Das Gefühl unwichtig zu sein

Leider ist das ein Gefühl, was sich sehr tief in mir abgespeichert hat.
Geprägt wurde es bereits früh in der Kindheit. Sofort fällt mir eine Situation ein, als ich mit meinen Eltern im Urlaub und am Pool war. Meine Eltern lagen vor dem Pool. Meine Mutter las und mein Vater zog sich um und machte irgendwas. Ich spielte im Pool, auf den ersten Stufen, wo ich noch stehen konnte. Ich war vllt. 6 oder 7 und konnte noch nicht schwimmen. Dann rutschte ich ab, in den tiefen Bereich und drohte zu ertrinken. Ich sank immer wieder unter, versuchte mich über Wasser zu halten, bis ich irgendwann die Stange am Rand des Pools sah und versuchte diese zu greifen, was eine gefühlte Ewigkeit dauerte. Ich dachte ich ertrinke. Naja, ich dachte es nicht nur, ich war gerade dabei.
Als ich endlich die Stange gegriffen bekam und mich rausziehen konnte, sagte ich meinen Eltern was passierte. Ich wollte Trost und Schutz, denn ich hatte gerade um mein Leben gekämpft. Aber sie lachten mich beide nur aus und sagten mir, dass ich gar nicht fast ertrunken wäre. Das hätte ich mir nur eingebildet. Ich würde mal wieder übertreiben. Nur Aufmerksamkeit wollen … Ich meine, sie saßen vllt. 3m daneben. Es ist unmöglich, dass sie das nicht mitbekommen haben.

Eine andere Situation fällt mir ein, als ich mit vllt. 4-6 Jahren (+-) einen schweren Holzstuhl die Dachbodentreppe heruntertragen wollte und stürzte. Ich fiel die gesamte Treppe rein und der Stuhl über mich drüber. Ich hätte mir das Genick brechen können. … Aber nichts. Keine Reaktion. Keine Besorgnis. Spott stattdessen, wie ich sowas Dummes auch machen kann. Ich hätte das ja besser wissen müssen. Selbst Schuld.

Manchmal ist der Gedanke heute erträglicher, dass sie das als „Abhärtung“ betrachtet haben und ich wenigstens den materiellen Nutzen hatte – irgendeine Bedeutung für sie – als so unwichtig für sie zu sein, dass sie nicht einmal mein Tod interessiert.

Wegwerfware.

Aber auch meine Oma kommt mir da in den Sinn. Warum hat sie die Augen so verschlossen, vor dem was passierte und mir nicht geholfen? Wenn ich heute mit ihr spreche, dann geht es nur um sie. Wie schlecht es ihr geht, was mit ihr ist und besonders keinerlei Verständnis für meine Handlungen:
Ich hätte doch bei meinem Ex bleiben können. Wie er mich behandelt hat? Egal. Ich hatte es doch finanziell gut dort.
Ich könnte doch mal meine andere Oma besuchen. Was sie mir angetan hat? Egal. Ist doch Familie.
Und warum nehme ich nicht endlich Kontakt zu meinen Geschwistern auf? Weil sie bei meinen Eltern leben und ich das nicht riskieren darf? Nach allem was meine Eltern taten? Egal. Ich übertreibe und bin eine schlechte Schwester.
Gut das meine Oma mir auch regelmäßig sagt, wie sehr mein Vater meine Schwester lobt. Was für ein gutes Mädchen sie ist.
Der bitterste Gedanke, den ich jemals wahrgenommen habe, war: „Wahrscheinlich fic*t sie auch noch besser als ich“ – Ich liebe meine Schwester und ich ertrage das Gefühl sie zurückgelassen und keinen Kontakt zu ihr zu haben nur mit unendlich viel Verdrängung und Dissoziation. Das ich so etwas dachte, fühlte sich wie mein persönlicher Tiefpunkt an.

Meine Oma war der einzige gute Punkt in meiner Kindheit. An sie habe ich die einzigen schönen Erinnerungen, die nicht mit etwas Schlimmen gekoppelt sind. Und trotzdem lebt sie in einer Scheinwelt. In einer Fake-Harmonie Welt, wo nicht der Täter zur Rechenschaft gezogen wird, sondern sich das Opfer nur mehr zusammenreißen muss. Ich fühle mich verraten von ihr. Ich fühle mich so unwichtig, dass ich es nicht mal wert bin, dass man mir zuhört oder zumindest meine Entscheidungen nachvollziehen kann. Das man nicht mal sauer darüber wird, was mir angetan wurde.

Und so geht es weiter.
Richtig in mein Gehirn eingesickert WIE egal ich Menschen bin, war nach der Gruppenvergewltigung. Meine „Freunde“ ignorierten es oder taten es ab, als hätte ich von einer Lappalie erzählt. Während sie mich gleichzeitig über Monate mit ihren Beziehungsdramen und anderen Mist volllaberten. „Es reicht jetzt auch mal mit diesem Thema“ , bekam ich gesagt, nachdem ich zum 2.Mal(!) darüber sprechen wollte und auch nur darüber, dass ich Zeugen für die Polizei suche und die Namen der Täter. Ich forderte noch nicht einmal Mitgefühl, obwohl ich es so dringend gebraucht hätte. Über Monate, Tag ein Tag aus, musste ich mir anhören, warum die Freundin Schluss gemacht hat und wie schlimm das doch war und unfair. …. Hmmm… Vllt. reagiere ich auch deshalb heute so allergisch auf Beziehungsdramen. Oder ich wurde ganz ignoriert oder das Thema schnell wieder umgelenkt auf etwas anderes, sobald ich etwas sagen wollte. Und der Vater meines Kindes verbot mir den Kontakt zu diesen deshalb. Weil ich so widerlich wäre und sicher kein guter Kontakt für es. „Sorry das ich mit hab vergew“ltigen lassen. Hast recht, ich bin ein schlechter Mensch“
Der Typ will heute auf Personenschützer machen, es ist so absurd … Ich meine, er ist furchtbar. Ich weiß das. Ein schrecklicher Mensch und selbst einer meiner Täter und trotzdem tut es weh. Denn andere Frauen beschützt er, wenn sie von ihrem Mann geschlagen werden. Es tut so weh, dass ich niemand genug bedeute, wengestens einmal sauer zu werden. Das es bei allen scheinbar schlimm ist, nur bei mir nicht.

Das ist nur mein Gefühl, das ist mir bewusst.
Aber warum hört das nicht auf?

Auch meiner besten Freundin damals war es das nicht wert. Auch sie überging die Geschichte. Über alles mögliche regte sie sich auf, aber nicht darüber.
Meine Therapeutin damals fand es erst schlimm, weil ich an organisiertes Verbrechen geraten bin und nicht „Nur bei jemand fremdes im Bett aufwachte“, wie sie es sagte. Wir konnten in der Therapie auch keine wirkliche Traumaarbeit machen, weil ich ja kaum Erinnerungen an die Traumata in der Kindheit habe. Aber ich hatte doch so viele im Erwachsenenalter, an die ich mich erinnere. Keins davon sprach sie an, im Gegenteil überging sie vieles, wenn ich darüber sprechen wollte. Das fühlte sich so an, als wären diese Traumata wohl einfach nicht schlimm genug gewesen. Nichts für die Traumatherapie … Aber wenn ich mich mit anderen Menschen unhalte, dann haben sie nicht all diese Dinge erlebt und werden trotzdem ernst genommen. Machen trotzdem Traumaarbeit. Was war denn an meinen Erfahrungen anders?
Ich würde es einfach nur so gerne verstehen. Ich nehme mich heute ernst und ich find all diese Dinge sehr wohl schlimm. Und die Menschen reagieren doch auch auf andere. Warum wird bei mir stets so verhalten reagiert?

Nicht ernst genommen werden, unwichtig sein…
Ich weiß heute, dass das ein großer Trigger bei mir ist und Trigger lassen einen die Welt nicht unbedingt immer real betrachten. Oft interpretiert man Dinge falsch, weil sie einen so an das Schlimme von früher erinnern. In der heutigen Realität sind diese Sachen aber manchmal ganz anders.
Heute hab ich mich selbst auch lieb, sodass ich wirklich keinen logischen Grund weiß, warum man ausgerechnet mich ignorieren sollte. Ich weiß nicht, was an mir so schlimm sein sollte, dass man alles Mögliche auf der Welt schlimm findet, nur nicht das, was mit mir ist.
Rational weiß ich das.
Und das sage ich mir auch immer wieder.

Aber warum wird es dann immer wieder angetriggert? Liegt das nur an mir? Interpretiere ich das nur falsch? Bei anderen Dingen tue ich das doch auch nicht so stark. Oder erwarte ich einfach zu viel?

Das Gefühl anderen unwichtig zu sein, wie soll ich das aber selbst auflösen, ohne die anderen? Ohne positive, neue Erfahrungen? Ohne Erfahrungen, die mir das Gegenteil zeigen?

Wenn ich heute einer Freundin schreibe, dass meine Depressionen gerade wieder in einer schweren Phase sind und keine Antwort darauf kommt, tut das weh. Ich fragte sie, warum sie darauf gar nicht reagiert hat und sie sagte, dass sie nicht wusste wie. Ich glaube ihr das, sie ist kein schlechter Mensch und auch keine schlechte Freundin. Aber es tut trotzdem weh.
Noch viel mehr weh tut es, weil ich weiß, dass sie auf sowas reagieren kann. Denn mit einer anderen Freundin von ihr schreibt sie lange Chats. Geht auf sie ein, tröstet sie, ist für sie da. Während auf mich und wenn ich etwas erzähle, was mich gerade belastet, nur ein: „Hmm, ja echt doof…. Du, weißte was bei mir grad los ist?“ kommt. Das tut soooo weh. Warum bin ich es nicht wert, dass man mich tröstet oder für mich genauso da ist? Warum denken Menschen ständig, dass ich das nicht brauche? Warum ist es bei anderen so schlimm, aber bei mir so selbstverständlich?

Es tut auch weh wenn Menschen zu mir nach Hause kommen oder mit mir telefonieren und als erstes von sich und ihren Problemen erzählen. Und wenn ich von mir etwas nur irgendwo zwischendurch schnell einschieben kann. Schnell, weil es sich für mich so anfühlt. Ich muss die Lücke abpassen, die der andere im Reden lässt, um kurz etwas von mir zu erzählen. Und oft sind das auch nur Beispiele, die ich dann anbringe, weil es thematisch zu dem passt, was der andere erzählt. Also nichts, wo es wirklich um mich geht, sondern mit dem Erzählten möchte ich dem anderen dann zeigen: „Du bist nicht allein“ – „Ich verstehe dich“ – „Ich habe damals so und so reagiert, vllt. hilft dir diese Perspektive“ – usw.
Selbst wenn ich sage: „Mir geht es heute nicht so gut“ , dann wurde trotzdem einfach über sich geredet. Auch wenn ich gerade nicht über meine Themen sprechen möchte, würde ich mir so wünschen, dass man trotzdem einfach für mich da ist. Mir zeigt, dass es trotzdem mal um mich gehen darf. Egal wie. Und nicht nur umgedreht.

Ich bin gerne für andere da. Wirklich gerne. Aber ich verstehe nicht, warum bei diesen nicht der Gedanke aufkommt, dass ich das vllt. genauso brauchen könnte? Das ich es genauso brauchen könnte, dass es mal nur um mich geht und man mir einfach nur zuhört. Aufmerksam, ohne auf die Sekunde wartend, wo man endlich wieder über sich reden kann.
Aber auch das bilde ich mir nur ein. Nehme nur ich so wahr, wurde mir schon so oft gesagt … Ich weiß es nicht. Vielleicht. Vllt. fällt denjenigen das aber auch nicht auf und sie schieben deshalb alles von sich und geben meiner Wahrnehmung die Schuld.

Dann denke ich mir und manchmal sagen sie es auch, dass es ihnen eben so schlecht geht, dass sie keinen Raum für mich haben. Das ist okay und eine wichtige Grenze.
Aber wenn das ständig oder fast überwiegend der Fall ist, frage ich mich schon manchmal: „Geht es mir dann einfach doch nicht so schlecht? Sind die anderen doch schlimmer dran, als du? Denn wenn du dich zurückhalten kannst, um für denn anderen da zu sein und der das nicht kann, dann muss es dem ja schlechter gehen“ und weil ich das denke, halte ich mich dann wieder zurück. Bin weiter für den anderen da, höre zu, mache mir Gedanken und trete damit über meine eigenen Grenzen. Aber ich äußere doch schon deutlich wie es mir geht. Warum hören das die anderen nicht?
Und da bin ich wieder an dem Punkt, wo ich mich frage, wie laut ich rufen muss, um gehört zu werden?

Es wird zwar gesagt und angeboten: „Wenn du reden willst…“ , aber ich kann dann doch nicht reden. Sie hören gar nicht richtig zu. Sind mit etwas anderem nebenbei beschäftigt, abgelenkt, geistig nicht richtig anwesend, gelangweilt. Es tut so weh, wenn ich sehe, wie der Blick so langsam abtriftet, weil derjenige sich langweilt. Gelangweilt von meinem Schmerz ist. Von meinem Kampf ums Überleben.
Oder sie reden ständig zwischenrein. Also nicht so normal, weil einem ein Gedanke kommt, sondern ich werde dann so komplett überredet, sodass ich gar nicht richtig weiterreden kann und es doch wieder nur um den anderen geht.
Wieso nehme ich das denn wahr, wenn nichts davon stimmt? Wovon werde ich denn dann getriggert? Ich will es einfach nur verstehen, dann könnte ich vllt. auch besser damit arbeiten.

Oder es geht generell überwiegend nur noch um die Themen des anderen.
Beziehungstress, während ich da sitze und davon erzähle, dass ich Angst habe, dass noch Täterkontakt besteht, weil es Indizien dafür gibt. Während auch bei mir weiter im Trauma zu meinem Kind gerührt wird, von Täterseite. Während Traumaerinnerungen hochkommen usw. Es ist so viel los und wenn es dann im Chat oder Gespräch immer wieder auf dieses eine Thema des anderen zurückswitcht, fühlt es sich wieder an, als wäre ich unwichtig. Nur für andere da. Um benutzt zu werden….

Das ist so stark dieses Thema, seit letztem Jahr.
Manchmal ertrage ich es kaum noch. Dieses Gefühl für niemand wichtig zu sein. Nur für den Gebrauch. Ja, es ist schön, dass die Dissoziation fällt, aber das bringt auch soviel Schmerz ans Tageslicht.

Ja, die Menschen sagen, es ist nicht so. Das sie mich nicht benutzen.
Und das will ich ihnen auch glauben. Mein Umfeld ist lange nicht mehr das Gleiche, wie es das früher war. Auch meine Antennen für ausnutzendes Verhalten sind viel besser, ebenso ziehe ich heute sehr starke Grenzen.
Wie gesagt, rational weiß ich auch, dass es Quatsch ist. Es gibt keinen Grund, warum ich weniger als andere Wert sein sollte. Auch ich bin nicht der Nabel der Welt, bei dem alles anders ist.
Aber das Gefühl geht nicht weg.
Und ich habe ja Reaktionen kennengelernt, wenige, aber sie waren da, die mir zeigten: „Ah, so sieht es also aus, wenn jemand schlimm findet, was man dir antat“ – Wenigstens weil die Sache an sich schlimm ist. Ob ich demjenigen wichtig war, dass kann ich deshalb trotzdem nicht fühlen.

Und ich weiß nicht, was ich tun soll.
Soll ich noch mehr Menschen aussortieren? Da bleiben nur noch 2 übrig. Oder muss ich es einfach akzeptieren, weil die Welt und die Menschen nun einmal so sind? Aber bei anderen können sie das doch auch.
Oder jammere ich gerade nur herum? Gebe ich anderen die Schuld, muss ich mich noch mehr selbst kümmern?
Oder liegt es daran, dass ich noch immer die falschen Menschen anziehe? Muss ich erst noch mehr heilen?
Muss ich mich noch mehr anstrengen und meine Trigger bearbeiten? Liegt es daran? Bewerte ich alles nur falsch?
Aber irgendwie ist es mir auch zuwider, dieses „noch mehr machen müssen“ – Sind das nicht auch Traumagedanken? Das man erst dies und jenes tun muss, um sich geliebt zu fühlen? Weil es nicht reicht, das man einfach ist?
Aber wenn es an den Anderen liegt, dann kann ich auch nichts tun. Nicht handeln. Das ist also genauso Mist und nicht akzeptabel für mich.

Ich will das alleine schaffen. Niemand anderes dazu brauchen, auf niemand angewiesen sein. Obwohl auch das wieder nur Traumagedanken sind, oder?
Aber da ist sowieso der Punkt, wo ich scheitere. Ich weiß nicht wie ich das alleine hinbekomme. Ich habe Selbstliebe aufgebaut und trotzdem wünsche ich mir das Gefühl, auch einmal für jemand anderes wichtig und bedeutend zu sein.
Ja, manche Leute sagen es wäre so, aber ihre Handlungen lassen mich das nicht fühlen.

Ich stehe hier an einem Punkt, wo ich nicht weiß, wie ich das ohne die Hilfe anderer schaffe. Zumal es dabei ja um andere geht. Aber genau davor habe ich Angst. Denn dazu muss ich anderen erst einmal zeigen, dass ich sie brauche und wenn ich noch nicht mal das Gefühl habe, das ICH gesehen werde, wenn ich mit „Bröckchen“ (obwohl Depressionen und Vergew*ltigung jetzt auch keine Bröckchen sind) ankomme, dann wird es nur umso schlimmer, umso offener und verletzlicher ich mich noch zeige und wieder keiner Reaktion kommt. Ich will auch einfach nicht mehr darum kämpfen müssen, gesehen und geliebt zu werden. Jemand wichtig zu sein.
Ich fühle mich hier in einer Pattsituation, weil ich nicht weiß, wie ich dieses Thema ohne andere schaffe. Aber auch nicht, wie ich es mit schaffen soll. Ich gebe mir wirklich Mühe, aber es haut nicht hin. Keine Ahnung

Alkohol (und Trauma)

Heute möchte ich über ein für mich wichtiges Thema reden. Ich erzähle am Anfang über die Wirkung von Alkohol im Körper und danach darüber, wie Alkohol von Traumabetroffenen eingesetzt wird. Wie es „hilft“ und wie es schädigt.

Dieser Beitrag wird für einige möglicherweise kontrovers und ich bitte diesen nur zu lesen, wenn ihr Differenzieren könnt. Ansonsten könnte er Unverständnis auslösen und vllt sogar triggern.

Wie wirkt Alkohol auf den Körper?

Alkohol wirkt sich auf den Botenstoffwechsel aus. Botenstoffe sind chemische Substanzen im Körper, welche gebraucht werden, um Informationen auszutauschen. Droht uns z.B Gefahr, dann sendet unser Körper Stresshormone aus. Diese mobilisieren, lassen uns aber auch innerlich unruhig, angespannt, ängstlich oder traurig fühlen. Trinken wir nun Alkohol, dämpft dieser diese Auswirkungen, da er die Signalwirkung hemmt.

Stellt euch Alkohol, bildlich, wie eine kleine Bombe, geworfen auf unsere Zellen, vor. Was nicht mehr da ist, kann auch keine Signale mehr senden.

Alkohol macht uns entspannt, glücklich und unbesorgt. Gerade wenn wir Sorgen haben, spüren wir das besonders. Oder wenn wir sozial ängstlich, bekümmert oder zurückhaltend sind.

Wie oft sind wir im Alltag einfach nur angepasst, weil die gesellschaftliche Erwartung uns dahin drängt? Wären wir es nicht, wären wir so, wie wir im Inneren wirklich sind: Wütend, traurig, bedürftig oder anschmiegsam. Wie oft würden wir dann, wenn wir das ausleben würden (was sich oft nur aus Schmerz und Ablehnung entwickelt hat) wiederum Ablehnung erfahren? Wir sind nicht so angepasst, weil WIR das möchten. Wir sind angepasst, weil uns sonst eine Strafe drohen würde. Ablehnung. Egal ob in körperlicher Form/Strafe oder emotionaler.

Und eben diese Botenstoffe, vor allem die Stresshormone, werden ausgeschüttet, damit wir uns anpassen können. Stress, ausgelöst durch Angst. Und wenn sie nicht mehr wirken können, weil Alkohol eben diese Übertragung verhindert, dann fühlen wir uns locker. Die Schranke fällt und unser Innerstes bzw. das, was wir bisher verdrängt haben, kommt zum Vorschein.

Was ist negativ daran?

Auf seelischer Ebene: Per se erst einmal nichts. Wir haben die Gelegenheit, so zu sein, wie wir eigentlich sind. Facetten, die sonst verdrängt werden, kommen endlich zum Vorschein. Problematisch ist an der seelischen Ebene erstmal nur das, dass viele im Großen und Ganzen diese Facetten nur ausleben, ohne sie zu reflektieren und spüren. Dadurch können sie nicht integriert werden und letztendlich läuft es so dann doch wieder auf ein vor sich selbst weglaufen (und damit verdrängen) hinaus.

Auf körperlicher Ebene: Gehen wir wieder in die metaphorische Sicht, dann ist, wenn wir eine Bombe werfen, jeder tot, den es erwischt. Oder? Zellen, die einmal abgetötet wurden, wachsen nicht einfach so wieder nach. Sie bleiben tot. Zerstört. Das ist einer der Gründe, warum langjährige Alkoholiker (genauso wie langjährige Drogenabhängige) irgendwann immer weniger kognitive Fähigkeiten haben. Auch Empathie lässt nach – Was aber nicht für jeden gilt. Hauptsächlich ist das Problem, dass sich die Hirnmasse verringert. Kritisches Denken nimmt dadurch ab (jetzt könnte man beginnen zu spekulieren, warum Alkohol so eine für jeden frei zugängliche Droge ist… 😉). Die Hemmschwelle nimmt ab, aber auch zu zunehmenden Blackouts kommt es. Generelle Gedächtnisprobleme treten auf und der Wegfall gezielter Koordinationshandlungen. Starkes Zittern oder unwillkürliche Bewegungen (z.B auch nicht mehr laufen können) sind da oft eine Folge von.

(Chronischer) Alkoholkonsum tötet Zellen in unserem Inneren ab, welche für viele wichtige Funktionen in unserem Leben zuständig sind. Alles in allem ist Alkohol also eine ziemlich bösartige Substanz für den Körper.

Warum trinkt man trotzdem Alkohol (allgemein)?

Sind wir mal ehrlich, ist uns das (fast) allen bewusst: Alkohol schädigt unseren Körper. Ist ja nun kein Geheimnis. Trotzdem gehört Alkohol zu DER Volksdroge schlechthin. Ich würde sagen, unserer heutigen Zeit. Aber glaubt man der Geschichte, dann war das schon „immer“ (soweit wir wissen bzw. vermuten) so. Ich persönlich glaube, und das ist nur meine persönliche Meinung, dass wir Menschen ständig in der Verdrängung leben. Wir tun soviel Destruktives und wir erleben soviel Destruktives. Wir sind Lebewesen, die eigentlich im (harmonischen) Kollektiv leben sollten. Und wir suchen die Nähe, die Verbindung, die (zwischenwesen-tliche) Liebe.

Gefühle wie Ablehnung, Wut, Angst – die Trennung der Verbindung – sind kaum für uns auszuhalten. Weil wir gar nicht mehr wissen, wie wir damit umgehen sollen. Irgendwann konnten wir es bestimmt. Und irgendwann nahm es seinen Anfang, dass wir das nicht mehr konnten. Wer weiß schon, was die Gründe dafür waren. Wer weiß schon, wie schlimm unser kollektives Anfangstrauma gewesen sein muss, dass das alles seinen Lauf nahm…

Nein, nicht jeder, der trinkt, tut das bewusst aus dem Vergessen und Unterdrücken heraus. Alkohol macht Spaß und es macht uns in sozialen Situationen locker. Vor allem das. Es macht Dinge einfacher. Warum aber sollte ein Mensch, der vollends glücklich mit seiner Tätigkeit/seinem Sein ist, Alkohol trinken? Warum sollte das jemand, der sich glücklich fühlt? Akzeptiert? Angenommen, als das, was er ist?

Meiner Meinung nach, und nur meiner Meinung nach(!), trinken wir kollektiv so viel Alkohol, weil wir so vieles im Inneren mit uns tragen, was wir nicht aushalten zu fühlen.

Warum trinken wir im Traumakontext Alkohol?

Aus genau dem eben beschriebenen Grund. Du erträgst deine Gefühle nicht mehr. Du erträgst die Angst nicht mehr. Die Panik. Die Traurigkeit. Vor allem auch die Traurigkeit über das, das du nicht hast. Dinge, wie z.B eine Verbindung, Liebe. Ich spreche nicht von Liebe zwischen Partnern. Sondern von der Liebe zwischen Mensch und Wesen an sich. Dem Ur- Vertrauen, was so früh gebrochen wurde. Du fühlst dich allein. Nicht umsonst schätzen so viele Menschen die Liebe zwischen Mensch und Tier. Sie ist echt, ohne Bedingung.

Hast du dich nicht auch schon einmal gefragt: „Gibt es überhaupt einen Menschen, der mich so liebt, wie ich bin? Ohne das ich eine Rolle spiele? Ohne das ich eine Erwartung erfülle? Mit all meinen Fehlern? Verständnis dafür hat, wer ich bin und warum ich so bin, wie ich bin?“ Nicht als Entschuldigung (denn das ist keine echte Liebe), sondern in Form von Akzeptanz?

All das löst Stress in uns aus und Alkohol dämpft die Emotionen, die durch diesen Stress auftauchen. Es dämpft die Leere in uns. Die Leere, allein zu sein. Das Gefühl, uns allein zu fühlen. Allein mit dem, wer wir sind. Wir trinken, um zu vergessen. Um nicht zu fühlen oder, im Gegenteil, um endlich einmal all das wieder fühlen zu können, was sonst in uns hinter einer tiefen Schicht von Dissoziation verborgen ist. Leid, Trauer und Glück, weil wir es sonst nicht fühlen können. Weil wir uns bisher, aus Selbstschutz, davon abgeschnitten haben. Wir trinken, um generell Abstand vom Leben nehmen zu können. Abstand von all dem Leid in uns und all der Angst. Angst die Wut, Hass oder Resignation auslöst.

Wie war das bei mir?

Vor fast 8 Jahren, als mein Innensystem zusammenbrach und es zu einer Retraumatisierung kam, verfiel ich sehr stark dem Alkohol. Ich würde sagen, (langfristig) weniger als vllt dem ein oder anderem Leidensgenossen, aber das war  nicht mein Verdienst. Das lag am (dissoziativen) Inneren. Ich trank sehr viel Wein. Zeitweise zwischen 1-2 und 3-4 Flaschen am Tag. Eine enorm, wirklich enorm große Menge. Und rückblickend erkenne ich, das Alkohol schon immer diese Rolle in meinem Leben einnahm, sich betäuben zu können. Bereits in der Partnerschaft mit dem Vater meines Kindes, war ich extrem unglücklich. Ich trank damals nie übermäßig. Aber oft dann, in den Momenten, wenn es mir so schlecht ging, dass ich es nicht mehr aushielt. Zu dieser Zeit waren es oft (noch) nicht mehr als 1-2 Gläser Wein.

Rückblickend weiß ich mittlerweile aber wieder, dass das auch vorher schon so war. Als ich in der 3. Klasse war, da machten wir einen Schulausflug zur Polizeistation. Dort sollten wir Fingerabdrücke abgeben und in ein Röhrchen pusten. Man wollte vieles präsentieren, was so gemacht wird. Ich weigerte mich, in das Röhrchen zu pusten. Und der Polizist, die Lehrerin und die Begleitpersonen wollten mich überreden, dass da nichts Schlimmes passieren kann. Sie dachten, ich hätte Angst davor. Aber ich weigerte mich trotzdem. Der Grund war, weil ich morgens, vor diesem Schulausflug, 2 – 3 Gläser Sherry (Likör von mindestens 20%) trank – nicht weil ich Angst hatte.

Da war ich 8/9 Jahre alt. Ich kam an den Alkohol meiner Eltern leicht heran. Aber es gab auch wenig Regeln. Individuelle Regeln vllt., aber keine, die sicher gestellt hätten, dass es dafür (schlimmen) Ärger gibt. Ich glaube, dass es meinen Eltern nicht auffiel. Sehr wahrscheinlich wurde mir aber eh von meinen Eltern selbst bereits das erste Mal Alkohol gegeben, daher dürfte es ihnen auch egal gewesen sein. Das ist keine Rechtfertigung für späteres Verhalten! Aber ich glaube, dass ich dadurch früh spürte, wie Alkohol das innere, unerträgliche Gefühl auslöscht. Ich habe nie gelernt, wie man mit problematischen Emotionen umgeht und der Mensch neigt dazu, den einfachsten Weg, ohne große Widerstände, zu wählen.

Am Anfang. Alles andere und spätere ist eine Entscheidung, die jeder selbst trifft.

Wie ging ich später damit um?

Missbrauchend. Absolut.

Ich wurde, Gott sei Dank, nie körperlich abhängig. Wenn gleich ich nie behaupten würde, dass ich es nicht emotional war. Ich konnte Alkohol trinken, ohne mich ins Koma zu trinken. Tatsächlich tat ich das, dass letzte Mal 2009. Aber ich verlor oft die Kontrolle darüber. Ich beabsichtigte anfangs 1-2 Gläser und trank dann alles, was da und auffindbar war.

Komasaufen hat nur nicht mehr stattgefunden, weil ich auf der einen Seite eine hohe Toleranz habe. Zu allen Substanzen. Und zum anderen daran, dass ich später nie mehr soviel kaufte, dass es möglich gewesen wäre, davon ins Alkoholkoma zu fallen. Das hatte aber nichts mit Selbstbeherrschung zu tun. Wäre mehr da gewesen, hätte ich wahrscheinlich immer alles getrunken.

2016 kam es zu einer Retraumatisierung. Ich fühlte Sachen, die ich kaum noch aushielt. Nichts mehr davon. Es lässt sich immer so leicht sagen, dass Menschen, die dem Alkohol oder Drogen verfallen, schwache Menschen sind. Das lässt sich aus der Sicht leicht sagen, aus der man nicht das Gleiche fühlt. Das heißt nicht, dass es dir, der das denkt, nicht auch schlecht geht. Oder du vllt nicht sogar das Gleiche (oder Schlimmeres) erlebt hast. Nur, das du nicht das Gleiche empfindest. Keiner ist gleich. Egal ob wir das Gleiche, ähnliches, oder nicht, erleb(t)en. Du steckst nicht in der Lage des Betroffenen. Du kannst deine Handlungen und Entscheidungen aus deiner Perspektive betrachten, aber niemals aus seiner.

Wie kann man also als Angehöriger damit umgehen?

Ganz ehrlich? Gar nicht.

Das Leid, das Menschen mit sich herum tragen, könnt ihr ihnen nicht nehmen.

Menschen, die trinken, fühlen sich (erneut nur aus meiner Perspektive gesprochen! – es gibt viele Variationen) innerlich einsam. Sei für sie da. Hör ihnen zu. Entschuldige nichts. Nichts. Natürlich gibt es für jedes Verhalten eine Erklärung. Versuche diese zu verstehen. Verstehen bringt soviel mehr, als Verurteilung. Es schafft Verbindung.

Aber rechtfertige mit diesem Verstehen keine destruktive Handlung. Nur weil ich mich alleine fühle, rechtfertigt das keine destruktiven Handlungen gegenüber andern.

Wie erkenne ich diese? Wenn du merkst, dass du ernsthaft Schaden davon trägst. Nicht „Schaden“, weil derjenige nicht mehr deine Erwartung erfüllen kann. Weil er dich vor der Gesellschaft „blamiert“ oder nicht mehr nur für dich da sein kann. Sondern destruktiv ist es dann, wenn er dich emotional, finanziell, körperlich oder sexuell verletzt. Dafür gib es KEINE Entschuldigung! Und wenn du das rechtfertigst, dann schadest du nicht nur dir, evtl. anderen, sondern auch demjenigen.

Eine große Frage ist auch die Alkoholbeschaffung. Meist wird das in der Psychologie unter Co-Abhängigkeit aufgefasst…

Co-Abhängigkeit und meine Meinung

Co-Abhängigkeit sehe ich als ein sehr ernstes Thema. Sie findet aber erst da statt, wo du deine Gefühle vom anderen abhängig machst. Ist derjenige drauf und ist dann netter zu dir? Oder sagt dir, er fühlt sich dann besser und du fühlst dich wohler, weil du ihm dadurch dieses „bessere“ Gefühl verschaffen kannst? Beschaffst du ihm deshalb Alkohol? Aus dem Gefühl heraus, wenn du etwas für ihn tust, macht es das für dich besser? Dann geht das sehr stark in die Richtung Co-Abhängigkeit.

Ich persönlich hasste es, wenn mir jemand Ratschläge geben wollte. Ich wusste stets zu jeder Zeit, dass das Trinken schlecht für mich ist. Mir war klar, was es in meinem Körper anrichtet und ich wusste, dass ich damit nur weiter verdränge. Und es damit nur schlimmer wird. Keiner dieser Ratschläge ála: „Du solltest nicht mehr trinken“ half mir. Ich wusste das und tat es trotzdem. Im Gegenteil führte diese Art der Ablehnung nur dazu, dass ich versteckt trank. Ich sagte nicht mehr, wenn ich mir etwas holte. Ich sagte nicht mehr, wie viel ich trank und versteckte den Alkohol sogar. Damit öffnete ich mir alle Wege in den festen Alkoholismus.

Das war nicht die Schuld anderer. Denn ICH traute mich nicht mehr, es offen zu sagen. Weil ich Angst vor der Ablehnung hatte. Und ich trank weiter, weil ich mich damit selbst medikamentierte. Ich ertrug meine Gefühle nicht mehr.

Es gab für mich keine greifbare Möglichkeit, wie ich hätte gewusst damit umzugehen. Ich trank, weil ich keine andere Lösung fand. Ich fühlte mich allein, einsam und überfordert. Kein Ratschlag der Welt räumt diese Gefühle aus der Welt.

Wie also handeln?

Die Frage kann ich nicht beantworten. Das muss jeder für sich fühlen. Ich lernte jemand kennen, der mich ernst nahm. Der verstand, warum ich trank. Er versorgte mir ab und an Wein und auch andere Substanzen. Ob er es aus Bestätigung seiner Gefühle heraus tat oder nicht, weiß nicht. Aber ich weiß, wie wertvoll es für mich war. Ja, es wäre besser gewesen keinen Alkohol zu bekommen. Aber ich fühlte mich ernstgenommen. Ich bekam keine Ratschläge. Eine ernste Meinung, ja. Aber kein: „Du musst einfach nur das und jenes tun“ . Es war das, was ich in dieser Zeit brauchte und jeder, der mir das Gegenteil einreden wollte, verschlimmerte es nur noch. Du wirst noch einsamer. Seine Verhaltensweise war daher, in dieser Zeit, genau das Richtige.

Das heißt NICHT(!), dass ihr einem alkoholkranken Menschen Alkohol besorgen sollt! Damit will ich nur sagen:  Hört dem Menschen erstmal zu. Hört zu, was er gerade wirklich braucht. Der Drang nach dem Stoff, ist nicht das wirkliche Bedürfnis. Dahinter steckt immer ein anderes Bedürfnis. Aber das findet ihr nicht heraus, wenn ihr nicht zuhört. Wenn ihr nur auf der Ebene denkt: „Was der gerade macht, ist schlecht“ . Klar ist es das. Aber dahinter steckt etwas. Deshalb macht es derjenige.

Bei mir war es: Innere Einsamkeit. Ich fühlte mich nicht gehört, allein auf der Welt. Falsch. Wie ein Alien. Für mich half Akzeptanz. Das hilft mir Abstand von betäubenden Dingen zu nehmen. Für andere sind es ganz andere Dinge. Andere brauchen vllt. die Hilfe, dass jemand sagt: „Schluss damit“ . Hört richtig zu. Aktiviert eure Empathie (wieder) oder, wenn ihr das nicht könnt, nehmt Abstand.

Abstand ist kein Zeichen von Schwäche. Ihr helft niemand, wenn ihr euch selbst aufgebt. Aber macht nicht dem anderen den Vorwurf, sondern erklärt euer Verhalten! DAS hilft. Nicht Lügen, Angst und Erwartungshaltungen der Gesellschaft.