Problem waren mehr die Medikamente zum Schlafen. Denn die halfen. Ich nahm sie und war ca. eine halbe bis Stunde darauf einfach weg und träumte auch die ganze Nacht lang nicht. Das war wundervoll für mich damals. Nach ca. einem Jahr kamen die Alpträume jedoch wieder durch, also nahm ich mehr der Tabletten. Ich nahm immer mehr davon, bis zu einem Moment, wo ich die ganze Nacht so schlimme Alpträume hatte, wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Alle 10 Minuten wachte ich auf. Bei jeden Aufwachen eine Schlafparalyse und bei jedem Einschlafen ebenfalls. In jeder (kurzen) Schlafphase furchtbare Alpträume.

Ich wollte nach dieser Nacht nie wieder schlafen, weil ich es als so schlimm empfand. Trotz mittlerweile 7 Tabletten abends, statt wie verschrieben einer. Es wurde immer schlimmer. Weil auch Träume ihren Sinn haben. Nachts verdrängte ich und tagsüber auch, über Alkohol oder andere Drogen oder Dissoziation. Alles ist ja in deiner Psyche und deinem Körper gespeichert, wo soll diese Energie denn hin, wenn wir nur verdrängen und unterdrücken? Natürlich äußern sie sich dann immer stärker…

Mein Körperbild früher

Ich glaube, ich fiel noch nie wirklich in die typische Traumasymptomatik, was das angeht. Meinen Körper mochte ich die meiste Zeit. Ich habe ihn nicht abgelehnt oder gehasst. Ich wusste ja auch immer, dass ich gut aussehe, also gab es für mich keinen Grund dazu. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit …

Anfang 2023 tauchte ein Glaubenssatz auf, der mir erklärte warum ich da immer etwas aus dem „typischen“ Bild fiel: Ich habe über meinen Körper meinen Wert definiert. „Liebe“ bzw. etwas, was für mich damals dem Nahe kam, erhielt ich u.A., wenn jemand meinen Körper wollte. Hinzu kam, dass ich gar kein Selbstwertgefühl hatte. Ich fühlte mich dumm und schlecht. Für mich gab es keinen Sinn, warum ich eine Existenzberechtigung auf dieser Welt haben sollte, AUßER jemand wollte mich eben benutzen.

Hieß nach dieser Logik: Stimmt etwas mit meinem Körper nicht, erhalte ich auch keine „Liebe“ mehr. Ein richtiges Gefühl an ihn hatte ich, heute im Rückblick, aber nicht wirklich. Er war mehr wie ein Gefährt. Etwas, in dem ich sitze. Wie ein Auto. Ein N-u-t-z-g-e-g-e-n-s-t-a-n-d. Ein Gegenstand, auf den man achten muss. Den man hegen und pflegen musste und kritisieren durfte („Ich mag dich nicht, wenn du nicht so und so bist!“ – „Das ist falsch und muss noch verbessert werden“ ), wenn er nicht erfüllte, was man von ihm erwartete.

Mein Körper im Wandel der Zeit

Vor ca. 1,5 – 2 Jahren begann plötzlich mein Körperbild immer schlechter zu werden. Also klar, das fing schon eher damit an, dass ich damals fast 10 Kilo durch die Tabletten zunahm. Von 55kg war ich plötzlich auf 65kg und seitdem erreichte ich auch nie wieder die 55kg. Damit war ich zwar unglücklich, aber das schlechte Körperbild fing erst einige Jahre später an.

Und deshalb verstand ich auch anfangs nicht, warum das nun so ist. Ich fühlte mich immer unwohler. Jedoch bekam ich auch immer mehr ein Gefühl zu meinem Körper, wodurch ich überhaupt erst etwas hätte schlecht finden können. Ich hatte immer mehr Probleme mit meinem Gewicht, was ich früher stets hinter einer dicken, dissoziativen Barriere versteckt hielt. Ich fühlte mich immer dicker und obwohl meine Kleidung, seit Einsetzen dieses Gefühls, nicht nennenswert enger wurde, sah ich im Spiegel die dreifache Menge von mir. Immer mehr gab es an mir, was ich bemängelte. Die Hautfalte hier und den „Speck“ dort.

Was mir half aufzudecken, dass hier ein unguter Glaubenssatz dahintersteckt, war, wie ich über andere Menschen denke: Ich habe schlanke und übergewichtige Menschen kennengelernt. Also auch Menschen, die ein gesundheitlich bedenkliches Maß an Gewicht überschritten. Aber es ist für mich (also auf das Außen projiziert) egal, ob derjenige ein knochiges oder fleischiges Gesicht hatte: Menschen mit einem schönen Charakter, sind schöne Menschen. Punkt.

So wie ich damals aussah (und auf was ich meinen Wert begrenzte), wäre noch vor 100 Jahren (oder in Teilen der heutigen Welt) absolut unattraktiv gewesen. Sehen wir uns die Frauen aus der Antike an, war keine bis auf die Knochen abgemagert. Im Gegenteil. Also versteht mich nicht falsch: Ich habe trotzdem meine Präferenzen und diese sollte, und vor allem darf, jeder Mensch haben. Aber meine Präferenzen, egal ob ich auf weniger oder mehr Gewicht stehe, sagt NICHTS über den Wert des anderen aus. Gar nichts.

Also wenn ich das so sehe und mit anderen Menschen so umgehe, warum sollte ich es bei mir anders sehen? Was sollte mich schlechter oder anders als andere Menschen machen?

Mein Körpergefühl heute

Ich kam also stückchenweise meinem Glaubenssatz auf die Spur und versuchte ihn zu verstehen und daran etwas zu verändern. Also versuchte ich mehr auf die Symptome zu hören: Warum ist mein Körpergefühl jetzt so anders? Was steckt dahinter? Wenn es um den Nutzen geht, den ich anderen durch meinen Körper bieten kann, will ICH das überhaupt? Ist das alles, was ICH von anderen und der Welt erwarte? Benutzt zu werden?

Als ich das aufdeckte, wurde es trotzdem noch nicht besser und Spoileralarm: Nur indem dir sowas klar und bewusst wird, ist weder deine Essstörung, noch dein furchtbares Körpergefühl behoben. Das ist ein Weg, ein Prozess, auf dem es viele Höhen und Tiefen gibt. An manchen Tagen ist es viel besser, an manchen fühlst du dich wieder wie am Anfang.

Ich habe festgestellt, umso mehr Traumata auftauchten, umso mehr ließ ich auch meinen Körper schleifen. Vorher kümmerte ich mich um ihn, wegen anderer. Denn wie gesagt: Funktioniert er nicht, habe ich keine Existenzberechtigung mehr. Aber als ich feststellte, dass ich gar nicht heiß, schlank, schön oder unansehnlich für andere sein will. Das ich mich, im Gegenteil, von anderen dahingehend trennen möchte, ihnen die Macht über mich wegnehmen- und mir zurückgeben will. Umso mehr kam ich auch mit meinem Körper wieder in Kontakt.

Ja, ich habe lange Zeit meinen Körper definiert über andere. Aber heute will ich das nicht mehr, also warum fühlte ich mich noch immer schlecht? Im Gegenteil sogar schlechter als früher?

Weil mein Körper mir sagen wollte, dass es jetzt Zeit wird, mich um MICH zu kümmern … Symptome eben ….

Positives Körperbild lernen

Das funktioniert für mich nur, über mich selbst. Ich lerne nicht auf meinen Körper zu hören, wenn ich in meinen Gedanken bei anderen bin. Und wie gesagt, das kannst du nicht einfach abstellen. Das ist ein Prozess. Ein winziger Schritt nach dem anderen.

Solange ich jedoch daran denke, dass ich mein Körperbild dazu b-r-a-u-c-h-e (=benutze!), um darüber leben zu können, sei es in Form von: „Wenn mein Körper nicht mehr richtig ist, dann will niemand mich mehr und ich sterbe (denn für ein Kind bedeutet Ablehnung sterben)“ oder „Mein Körper ist dafür verantwortlich, dass man mir so viel Gewalt antat. Nur wenn er nicht mehr ansehnlich oder nicht da ist (=Dissoziation), kann ich überleben, weil ich mich dadurch vor Gewalt schützen kann“ , solange bin ich nicht bei mir selbst.

In beiden Fällen (und mit ihren vielen Varianten dazwischen) sind wir bei anderen. Wir benutzen unseren Körper genauso wie andere ihn benutzt haben. Das Leid, was uns andere Menschen zufügten, wurde zu unserer Realität. Und heute benutzen wir unseren Körper genauso, wie die Menschen, die uns Schlimmes antaten, uns benutzten (Stichwort: Täterintrojekte).

Wenn uns aber jemand zu seinem Zweck benutzt, sieht er dann uns selbst? Versteht er dann, was wir sagen oder wer wir sind? Erkennt er unsere Sensitivität, unsere Wut, unsere Liebe und unseren Hass oder sieht er nur sich selbst und das was er von uns will? Versteht so jemand denn was wir ihm mitteilen wollen? Was z.B. das Kind versucht damit zu bezwecken den Missbrauch selbst zu initiieren, nachdem dieser vom Täter 100x zuerst begangen wurde? Genauso wie das ein Hilfeschrei ist, ein Versuch wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, das letzte bisschen Kontrolle zu erhalten, was uns blieb …

… genauso schreit unser Körper um Hilfe

Er schreit, ihn bitte anzusehen. Ihn wahrzunehmen. Früher sah ich (und das schon zu den Zeiten, wo ich mich „spirituell erleuchtet“ fühlte) meinen Körper als etwas, das da ist, an. Heute sehe ich ihn als Teil meines Selbst. Ich bin nicht mein Körper, aber ich bin ein Teil meines Körpers, genauso wie mein Körper ein Teil von mir und meinem Geist ist. Wenn ich meinen Körper verleugne und ablehne, lehne ich auch Teile von mir selbst ab.

Aber sind wir einmal ehrlich: Es sind nicht wirklich wir, die wir ablehnen (wollen). Es sind die Täter und ihre Taten, die wir ablehnen.

Heute sprechen wir darüber (zu Recht!) das Kleidung, etc. keine Vergew*ltigung ausmacht, sondern das dafür Vergew*ltiger verantwortlich sind. Also was genau sollte unser Körper dafür können? Er existiert genauso wie du und ich und hat niemand etwas Schlechtes getan. Er ist einfach nur da. MEIN KÖRPER KANN NICHTS FÜR DEN MISSBRAUCH. Egal wie er wann aussah/aussieht. Diese Verantwortung lassen wir schön bei den Tätern.

Alles was mein Körper heute tut, was mir signalisiert das wir Feinde sind, ist, dass er Hilfeschreie sendet. Wie das kleine Kind, das nie gehört wird (lasst uns das hier als Analogie sehen). Erst sendet es (bewusst oder unbewusst) kleine Signale und dann immer lautere und deutliche, aber niemand hört es. Alle sagen dem Kind nur, es soll endlich still sein. Aufhören mit seinen Quengeleien, mit seinen Worten und Emotionen (=Symptomunterdrückung). Das ist für alle in der Umgebung sehr einfach, denn niemand muss sich näher mit dem echten Problem auseinandersetzen.

Aber ist es das auch für das Kind? Dem Kind, das trotzdem mit all dem leben muss? Nur weil alle anderen es ignorieren, verschwinden ja die Verletzungen nicht. Sie verschwinden erst, wenn wir uns liebevoll um sie kümmern. Ihnen Beachtung schenken. … Wir sollten heute nicht das Gleiche machen, was die Täter (und ihre Komplizen) mit uns machten. Unser Körper ist nicht unser Feind! Das Tätertum ist es, das wir beheben müssen…